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Begrüßung zu einer weitgehend gesitteten Debatte.

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Demonstranten störten etwa zur Mitte der Veranstaltung die Debatte der Kandidatinnen und Kandidaten.

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Es war der vielleicht unhöflichste Moment des Abends – und doch wird er wahrscheinlich am ehesten als eine Art Highlight der dritten Debatte der Bewerberinnen und Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten in Erinnerung bleiben. "Vergessen Sie jetzt schon, was Sie vor zwei Minuten gesagt haben?", fuhr Julián Castro, einst Minister unter Barack Obama, den Umfragenspitzenreiter Joe Biden auf der Bühne in Houston an, während die beiden über Details aus Bidens Gesundheitsprogramm diskutierten. Für Biden (76), einst Obamas Vizepräsident und schon bisher wegen Versprechern und Vergesslichkeit unter Druck, war es ein rhetorischer Stoß zur Unzeit.

Er hatte bis dahin einen der besten Abende unter den zehn Demokratinnen und Demokraten gehabt, die in Houston, Texas, auf der Bühne standen, um sich im Vorwahlkampf zu profilieren – in sozialen Medien wurde dennoch von da an wieder über die Frage diskutiert, ob der Kandidat nicht zu alt sei, um Donald Trump im Wahlkampf 2020 Paroli zu bieten. Das hatte auch damit zu tun, dass Biden in der Debatte da und dort ins Straucheln geriet. Bei einer Frage zu den Nachwirkungen der Sklaverei in den USA verhaspelte er sich mehrfach, kam vom Hundertsten ins Tausendste und hielt schließlich fest, Eltern sollten dafür sorgen, dass am Abend nicht der Fernseher, sondern der Plattenspieler läuft.

Auch wenn es sicher bessere Referenzen gibt, um herauszustreichen, dass man mit der aktuellen Kultur auf Du und Du ist: Beobachter attestierten dem ehemaligen Vizepräsidenten dennoch einen relativ guten Abend. Biden sei bei seinen wichtigsten Themen sicher aufgetreten, vor allem in der ersten der drei Debattenstunden habe er sattelfest gewirkt – das ist jene, in der gewöhnlich die meisten Zuseherinnen und Zuseher dabei sind. Biden half auch, dass seine Gegnerinnen und Gegner – außer Castro – diesmal auf direkte Angriffe verzichteten.

Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts, und Bernie Sanders, linker Senator aus Vermont, setzten vor allem darauf, ihr eigenes Programm in den Vordergrund zu rücken. Einen zivilisierten Schlagabtausch lieferten sich Biden und Warren etwa zur Gesundheitspolitik: Biden konnte die hohen Kosten von Warrens Plänen in den Vordergrund stellen, Warren konterte, diese seien mit Steuererhöhungen für die Reichsten finanzierbar.

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Bei diesem sowie den meisten anderen Themen konnte sich Warren weitgehend positiv aus der Affäre ziehen und ihre Rolle als Biden-Herausforderin unterstreichen. Sanders kam hingegen argumentativ mehrfach von seiner Linie ab – auch ihm merkt man das fortgerückte Alter von 78 Jahren immer wieder an.

Wenige Fehler, wenige Highlights

Insgesamt, so das erste Urteil nach der Diskussion, sei es ein Abend mit nur wenigen Highlights gewesen. Dass niemand herausstechen konnte, lag auch an einem Luxusproblem der Demokraten: Es gibt womöglich zu viele durchaus passable Bewerber. Dass diesmal fast alle der zehn auf der Bühne verbliebenen Kandidatinnen und Kandidaten im Wesentlichen kompetent auftraten, hat aber auch mit dem neuen Auswahlverfahren der Partei für die Diskussion zu tun – anders als bei den zwei vorangegangenen Diskussionsrunden waren jene, die in Umfragen abgeschlagen liegen, diesmal von der Debatte ausgeschlossen.

Einen für Politiker ungewöhnlichen Moment lieferte Biden, als die Außenpolitik zur Diskussion stand – er gestand einen Fehler ein. Ein solcher sei es gewesen, dass er vor dem Irak-Krieg im Senat einer Resolution zugestimmt habe, die den damaligen US-Präsidenten George Bush Jr. zum Angriff ermächtigt habe. Damit schloss er die Tür für Angriffe von Warren und Sanders, die ihm seine Stimme für den Krieg bisher immer lautstark vorgeworfen hatten. Zudem plädierte er für einen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan: "Wir brauchen diese Soldaten dort nicht. Ich würde sie nach Hause holen." Dass er, so wie Warren, das auch ohne Friedensvertrag tun würde, wollte Biden allerdings nicht versprechen.

Einen Schreckmoment gab es, als etwa zur Mitte der Veranstaltung Demonstranten die Bühne stürmten. Sie hatten auf die Lage an der Grenze zu Mexiko und die ihrer Ansicht nach unmenschliche Einwanderungspolitik Trumps hinweisen wollen.

"Wissen, dass Trump ein Rassist ist"

Der amtierende US-Präsident spielte insgesamt eine größere Rolle als in bisherigen Duellen. Mehrere Demokraten warfen Trump in Houston offen Rassismus vor. "Wir wissen, dass Donald Trump ein Rassist ist", sagte etwa der Senator von New Jersey, Cory Booker. "Wir haben einen Rechtsextremen im Weißen Haus", sagte der frühere texanische Kongressabgeordnete Beto O'Rourke, der erstmals sicherer gewirkt und sich profilieren konnte. O'Rourke stammt aus der texanischen Grenzstadt El Paso, wo ein von rechtsradikaler und rassistischer Ideologie, aber auch von den Wahlsprüchen Trumps inspirierter Terrorist Anfang August 22 Menschen erschoss. "Zur Hölle, natürlich werden wir euch eure AR-15 wegnehmen!" kündigte O'Rourke den Besitzern von Sturmgewehren an. "Wir werden nicht zulassen, das solche Waffen noch einmal gegen Amerikaner eingesetzt werden!"

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Trump hatte zum Schusswaffenangriff und zur wiederkehrenden Debatte über verschärfte Waffengesetze immer wieder gesagt, dass nicht die Waffe den Abzug betätigt habe. Senatorin Kamala Harris sagte dazu am Donnerstag, Trump habe zwar selbst nicht abgedrückt, "aber mit Sicherheit die Munition getwittert". Das war allerdings einer von nur wenigen starken Momenten der Senatorin. Bei der Debatte Ende Juni hatte sie mit einem emotionalen Angriff auf Biden gepunktet, der zu einem kurzfristigen Höhenflug in den Umfragen geführt hatte. Zuletzt fiel sie aber zunehmend hinter Warren und Sanders zurück.

Biden, Warren und Sanders in Führung

An der Ausgangslage, wie sie vor der Debatte geherrscht hatte, dürfte sich wohl wenig geändert haben. Während Biden zuletzt in Umfragen etwas an Zustimmung eingebüßt hatte, wurde Warren zusehends stärker und rückte immer näher an ihn heran. Biden, Sanders und sie sind die führende Dreiergruppe in den Umfragen – mit einigem Abstand zu den anderen Bewerbern. Für jene Bewerber, die dahinter liegen, ging es an diesem Abend vor allem darum, keine groben Fehler zu machen.

Andrew Yang versuchte mit einer außergewöhnlichen Aktion zu punkten: Bereits vor der Debatte hatte der Geschäftsmann kryptisch angekündigt, etwas tun zu wollen, "was noch nie ein Präsidentschaftskandidat getan hat".

Er will, wie er dann in der Debatte ausführte, im Rahmen seines Vorstoßes für ein Grundeinkommen zehn Familien für ein Jahr monatlich 1.000 Dollar geben, damit sie ihre Probleme "besser als Politiker lösen". (Manuel Escher, Noura Maan, 13.9.2019)