Freunde sollen ja das größte Glück auf Erden sein, sagt man. Voltaire schätzte den Wert eines Freundes gar höher als allen Ruhm der Welt. Und Marie von Ebner-Eschenbach war davon überzeugt, dass ein wahrer Freund mehr zu unserem Glück beitrage als tausende Feinde zu unserem Unglück. Freunde der "Autorevue" kennen vielleicht Werner Jessner. Auf die Freundschaft mit ihm trifft keine der romantischen Sichtweisen auch nur annähernd zu. Aber der Reihe nach.

Ducati MIG-RR. Der Preis: 6.250 Euro.
Foto: Ducati

Der Werner liegt mir ja schon seit einer Ewigkeit damit in den Ohren, dass ich mir ein E-Mountainbike kaufen soll, damit wir ein wenig mehr Zeit miteinander verbringen können. Er ist auch einer von jenen Autojournalisten, derer es inzwischen mehrere gibt, die lieber auf dem Rad als im Auto sitzen. Also taten wir uns kurzerhand zusammen, als die Ducati MIG-RR auf einmal im Testfuhrpark stand. Unserem Radprofi, dem Steffen Arora, habe ich das edle Rad natürlich verheimlicht. Nein, nicht weil ich ihm die Fuhre zu neidig gewesen wäre, sondern allein um das zarte Pflänzchen meiner Freundschaft mit Werner zu wassern. Ich Trottel.

Das Ducati-Bike ist mehr als nur ein Fully, das ist ein echtes Edelbike mit verstellbarer Sattelstütze und Farbdisplay zur E-Motor-Steuerung.
Foto: Ducati

Feigenblatt oder Geschäftszweig

Jetzt kann man im Grunde davon ausgehen, dass die Fahrräder, die Auto- und Motorradhersteller auflegen, so etwas wie Feigenblätter sind. Sie werden meist von einem anderen Hersteller zugekauft, mit dem eigenen Logo versehen und einem Preiszettel, der dir schneller das Weiße ins Gesicht zaubert als der eigene Kontostand. Inzwischen entwickelt sich aber das Radgeschäft so gut, dass etwa KTM mit Husqvarna eigene Radln produziert. Der KTM-Fahrräder-Hersteller ist übrigens eine eigene Firma, die mit Stefan Pierer nichts zu tun hat. Ganz im Gegenteil. Bultaco indes, heute unter der Führung eines Österreichers, hat da überhaupt gleich eine Trendwende hingelegt und verbaut nun statt Verbrennungs- E-Motoren in Mischkulanzen aus Fahr- und Motorrad. Und jetzt hat sich auch Ducati mit der MIG-RR so ein Radl in die Verkaufshallen gestellt, bei dem einem gleich ein bisserl die Spucke wegbleibt.

Das MIG-RR basiert auf dem Thok MIG-R und kostet 6.250 Euro. Das MIG-R 1000 kostet bei Thok in Italien derzeit statt 5.899 nur 5.250 Euro. Das nur so nebenbei. Weil es Thema war, als der Werner das Ducati-Radl im Kofferraum seines Saab einfach auf sein E-Bike draufgeschmissen hat. Wir sind dann gemeinsam auf den Wechsel gefahren. Der Werner wollte mir schon lange einmal die Wexl-Trails zeigen, von denen auch der Steffen immer begeistert erzählt hat. Und wenn wir schon bei den Nebensächlichkeiten sind: Natürlich hat der Saab vom Werner eine Klimaanlage. Sie geht nur halt grad nicht. Entsprechend sportlich haben wir schon gerochen, als wir am Berg ankamen. Das war aber nur einer der Gründe, nicht mit dem Shuttlebus zum Start raufzufahren. Der andere Grund war: Mit den E-Bikes sollte der Aufstieg ja ein Leichtes sein, und wir sind ja zum Sporteln, nicht zum Landschaftschauen da.

Der Werner ließ es sich natürlich nicht nehmen, das Rad artgerecht zu bewegen.
Foto: Guido Gluschitsch

In der Tat haben wir die normalen Radler mühelos überholt, die Schimpf wegen der E-Unterstützung über uns ergehen lassen – und uns trotzdem ordentlich geschunden. Wir sind nämlich mit der geringsten Unterstützung raufgefahren. Da ist zwar wirklich schon viel geholfen, die Lunge ist mir aber trotzdem einmal fast in die Kette gekommen. Fürs Stromsparen gab es auch zwei Gründe. Zum einen wollten wir uns eben schinden – oder sagen wir, der Ehrlichkeit halber, der Werner mich. Und dann schaute der Plan so aus, dass wir vier-, fünfmal auf den Berg wollten. Da war klar, dass wir beim letzten Uphill-Flow mehr Hilfe brauchen, als die geringste Unterstützung hergibt – weshalb wir ein bisserl was vom Lithium-Ionen-Saft aufheben mussten.

Halbe Zeit, doppelter Spaß

Nur um ein Gefühl für dieses Rad zu bekommen, bin ich schon tags zuvor meine Hausrunde gefahren. Für die brauche ich in der Regel – und je nach Kater – zwischen einer Stunde dreißig und einer Stunde fünfzig. Mit dem Ducati, mit der mittleren Unterstützung, ging sich die Runde locker in unter einer Stunde aus. Da muss man dann schon sakrisch aufpassen, weil man bei den Aufstiegen auf einmal so flott ist, dass manche Kurven just ziemlich eng werden. Vor allem, weil man beim Fahren wirklich in eine Art Flow kommt. Das ist es schon ein Erlebnis, wenn einem auf einmal die Augen aus dem Gesicht fallen, weil man eine Serpentine nicht zu schaffen scheint. Dann ist man auf einmal wieder voll da. Flow baba.

Natürlich muss man nicht zwingend am Wexel mit dem MIG-RR unterwex sein.
Foto: Ducati

Der war übrigens auch gleich nach dem Downhill-Einstieg weg, obwohl der Werner als gschmeidigen Anfang den Flowtrail vorgeschlagen hat. In der Karte ist die Spur als leicht angegeben. Ich habe noch nicht einmal die Dämpfer fertig aufgemacht, da war der Werner schon weg und tauchte nur mehr ab und an, durch die Luft fliegend, auf. Ich hatte also schon vor dem Start die Hosen voll. Da reißt dich dann auch das beste Material nicht raus. Was nutzen mir die feinen Fox-Federn, die sicher jede Landung samtzart machen, wenn ich nicht gemeinsam mit dem Fahrrad auf dem Boden aufschlage? Was hilft es, dass das vordere Laufrad mit 29 Zoll deutlich größer ist als jenes mit 27,5 Zoll hinten, wenn ich in der ersten Steilkurve ein Paarl Schneidezähne verliere? Nein, nein, das Werkzeug kann man nur voll nutzen, wenn man auch weiß, was man tut. Andernfalls matcht man sich eben nur mit den anderen Sonntagsradlern auf der Hausstrecke oder bei der Wirtshaustour rund um den Neusiedler See. Um genügend Akkuhilfe muss man sich da übrigens keine Sorgen machen. Die Akkus halten länger als man selbst. Bis zu 100 Kilometer weit tragen einen die 504 Wh. Im Powermodus ist das natürlich weniger, aber den braucht man wirklich nur, wenn man senkrecht bergauf fahren will. Oder als Buschenschank-Radler.

In zweieinhalb Stunden sind die Akkus zu 80 Prozent geladen, mit vollen Akkus gingen sich auch 100-Kilometer-Touren aus.
Foto: Guido Gluschitsch

Denen sei mit auf den Weg gegeben, dass in zweieinhalb Stunden die Akkus eh schon wieder zu 80 Prozent gefüllt sind. Überraschend war übrigens, wie gut sich das Rad auch ohne Unterstützung fahren lässt. Obwohl, gut, eine Bergetappe will man so dann doch nicht machen. Für normale Wege geht das aber locker. Eindruck schinden tut die Ducati auch – nicht weniger als ihre Geschwister mit der tscheppernden Kupplung. Sowohl beim Heurigen als auch am Wexel. Dort wartete der Werner irgendwo in der Mitte der Strecke eiskalt lächelnd auch mich. Ich versuchte mir meine Angst nicht anmerken zu lassen und nutzte die kurze Rast, um den zwei Buben aus dem Weg zu gehen, die sich hinter mir fast kropfert gelacht haben, weil sich der alte Mann so anstellt. Kurz darauf war ich aber der Hero. Auch wenn es fremde Federn waren, mit denen ich mich schmückte. Weil das Ducati-Radl haben die meisten schon aus der Ferne erkannt, manch einem sah man das am bewundernden Blick an, manche blieben sogar zum Wordrap stehen: Wos kost's? Wos kann's?

Ein Kritikpunkt, der dabei von den Kennern kam, war, dass der Shimano-Motor, der Steps E8000, sehr laut sei. Gut, wenn man jetzt vom Motorrad kommt, ist nicht schnell was laut, und wenn man recht schnauft beim Fahren, fällt es auch nicht auf. Eichkatzln haben sich auch keine derschreckt, obwohl, der Antrieb von Werners altem Karren war deutlich leiser. Das mag aber auch wegen der stets zunehmenden Entfernung nur so gewirkt haben. Und fragen Sie mich bitte nicht, welches Radl der malträtiert hat. Ich erinnere mich nicht einmal mehr an die Farbe. Ich brauchte meine paar Sinne für anderes.

Single- statt Flowtrail

Nach der kurzen Pause ist mir nämlich zuerst einmal ein Sprung ausgekommen, von dem ich im ersten Moment glaubte, ihn nie zu überleben. Der Werner hat das bestätigt mit den Worten: "Du warst sogar ein bisserl in der Luft." Ansichtssache. Bevor mir die Springerei und die Anlegerkurven – ja, auch die fingen rasch an, Spaß zu machen – die ersten Sicherungen fallen ließen, habe ich bei der zweiten Auffahrt beschlossen, dass wir jetzt einen anderen Track runterfahren. Kein soooo guter Plan, wie sich danach herausstellte. Ja, der Singletrail ist schön und spannend zu fahren, aber versucht man das in dem Affentempo vom Werner zu erledigen, wird man erst einmal scheitern und sich dann auch noch wünschen, doch lieber beim letzten Sprung auf der anderen Piste verendet zu sein. Dort hätte mit etwas Mühe noch ein Hubschrauber landen können.

Beim Downhill-Handling muss sich das 25 Kilogramm schwere Rad vor einem normalen Mountainbike nicht fürchten.
Foto: Ducati

Ich kann es Ihnen nicht mehr genau sagen, ob wir vier- oder fünfmal rauf und runter sind. Ich war danach jedenfalls so was von erledigt, die Akkus von dem Ducati-Bock aber immer noch fast halb voll. Wenn man mit dem Werkl umgehen kann, macht das sogar noch mehr Freude, wie der Werner bewies, während ich nach Luft ringend und meine Mutter um Hilfe anflehend im Schatten eines Baumes lag. Nur die Bremsen zwangen ihn fast zu Boden, weil der Motorrad-Crack die auf seinem Radl den schweren Eisen entsprechend umgedreht hat. Nur fast wäre mir ein erfüllendes Lachen ausgekommen. Doch mir fehlte die Kraft. Für das Radl hingegen sind die Wexl-Trails ein gemütliches Sonntagsrunderl.

Hauptsache Sport

Aber auf zwei Sachen bin ich draufgekommen. So ein E-Radl ist eine richtige Hetz und überhaupt gut. Nicht nur, weil es wieder Leut aufs Radl und an die frische Luft zum Sport bringt, die ohne ein solches daheim vorm Fernseher Chips habern würden, sondern auch, weil man sich damit wirklich und gnadenlos austoben kann. Es ist keine Alternative zum Mountainbike. Dieses würde ich nicht hergeben und damit weiter auf der Hausstrecke fahren. Aber daneben hätte ich noch gut Platz für das Ducati MIG-RR.

Die Bremsen stammen von Shimano, heißen Saint M820 und bestehen aus
203-Millimeter-Scheibenbremsen vorne und vier Kolben-Bremssätteln hinten.
Foto: Ducati

Das Zweite, worauf ich gekommen bin, ist, dass ich es lieber mit Wiesław Brudziński als mit Voltaire halte, der da meinte: "Ein Freund ist ein Mensch, der dir völlig selbstlos schadet." Das bringt mich gleich zu meiner Frau. Für sie ist das E-Bike jetzt eine gute Option, um diverse Wege im Ort zu erledigen, vor denen sie sich sonst im schlechtesten Fall gleich komplett gedrückt hat. Sie erkannte auch meine Begeisterung für dieses Rad und legte mir ans Herz, mir eben eines zu kaufen. Ich erkundigte mich freundlich nach ihrem Geisteszustand und sprach zum einen den enormen Betrag an Geld an, den man auf den Tisch legen muss, und brachte auch aufs Tapet, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass ich mich mit dem Rad eher früher als später selbst umbringe. "Okay", meinte sie nur trocken, "dann zahl' ich halt die Hälfte." (Guido Gluschitsch, 13.9.2019)