Schwitzen in Selbstbedienung

Der ehemalige Fischereihafen in Helsinki ist alles andere als nordisch durchdesignt: Bunt angepinselte und mit Plastikplanen abgedichtete Bretterverschläge besetzen die Gstätten. Aus jeder zusammenge zimmerten Hütte ragt ein rußiges Ofenrohr, davor stehen tapezierte Europaletten und ausgebaute Autositze – die Relaxzone der "öffentlichsten Sauna der Welt".

So nennt die eingeschworene Community, die hier ganzjährig kostenlos schwitzt, das Areal. Eintritt muss für die an sieben Tagen 24 Stunden lang geöffnete Sompa-Sauna niemand bezahlen. Jeder darf die Hütten benützen, die "Hausordnung" besagt bloß, dass sich um Handtuch und Brennholz jeder selber zu kümmern hat.

Lange Zeit bewegte sich das wilde innerstädtische Saunieren am Rande der Illegalität, mittlerweile ist es ein Projekt, auf das die Stadt Helsinki ganz offiziell stolz ist. Vermutlich wird sich dennoch nicht jeder Besucher denken: Ah ja, das sollte unbedingt Weltkulturerbe werden.

Doch genau das schwebt den Finnen jetzt vor. Sie haben ihre egalitäre Saunakultur als immaterielles Erbe eingereicht, 2020 will die Unesco darüber entscheiden. In der Sompa-Sauna ist Schwitzen jedenfalls ein echt skandinavisches "Jedermannsrecht".

Web: www.sompasauna.fi

Foto: Visit Finland Images / Harri Tarvainen

Überheizte Busse und Boote

Auch in landschaftlich wenig abwechslungsreichen Ländern wie Finnland besteht hie und da die lästige Notwendigkeit eines Ortswechsels. Die Einheimischen nutzen ihn auf den flugschamfreien Land- oder Wasserwegen – wie könnte es anders sein – immer häufiger zum Saunieren. In Finnland für Finnen und vermutlich mehr noch für touristische Anbiederer an die regionale Kultur erdacht wurden deshalb der Saunabus und das Saunaboot.

Stark überheizte Busse verkehren aus nachvollziehbaren Gründen vor allem im winterlichen Lappland. Wer etwa an den Flughäfen Kuusamo, Oulu oder Rovaniemi ankommt, kann die letzte Meile zum Hotel im Bus schwitzend zurücklegen. Der Nachteil: Man muss gleich das gesamte Vehikel mieten, etwa über Touranbieter wie Rukapalvelu (rukapalvelu.fi).

Saunaboote verkehren vor allem in Helsinki und richten sich auch an individuell Transpirierende. Am bekanntesten ist das stylishe schwarze Sauna Boat, das ab 180 Euro pro Stunde von den Helsinki Docks ablegt.

Web: www.saunaboat.eu

Foto: Julia Kivelä

Beheizbare Eiswürfel gegen Erkältung

Finnische Verkäufer prahlen vermutlich nicht damit, dass sie "einem Eskimo einen Kühlschrank andrehen können". Erstens, weil sie dafür politisch viel zu korrekt sind, und zweitens, weil sie absurdere Ideen haben. Saunen aus Eis zu bauen, zum Beispiel. In Lappland ist es des Winters üblich, zugefrorene Seen aufzu hacken. Nicht nur um nach dem Saunagang hineinzuhüpfen, sondern auch um Baumaterial für die Eissauna heranzuschaffen.

In der in Kuusamo liegenden Chalet-Anlage Rukan Salonki wurde eine der ersten errichtet. Die mit Schnee isolierte Saunahütte erinnert an einen würfelförmigen Iglu, der auf bis zu 60 Grad Celsius aufgeheizt werden kann. Das Klima im Inneren ist nicht trockenheiß wie in einer Wüste, sondern feuchtwarm wie in den Tropen oder einem Dampfbad. Da die Luftfeuchtigkeit bei über 80 Prozent liegt, können auch Menschen mit Lungenschwäche saunieren, selbst wenn sie eine reguläre Sauna nicht vertragen. Und anders als bei trockener Hitze beginnt man sofort zu schwitzen, was gegen saisonbedingte Erkältungen und Grippeerkrankungen helfen kann.

Der Bau einer Eissauna, die in Lappland im April wieder schmilzt, ist aufwendig. Deshalb trauen sich meist nur größere Beherbungsbetriebe drüber wie auch das bekannte Arctic Snow Hotel in Rovaniemi.

Web: www.rukansalonki.fi und www.arcticsnowhotel.fi

Foto: Visit Finland Images / Harri Tarvainen

Hölzerner Fels in der Ostsee-Brandung

Helsinki ist berühmt für seine öffentlichen Saunen, die tatsächlich die finnische Alltagskultur prägen. Sie gelten als Orte der körperlichen und seelischen Reinigung, als Forum, in dem politische oder wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden, und als echte Freiräume. Denn ganz anders als die Zentraleuropäer verzichten die Finnen auf spießige Saunaregeln. Umso erstaunlicher wirkt es, dass in der Hauptstadt seit Jahren ein schleichendes Saunasterben im Gange ist. Nur wenige historische Räume wie die 1953 eröffnete Sauna Hermanni (www.saunahermanni.fi) haben als Retrokultstätte überlebt.

Genau diese Entwicklung veranlasste das Architektenbüro Avanto, in dem ehemaligen Industrieviertel Hernesaari eine zeitgemäße Neuauflage der öffentlichen Schwitzhütte zu realisieren. Seit drei Jahren steht dort die Löyly-Sauna wie ein hölzerner Fels in der Brandung der Ostsee. Um 19 Euro sichert man sich für zwei Stunden einen Platz in der öffentlichen Sauna mit Meerblick, Handtuch und Seife gibt es gratis dazu. Die Restaurantterrasse vor dem über 1.000 Quadratmeter großen Schwitzkoloss ist mittlerweile zu einer der gefragtesten In-Locations Helsinkis geworden.

Web: www.loylyhelsinki.fi

Foto: Pekka Keränen / Visit Helsinki

Ein Metal-Festival zum Aufwärmen

Wo schwitzen die Finnen noch außer in der Sauna? Ja, genau, beim Headbangen auf dem Metal-Festival. Als das Sauna Open Air im Jahr 2004 zum ersten Mal über die Bühne ging, traten auch die bekannten Verkleidungskünstler Lordi auf. Wem die Band nach ihrem Song-Contest-Auftritt in Erinnerung geblieben ist, weiß, dass die Musiker recht viel anhaben. Sie schauen also eher nicht so aus, als kämen sie gerade aus der Sauna. Der Name des Festivals im finnischen Tampere ist demnach irreführend. "Sauna" trägt die Veranstaltung nur im Titel, weil die Musik und der damit verbundene Bewegungsdrang schweißtreibend sind.

Bis 2019 lag das Sauna Open Air übrigens vorübergehend auf Eis. In Finnland gibt es viele Metal-Fans, aber offensichtlich waren es nicht genug, um die Schulden des Veranstalters zu tilgen. Er ging in Konkurs. Nach sechs Jahren Unterbrechung haben im Juli 2019 Bands wie Whitesnake 14.000 Menschen im Freien zum Schwitzen gebracht. Danach fragten sich die Veranstalter der Metal-Sauna dennoch: Will we be back next year? Wer zum musikalischen Aufguss 2020 erscheinen möchte, sollte die Festival-Website im Auge behalten. (Sascha Aumüller, RONDO, 15.9.2019)

Web: www.saunaopenair.fi

Foto: Terhi Ylimäinen