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Am 4. September wurde die Welt um ein Amüsement reicher.

Foto: Reuters / Jonathan Ernst

Hurrikan Dorian ist abgezogen, doch ein Ende des politischen Hurrikans, den er in Washington ausgelöst hat, ist nicht abzusehen. Inzwischen gibt es Stimmen, die den Rücktritt des US-Handelsministers verlangen, was im Zusammenhang mit einem Wirbelsturm zunächst bizarr klingt, in diesem Fall aber einen sehr konkreten Grund hat.

Wilbur Ross soll Führungskräften der ihm unterstellten Wetterbehörde NOAA mit der Entlassung gedroht haben, falls diese sich nicht demonstrativ vor den Präsidenten und dessen fehlerhafte Sturmwarnungen stellen würden. Um den Kniefall zu erzwingen, rief er bei Neil Jacobs an, Direktor der National Oceanic and Atmospheric Administration.

Treueschwur gefordert

Wie die New York Times unter Berufung auf drei anonyme Insider schreibt, drängte Ross auf eine Art Treueschwur, der in aller Öffentlichkeit abzulegen sei. Es sei der Eindruck entstanden, als hätten die Staatsmeteorologen dem Weißen Haus widersprochen, was korrigiert werden müsse. Geschehe nichts, würden Köpfe rollen.

Tatsächlich ließ die NOAA kurz darauf eine Erklärung zirkulieren, in der sie Donald Trump ohne Abstriche recht gab. Allerdings wusste niemand zu sagen, wer das Papier zu verantworten hatte, denn es fehlte ein Name, von einer Unterschrift ganz zu schweigen. Jedenfalls warf man der Außenstelle des nationalen Wetterdienstes in Alabama vor, das Sturmrisiko für Alabama in "zu absoluten Begriffen" als nichtexistent eingestuft zu haben.

Forscher leisten Widerstand

Das war am Freitag, aber es sollte noch nicht das letzte Kapitel der Saga sein. Bei der NOAA regte sich Widerstand, weil Forscher um ihren guten Ruf fürchteten. Nur wer bei der Wahrheit bleibe, könne Vertrauen wahren, warnte Craig McLean, der Stellenbeschreibung nach Chefwissenschafter, nicht von der Regierung ernannt und daher eher immun gegen den Druck aus Washington.

Indem man politische Erklärungen abgebe, statt sich an Fakten zu halten, schrieb er in einer Mail an die Belegschaft, schade man dieser Vertrauensbasis. Noch deutlicher wird Michael Brune, Direktor der Umweltorganisation Sierra Club. Dass Ross interveniert habe, sagt er, sei schamloser Machtmissbrauch. Der Mann müsse seinen Hut nehmen.

Der Rechthaber im Weißen Haus

Donald Trump, sein Handelsminister und ein Hurrikan: Es ist die Geschichte eines Rechthabers, der partout keinen Fehler zugeben kann und damit aus einem Patzer, den er leicht hätte ausbügeln können, eine tagelange Affäre macht. Begonnen hatte es am 1. September. Florida zitterte vor Dorian, der über den Bahamas tobte und auf den Sunshine State zuhielt, vor dessen Küste er, so sagten es Meteorologen voraus, auf einen Kurs Richtung Norden einschwenken würde – nur dass eben unklar blieb, wie nah er der Küste kommen würde. Neben Florida werde es weitere Bundesstaaten treffen, wahrscheinlich härter als angenommen, twitterte Trump und nannte South Carolina, North Carolina, Georgia und Alabama.

Für Alabama indes, weiter im Westen gelegen, prognostizierten die Experten weder Hurrikanböen noch eine Sturmflut. Der lokale Wetterdienst beeilte sich denn auch, alarmierte Bürger zu beruhigen, nachdem Trumps Orakel sie massiv verunsichert hatte. Alabama werde die Auswirkungen Dorians nicht zu spüren bekommen, stellte der Dienst klar.

Gefahrenzone mit Filzstift erweitert

Was Trump wiederum als eine Art Rebellion interpretierte, die damit enden musste, dass er die Aufsässigen in die Schranken wies. Prompt präsentierte er eine Wetterkarte, auf der jemand, womöglich er selber, die Gefahrenzone rund um Dorians errechnete Bahn mittels Filzstift nachträglich erweitert hatte, sodass sie auch den Südostzipfel Alabamas einschloss.

Da sich die Manipulation auf Anhieb erkennen ließ, machte bald das Wort vom "Sharpiegate" die Runde, nach Sharpie, dem amerikanischen Begriff für einen Filzstift. Was den Düpierten, statt wenigstens jetzt zum Rückzug zu blasen, nur noch mehr anstachelte. (Frank Herrmann aus Washington, 11.9.2019)