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Am Beispiel der Dachsammer (Zonotrichia leucophrys) stellten Biologen fest, dass Neonicotinoide auch Wildvögeln Probleme bereiten.

Foto: AP/Susan Gottlieb

Eines ist klar: Ohne unser liebstes Insekt würde es schlecht stehen um so manche Produkte in den Regalen der Supermärkte. Gäbe es die Honigbiene nicht, die (wenn auch weitaus nicht ausschließlich) für einen bedeutenden Teil der Befruchtung vieler Nutzpflanzen sorgen, müssten wir auf Äpfel, Orangen oder – naheliegenderweise – den Honig weitgehend verzichten. Zwei Drittel dieser Produkte würden ohne die Biene tatsächlich verschwinden. Daher bereiten Insektizide insbesondere auf Basis von sogenannten Neonicotinoiden ernsthafte Sorgen. Zahlreiche Studien konnten die schädlichen Auswirkungen dieser speziellen Umweltgifte mittlerweile nicht nur auf Honigbienen, sondern auch auf Wildbienen und Hummeln nachweisen.

Weit verbreitetes Gift

Und dennoch sind Neonicotinoide nach wie vor in mehr als 120 Ländern der Erde zugelassen: Mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro hatten Neonicotinoide in den letzten Jahren einen Anteil von gut 25 Prozent am globalen Insektizidmarkt. Mit anderen Worten: Dieses problematische Gift zählt immer noch zur am weitesten verbreiteten Insektiziden-Klasse der Erde.

Aktuelle Untersuchungen von Wissenschaftern der University of Saskatchewan zeigen nun allerdings, dass Neonicotinoide nicht nur für Insekten ein Problem darstellen: Auch für den Rückgang von Singvögeln dürften die Gifte verantwortlich sein.

Die im Fachjournal "Science" präsentierte Studie stellte fest, dass Exemplare der Dachsammer (Zonotrichia leucophrys) durch die Aufnahme selbst kleiner Mengen des Insektizids Imidacloprid, das Neonicotinoide enthält, Gewichtsverluste erlitten. Außerdem wiesen die Forscher nach, dass diese von den Insektiziden beeinträchtigten Vögel später als gewöhnlich ihre Reise in den Süden antraten.

Es geht nicht nur um die Bienen

"Wir stellten diese besonderen Effekte selbst dann fest, wenn wir in unseren Experimenten Dosen einsetzten, bei denen ein Vogel unter realistischen Umständen nur geringe Mengen von Neonicotinoiden zu sich nimmt", sagt Margaret Eng, Hauptautorin der Studien.

Obgleich wie in früheren Untersuchungen nur Insekten unter den toxischen Auswirkungen der Neonicotinoide zu leiden schienen, liefern diese Untersuchungen Belege dafür, dass auch zahlreiche Vögel unter dem Einfluss dieser Umweltgifte massiv zu leiden haben. "Es geht ganz offensichtlich nicht nur um die Bienen", betont Bridget Stutchbury von der York University in Toronto, Kanada.

Insektenschwund spielt eine bedeutende Rolle

Wie groß der Schaden durch direkte Gesundheitseffekte der Neonicotinoide auf Vogelbestände sei, lässt sich allerdings nur schwer abschätzen, meinen die Forscher. Der Insektenschwund und damit der Verlust an Nahrung spiele jedenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Angesichts der Herausforderungen, denen sich insbesondere Zugvögel gegenübersehen, können jedoch auch die in der Studie gezeigten Effekte der Neonicotinoide einen entscheidenden Einfluss haben. "Früher war es das Insektizid DDT, das Gesundheitsschäden weit über die Insekten hinaus verursacht hat. Heute sind es Neonicotinoide, und nach deren Verbot wird es wahrscheinlich neue Pestizide geben, die auch wieder unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen", meint Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach. (Thomas Bergmayr, 13.9.2019)