Thorium soll eine neue Generation extrem präziser Uhren ermöglich.

Illustration: TU Wien

Wien – Lange Zeit ein Symbol der ultimativen Genauigkeit, lässt sich auch an der Atomuhr noch schrauben. Wissenschafter würden sich zum Beispiel bei der Vermessung von Naturkonstanten durchaus noch mehr Präzision wünschen. Das könnte eine sogenannte Atomkernuhr leisten. Im Fachmagazin "Nature" haben Forscher nun einen wichtigen Schritt zur Entwicklung eines solchen ultragenauen Zeitmessers präsentiert.

Das Prinzip: In einer herkömmlichen Atomuhr nutzt man die Elektronen in einem Atom, die auf sehr exakt definierte Weise zwischen zwei verschiedenen Zuständen hin und her wechseln können. Atomkernuhren hingegen würden nicht Zustände der Elektronen, sondern Zustände des Atomkerns als Taktgeber nutzen.

Thorium als Material der Wahl

Schon seit einiger Zeit glauben Wissenschafter, dass das Element Thorium hierfür besonders gut geeignet ist. Das liegt daran, dass die Kerne des Thorium-Isotops 229 offenbar energetische Zustände einnehmen können, die sehr nahe beisammen liegen – die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Atomkern-Uhr, berichtet die Technische Universität (TU) Wien.

"Knapp über dem Grundzustand – also dem Zustand mit der kleinstmöglichen Energie – gibt es erstaunlicherweise einen weiteren Kernzustand, den wir Isomer nennen", so Thorsten Schumm vom Atominstitut, der an beiden nun vorgestellten Experimenten beteiligt war. Thorium-229 dürfte tatsächlich der einzige Atomkern sein, der den Isomerzustand auf derart niedrigem Energieniveau einnimmt.

Nach so engen energetischen Nachbarn suchen die Wissenschafter. In bisherigen Atomuhren nutzen sie Elektronen, die sich zwischen nahe beisammenliegenden Energiezuständen bewegen können. Das vor allem für die Grundlagenforschung relevante Problem dabei ist, dass die exakte Messung dieser Elektronen-Übergänge etwa durch äußere Magnetfelder gestört werden kann. Darüber hinaus lassen sich Atomkern-Zustände insgesamt besser vermessen.

Zwei Wege zum Ziel

Auf die Suche nach dem ominösen Thorium-Isomerzustand, dessen exakter Energiewert bisher unbekannt war, machten sich die Teams aus Deutschland und Japan mit zwei verschiedenen Experimenten, an denen jeweils die TU Wien beteiligt war: Mit dem ersten komplexen Aufbau wurde in Deutschland von Benedict Seiferle und Kollegen jene Energie gemessen, die in Form eines Elektrons abgegeben wird, wenn Thoriumkerne vom angeregten in den energetisch niedrigsten Kernzustand wechseln.

Den quasi umgekehrten Weg ging das japanische Team um Takahiko Masuda, indem es Thorium-229-Atome mit hochenergetischen Röntgenstrahlen in ihren zweiten, hochangeregten Zustand versetzte. Von dort ausgehend wechselten die so behandelten Atome dann vorwiegend in den gesuchten Isomerzustand, für den sich die Forscher interessierten. So konnte dieser vermessen werden.

"Entscheidende Schritte"

Jetzt sei einerseits klar, dass es den vermuteten Zustand gibt, andererseits wisse man auch relativ genau, bei welcher Energie er auftritt. Bis zum Bau einer ersten Atomkernuhr müsse man den Isomerzustand allerdings noch präziser festmachen. "Die Resultate von Masuda und Seiferle und Kollegen sind aber entscheidende Schritte dorthin", konstatiert der Kernphysiker Jason Burke in einem begleitenden Artikel in "Nature".

Eine funktionierende Atomkernuhr verheiße jedenfalls neue Erkenntnisse bei der Suche nach der mysteriösen Dunklen Materie. Auch die Vermessung der winzigen Unregelmäßigkeiten im Schwerefeld der Erde oder die genauere Positionierung von Objekten mittels Satelliten-basierter Navigation könnten damit verbessert werden. (APA, red, 16. 9. 2019)