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Die Sturmwarnung ist bereits draußen, wird das Euro-Schiff neue Turbulenzen überleben?

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Es sieht nach einer Kraftprobe aus, die am Donnerstag ansteht. In Frankfurt sitzen die Ratsmitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen, um eine weitere Lockerung der Geldpolitik zu vereinbaren. Doch der Widerstand wächst: in der EZB selbst, in der mit dem neuen österreichischen Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann ein entschiedener Gegner weiterer Zinssenkungen die Manege betritt, unter Experten und wohl auch in der Bevölkerung.

Preis- und Schuldenblasen

Negative Realzinsen lassen die mühsam angehäuften Vermögen dahinschmelzen, gleichzeitig führt die Politik des billigen Geldes zu immer größeren Schuldenbergen und gefährlichen Preisblasen an Aktien- oder Immobilienmärkten. Die belasten auch den kleinen Verbraucher, beispielsweise indem der Anstieg der Grundstück- und Häuserpreise die Mieten befeuert.

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Wird Mario Draghi vor der Übergabe an Christine Lagarde noch einmal an der Zinsschraube drehen?
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EZB-Chef Mario Draghi will dennoch stärker aufs Gas steigen. Im Unterschied zu den USA haben es die Europäer in der Phase der Hochkonjunktur verabsäumt, aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen. Draghi weiß, dass Zinserhöhungen zum Kollaps maroder Banken, Unternehmen und wohl auch Staaten führen dürfte.

Warnung vor Kollaps

Doch die Alternative, die fundamentalen Probleme mit künstlichem Geld zu kaschieren, kann auch nicht ewig dauern. Längst warnen Untergangspropheten wie Dirk Müller ("Mr. Dax") vor dem tiefen Absturz, der viel stärker ausfallen werde als nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008. Auch Markus Krall ("Der Draghi-Crash") macht die Europäische Zentralbank mit ihren billionenschweren Liquiditätszuschüssen für den drohenden Kollaps verantwortlich.

Euro-Crash-Gefahren sind populär.
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Die Thesen der Apokalyptiker sind ebenso spekulativ wie einträglich, Bücher darüber finden reißenden Absatz, die Autoren werden von Talkshow zu Vortrag gereicht. Was sich nicht von der Hand weisen lässt: Es gibt immer stärkere Bestrebungen, die künstliche Geldsteuerung der Notenbanken zu unterlaufen. Mittlerweile existieren 2.357 im Internet generierte Währungen wie Bitcoin und Ethereum.

Facebook mischt mit

Auch wenn der Hype abgeklungen zu sein scheint, der Drang nach Alternativen ist ungebrochen. So arbeitet Chinas Zentralbank an einer Digitalwährung, die schon bald eingeführt werden könnte. Auch Facebook bastelt am Internetgeld. Dass ein Konzern eine Währung erschaffen kann/will, stößt Notenbankern sauer auf. "Die Herausgabe einer Währung gehört nicht in die Hände eines Privatunternehmens", sagte etwa der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

Der neue Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann hat sich gegen Zinssenkungen ausgesprochen.
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Und da wären noch die diversen Initiativen zur Abkehr vom jetzigen System, das zusehends geopolitischen und konjunkturpolitischen Zielen untergeordnet ist und überdies als Vehikel zur Staatsfinanzierung gebrandmarkt wird. Vor allem die Idee des Vollgeldes und der damit verbundenen Abkehr von der Geldschöpfung durch die Banken findet immer mehr Anhänger.

Vollgeld als Alternative

Einer der Befürworter dieser Theorie ist der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Die Geldpolitik der letzten Jahre habe zur Aufblähung des Finanzsektors und zum Aufstieg populistischer Kräfte beigetragen, meint der Ökonom. In den Kryptowährungen sieht er bereits eine ernste Herausforderung für die Notenbanken.

Wem soll der Staat ans Börserl? Der FPÖ-Politiker Robert Lugar und Wifo-Chef Badelt diskutieren am Donnerstag ab 17 Uhr live über die Steuerkonzepte der FPÖ. Kalte Progression, Erbschaftssteuern, Entlastung: Was wollen die Blauen?
DER STANDARD

Dass die Politik das jetzige System ändert, glaubt Mayer nicht, da sie davon profitiere. Nachsatz: "Vielleicht muss es erst in der nächsten Rezession zusammenbrechen." Derartige Äußerungen mögen übertrieben sein, doch für ein auf Vertrauen basierendes Geldsystem sind die Warnungen und Gegenbewegungen Gift. In der Bevölkerung kommt zur Verunsicherung der Ärger über das schmelzende Vermögen auf dem Sparbuch hinzu. Und auch die Bestrebungen zur Beschränkung des Bargeldes finden speziell im deutschsprachigen Raum wenig bis keinen Anklang.

Meuterei droht

Draghi muss sich zudem davor hüten, dass eine Meuterei auszulösen. Mit Gouverneur Holzmann hat der deutsche Vertreter im EZB-Rat, Jens Weidmann, einen weiteren Verbündeten. Auch andere Staaten wie die Niederlande verfolgen die ständig neuen Geldspritzen der Zentralbank mit Argusaugen. Zwar dürfte dieser Block über keine Mehrheit in der EZB verfügen, doch riskiert Draghi zum Abschied die Spaltung?

Übrigens: Es gibt auch ein Leben (fast) ohne Geld. Die indigene Bevölkerungsgruppe Tolai in Papua-Neuguinea etwa verwendet noch heute das Tabu-Muschelgeld. Es gibt sogar eine eigene Bank, bei der man die Landeswährung Kina in Muscheln tauschen kann. (Bettina Pfluger, Andreas Schnauder, 12.9.2019)

Die EZB und die US-Notenbank Fed sind bei den Zinsen weit auseinandergedriftet.