Große Meinungsverschiedenheiten zwischen Kurz und Hofer waren am Mittwoch nicht erkennbar.

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Die im freiheitlichen Werbevideo scherzhaft inszenierte "Paartherapie" zwischen dem designierten FPÖ-Chef Norbert Hofer und ÖVP-Chef Sebastian Kurz wurde im direkten TV-Duell am Mittwoch zur Realität. Zum wiederholten Male wurde die Zusammenarbeit gelobt, Ärger über Einzelfälle geäußert, die "so viel Positives" überlagert hätten, und Bedingungen für eine erneute Zusammenarbeit definiert – vor allem von Kurz.

Viel deutlicher wird er sein Koalitionsangebot an die Freiheitlichen vor den Nationalratswahlen nämlich nicht mehr formulieren: Er wünsche sich einfach, dass das ständige Anstreifen am rechten Rand ein Ende habe, sodass eine "ordentliche Mitte-rechts-Politik, eine konsequente Migrationspolitik und ein Schutz der eigenen Identität" möglich ist – gemeinsam, wie er Hofer lockte.

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Ob Hofer und der "freundliche" Flügel der Partei – wie Kurz es nannte – zu dieser harten Abgrenzung fähig sind, dürfte die Sondierungsgespräche und möglichen Koalitionsverhandlungen dominieren. Schwer im Magen dürfte Hofer dabei beispielsweise der Fall des oberösterreichischen FPÖ-Kandidaten Philipp Samhaber liegen. Dieser soll laut ersten Medienberichten ein Mitglied der Identitären Bewegung sein, Samhaber selbst bestreitet das.

Der Fall ist verzwickt: Offizielle Mitgliederlisten der Identitären Bewegung sind nicht verfügbar. Der Verfassungsschutz sammelte jedoch die Namen aller Personen, die Geld an die Bewegung und ihre Vereine gespendet haben. So auch Samhaber, der von Juni 2018 bis März 2019 monatlich 20 Euro überwies – genauso wie andere freiheitliche Politiker. Samhaber behauptete, nicht erkannt zu haben, an einen Identitären-Verein gespendet zu haben.

Doch seine Erklärung wirft Fragen auf: So existiert der von Samhaber genannte Verein Heimat und Kultur gar nicht. Der oberösterreichische "Verein für lebendige Kultur und Brauchtumspflege" der Identitären wurde hingegen erst am 14. April öffentlich erwähnt. Wie will Samhaber ohne Insiderwissen auf ihn gestoßen sein? Das beantwortete der FPÖ-Kandidat am Donnerstag nicht. Dafür machte sich auf Facebook ein hochrangiges Mitglied der oberösterreichischen Identitären über den FPÖ-Kandidaten lustig. Samhaber könne nur "über die Homepage der Identitären Bewegung oder über das Ausfüllen eines Heimatschützerformulars" auf den Verein gestoßen sein, schrieb dieser.

Verbot von Identitären-Symbolen

Die ÖVP prescht ihrerseits jedoch ein weiteres Mal vor und will ein Verbot der Symbole der Identitären im Septemberplenum einbringen. Schließlich handle es sich bei den Identitären um "eine extremistische Bewegung mit einer Ideologie fernab unserer Grundrechte".

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Kurz forderte Hofer am Mittwoch jedenfalls auf, in der Causa aktiv zu werden. Doch dessen Handlungsspielraum ist (noch) begrenzt. Auch deshalb will man am FPÖ-Bundesparteitag am Samstag in Graz die Befugnisse des Parteichefs so ausweiten, dass auch einfache Parteimitglieder und nicht nur Mitglieder der Bundesparteileitung ausgeschlossen werden können, wenn das Ansehen oder der Zusammenhalt innerhalb der Partei gefährdet sei.

Das soll wohl auch die ÖVP milde stimmen. Im Fall Samhabers bleibt es rechtlich dennoch unmöglich, ihn noch vom Wahlzettel der FPÖ verschwinden zu lassen, da die entsprechende Frist bereits abgelaufen ist. Ähnlich wie Heinz-Christian Strache bei der EU-Wahl könnte der FPÖ-Kandidat per Vorzugsstimmen damit gar vorgereiht werden und ein Mandat erhalten – wenngleich dies praktisch unmöglich erscheint.

Auch ÖVP-Einzelfälle

Kurz sagte im TV-Duell am Mittwoch jedenfalls, er sei damals regelrecht begeistert gewesen, als mehrere FPÖ-Parteiverantwortliche öffentlich von einem klaren Trennstrich mit extrem Rechten sprachen (siehe Zitate unten). Er wünsche sich nun aber endlich die Umsetzung dieser Versprechen – nur um in versöhnlichem Ton anzufügen, dass er ja der Erste sei, "der Verständnis hat, dass in einer großen Partei mit hunderttausenden Mitgliedern schwere Fehler vorkommen können", sofern man die Verantwortlichen nur schnell ausschließe. Kein Wort mehr von Runterschlucken und Leiden. Sogenannte "Einzelfälle" samt sexistischer, rassistischer und antisemitischer Ausrutscher gab es tatsächlich auch in der Volkspartei einige.

Anders als von Kurz dargestellt, divergierte die Reaktion der Parteispitze dabei aber je nach Fall. So wurde der einstige Grün-Politiker Efgani Dönmez sofort aus dem Nationalratsklub ausgeschlossen, als er die Berliner Politikerin Sawsan Chebli obszön beleidigt hatte. Die EU-Abgeordnete Claudia Schmidt konnte sich nach einem rassistischen Posting aber mit einer Entschuldigung aus der Affäre ziehen. Sie hatte geschrieben, dass "Afrikaner nicht wie Europäer denken und arbeiten, aber wie Europäer leben wollen".

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Ganz ohne öffentliche Entschuldigung durften rassistische Ausritte des Nationalratsabgeordneten Johann Rädler bleiben. Dieser rief der damaligen Jetzt-Politikerin Alma Zadić in Anspielung auf deren Geburtsland zu: "Wir sind hier nicht in Bosnien!" Auf die Frage, ob er sich dafür entschuldigen wolle, antwortete Rädler später, wenn, dann müsse sich Zadić bei Österreich entschuldigen – sie hatte die Auswirkungen der BVT-Affäre auf die heimische Sicherheitslage thematisiert. Im Fall der AG Jus, deren Mitglieder sich antisemitische "Witze" schickten, kam es nur oberflächlich zu raschen Konsequenzen. Der damalige AG-Jus-Spitzenkandidat wurde aus der JVP Wien ausgeschlossen, blieb jedoch noch monatelang Gemeinderat in Niederösterreich.

Spannender Parteitag

Bis zu einer möglichen Neuauflage von Türkis-Blau gibt es also noch Stolpersteine. Der Parteitag in Graz dürfte insofern ein Gradmesser für Hofer werden, als die ÖVP eine scharfe Abgrenzung nach rechts erwarten wird. Ob seine Partei gewillt ist, diesen Weg mit ihm zu gehen, wird sich bei der Obmannwahl zeigen. 2017 stand die Partei mit 98,7 Prozent geeint hinter Strache. (Fabian Schmid, Fabian Sommavilla, 13.9.2019)