Konflikte wie jener mit der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram tragen zum Anwachsen der Flüchtlingszahlen bei.

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Genf – Im ersten Halbjahr 2019 hat es über zehn Millionen neue Binnenvertriebene gegeben. Das geht aus einer Bilanz hervor, die das Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) der Organisation NRC-Flüchtlingshilfe am Donnerstag präsentierte. "Diese Zahlen sind alarmierend hoch, zumal wir erst die Hälfte des Jahres hinter uns haben", erklärte IDMC-Direktorin Alexandra Bilak.

3,8 Millionen Vertreibungen wurden demnach durch Konflikte und Gewalt ausgelöst, vor allem in Afrika und im Nahen Osten. Die Mehrheit fand vor dem Hintergrund geplatzter Friedensabkommen und Waffenstillstandsverletzungen in Syrien, im Jemen, Afghanistan und Libyen statt. Libyen wurde demnach von der schlimmsten Gewaltwelle seit Beginn des Bürgerkriegs heimgesucht.

Zusammenhang mit Klimawandel

Auch die anhaltende Unsicherheit in der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien und Nigeria habe viele Menschen vertrieben, heißt es in dem Bericht. Kriminelle Gewalt im Nordwesten Nigerias und Auseinandersetzungen zwischen Hirten und Bauern in der Region des Middle Belt hätten mehr Menschen in die Flucht getrieben als der Aufstand von Boko Haram. "Regionale Konflikte und Terroranschläge haben die interkommunalen Konflikte in ganz Westafrika neu entfacht, was zu Vertreibung beispiellosen Ausmaßes führte."

Naturkatastrophen lösten laut dem IDMC einen Rekord von sieben Millionen neuen Vertreibungen aus. "Die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit davon Stürmen und Überschwemmungen zuzuordnen ist, deutet darauf hin, dass Massenvertreibungen durch extreme Wetterereignisse zur Norm werden." In Indien und Bangladesch habe der Zyklon Fani Millionen neuer Vertreibungen ausgelöst, "auch wenn sie in Form von lebensrettenden Evakuierungen stattfanden". Der Zyklon Idai wiederum hatte in Mosambik, Malawi, Simbabwe und Madagaskar verheerende Auswirkungen. "Viele Menschen sind dort noch immer vertrieben. Im Iran waren es Überschwemmungen, die ähnlich katastrophale Folgen nach sich zogen, rund 90 Prozent des Landes waren betroffen. Auch Äthiopien, die Philippinen und Bolivien wurden von Überschwemmungen schwer getroffen."

Spezialisten für Binnenvertreibung

Ausgehend von bisherigen Trends und der Tatsache, dass die meisten wetterbedingten Gefahren in der zweiten Jahreshälfte auftreten, schätzt das IDMC, dass die Anzahl der neuen Vertreibungen durch Naturkatastrophen bis Ende des Jahres auf rund 22 Millionen steigen und sich damit mehr als verdreifachen wird. Damit wäre 2019 eines der schlechtesten Jahre, was diese Art von Vertreibung betrifft.

Das Internal Displacement Monitoring Centre ist auf die Bereitstellung von Daten und Analysen zu Binnenvertreibung spezialisiert. Es wurde 1998 als Teil der NRC-Flüchtlingshilfe gegründet. Die NRC-Flüchtlingshilfe Österreich ist Teil des NRC Norwegian Refugee Council, einer internationalen Hilfsorganisation mit Sitz in Oslo, die sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs dafür einsetzt, dass Menschen auf der Flucht überleben und sich eine neue Zukunft aufbauen können. (APA, 12.9.2019)