Laut Vermerk auf der Rückseite des Bildes handelt es sich bei dem Porträtierten um Franz Rabensteiner.

Foto: Dorotheum

Porträtmalerei des 19. Jahrhunderts fristet, im Vergleich zu den Motivgattungen Genre oder Landschaft, in der Gunst der Käufer ein vergleichsweise stiefmütterliches Dasein auf dem Kunstmarkt. Die Jahre, als man zur Komplettierung eines Biedermeier-Interieurs auch in den passenden Wandschmuck zur Möblierung investierte, sind vorüber. Spezialisierte Sammler sind mittlerweile eine Rarität für sich geworden. Die Menge der laufend in Auktionen angebotenen Porträts übersteigt die Nachfrage deshalb um ein Vielfaches.

Der historische Produktionsumfang mag aus heutiger Sicht etwas verwundern, erklärt sich jedoch über das Repräsentationsbedürfnis des aufstrebenden Bürgertums. Wer auf sich hielt, ließ sich von einem Künstler verewigen. Das jeweilige Budget entschied, wer damit beauftragt wurde. Nicht jeder konnte sich namhafte Meister vom Range eines Ferdinand Georg Waldmüller oder Friedrich von Amerling leisten, und so wich man oft auf günstigere Zeitgenossen aus.

Eduard Rabensteiner (1839-1905) setzte die Familientradition als Tanzmeister und Betreiber der Gesellschaftstanzschule fort.
Foto: Anno / Illustrierte Zeitung, repro

Der gegenwärtige Markt trennt die Spreu hier recht deutlich vom Weizen. Klassische Markennamen garantieren Wertstabilität. Ohne diesen Bonus bleiben gewisse Charakteristika oder ein spezifischer Kontext entscheidend. Sofern die "malerische Delikatesse so hoch" sei, um etwa auch "über die mangelnde Attraktivität des Motivs" hinwegsehen zu können, erklärt Alexander Giese, Kunsthändler zu Wien. Eine ganze Wand mit unterschiedlich originellen, teils flippigen Porträts, das habe durchaus seinen Reiz.

Fremde an der Wand

Wer möchte seine Wände schon mit Konterfeis fremder Personen schmücken, könnte man nun fragen. Es sind Repräsentanten einer Epoche, wäre ein treffendes Argument. Ihr Schicksal als Ladenhüter ist nicht immer ein verdientes. Denn manchmal wird ihr kulturhistorischer Wert schlicht übersehen.

Franz Rabensteiners gleichnamiger Sohn (1810-1859) war ein legendärer Tanzmeister an der Seite von Johann Strauß und Joseph Lanner war.
Foto: ANNO

Beispielhaft dafür steht ein kleinformatiges Gemälde, das kommende Woche (18. 9.) im Dorotheum seine bereits dritte Runde auf dem Auktionsparkett dreht. Im Oktober 2016 war es ebendort mit einem Schätzwert von 14.000 bis 18.000 Euro gescheitert. Einem Ausflug zu Bassenge nach Berlin im November 2018 war ebenfalls kein Erfolg beschieden (Rufpreis 9000 Euro). Nun harrt es mit einer Taxe von 9000 bis 12.000 Euro potenzieller Interessenten.

Laut den Katalogangaben wurde es 1829 von einem gewissen Leopold Fertbauer (1802-1875) gemalt. An der Akademie der bildenden Künste hatte dieser von 1816 bis 1827/28 zuerst Landschafts- dann Historienmalerei studiert und sich später auf Porträts spezialisiert. Einige seiner Werke haben sich in Museumsbestand erhalten, sein OEuvre blieb in Umfang allerdings überschaubar. Nachdem ihm 1836 die Leitung der Sammlung des Fürsten Liechtenstein übertragen wurde, verlor er 1844 sein Augenlicht.

Fertbauer gehörte nicht zu den Künstlern allerersten Ranges, jedoch wusste er "die Bevölkerung Wiens besser und glaubhafter zu schildern als ein Amerling", erklärt Sabine Grabner, Belvedere-Kuratorin für das 19. Jahrhundert.

Im vorliegenden Fall einen Herrn im eleganten Tagesanzug in einem charakteristischen Biedermeier-Interieur, angereichert mit zeittypischen Gegenständen: einem Schreibzeug, vermutlich französischer Provenienz, einer frühen Form einer Bilderuhr, bei der für das Ziffernblatt ein Loch in die Leinwand geschnitten wurde.

Das Glas mit den Goldfischen repräsentiert die Welt im Kleinen, die Bücherwand zeugt von der Belesenheit des Dargestellten. Den vierbeinigen Gefährten nicht zu vergessen, ein auffällig dicker kleiner Hund, der mit wachem Blick an der Seite seines Herrn hockt.

Wiener Tanzlehrerdynastie

Die Information über die Identität des Porträtierten findet sich, handschriftlich vermerkt, auf der Rückseite des Gemäldes. Demnach handelt es sich um einen "Wiener Tanzmeister" namens Franz Rabensteiner.

Einen solchen gab es, und er gelangte zu einiger Berühmtheit. Allerdings müsste es sich hier, anders als in den Katalogangaben angeführt, um den gleichnamigen Vater handeln, wie Recherchen des Genealogen Felix Gundacker belegen: Denn "Junior" wurde 1810 (in Prag) geboren, gemäß der Datierung des Bildes 1829 wäre er also als 19-Jähriger porträtiert worden. Der Dargestellte ist jedoch deutlich älter.

Laut dem Eintrag im entsprechenden Pfarrbuch kam Franz als uneheliches Kind einer "Anna geb. Rottmann" auf die Welt. In nachfolgenden Matriken zu seiner späteren Eheschließung und den Geburten seiner Kinder wird er als "Franz Rottmann genannt Rabensteiner" bezeichnet.

Die mit üppigem Wamperl ausgestattete, treue Gefährtin Franz Rabensteiner Seniors wurde auch auf dem Porträt verewigt.
Foto: Dorotheum

Fazit: Bei Rabensteiner dürfte es sich um einen Künstlernamen handeln und bei dem Porträtierten um den Stammvater einer Tanzlehrerdynastie, die völlig in Vergessenheit geriet. Die Angaben im österreichischen Musiklexikon sind spärlich, historische Zeitungsberichte ergiebiger.

"Undisciplinierter Haufen"

In der Kurzfassung: Franz Rabensteiner der Jüngere war ursprünglich am Theater in der Leopoldstadt als Grotesktänzer (1826-30) und später am "k.k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore" (1833-43) engagiert. Ab Mitte der 1830er-Jahre beginnt er – an der Seite von Johann Strauß (Vater) und Joseph Lanner – eine Karriere als Choreograf bei öffentlichen Tanzfesten. Veranstaltet wurden diese anfänglich in ehemaligen Einkehrwirtshäusern, da mit dem Schankrecht auch die Bewilligung von Tanzmusik verknüpft war: etwa im Sperl in der Leopoldstadt oder der Goldenen Birne auf der Landstraße.

Bei dieser Bilderuhr handelt es sich um eine einfache Gattung, bei der für das Ziffernblatt ein Loch in die Leinwand geschnitten wurde.
Foto: Dorotheum

Auch in Dommayers Casino in Hietzing besorgte Rabensteiner die Tanzarrangements zu den Kompositionen von Johann Strauß, sowohl in der klassischen Ballsaison während des Faschings als auch bei Sommerfestivitäten: Cotillon, Quadrille und natürlich Walzer, an deren Erfolgszug in den Tanzsälen Rabensteiner wesentlichen Anteil trug.

Er war damals der bekannteste "Kommandant der Tänzerlegion", die sich in den Redoutensälen, im Sofienbad oder im Odeon vergnügten. "Mit einem einzigen Machtworte" wusste er "den gordischen Knäul der größten Tanzverwirrung" zu lösen, vermerkten Chronisten, "das subordinationsscheue, walzererglühte Heer der Tänzer mit einem Rufe in Reih und Glied" zu stellen und "mit dem oft ganz undisciplinirten Haufen die brillantesten Cotillonsevolutionen" auszuführen.

Befreundet mit Strauß

Die Verbindung von Franz Rabensteiner und Johann Strauß ging über das Berufliche hinaus ins Familiäre: "Strauß war Taufpate zweier Kinder von Rabensteiner, Strauß' Ehefrau Patin einer der Töchter", berichtet Christian Fastl, Musikwissenschafter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Am 19. Februar 1835 publizierte die "Österreichisch-Kaiserliche privilegirte Wiener Zeitung" eine Annonce zu einem "Flora-Ballfest" in den "neu verherrlichten Sälen von Dommayer’s Casino": unter der musikalischen Leitung von Johann Strauß Vater, das "Arrangement der Tänze besorgte" Franz Rabensteiner.
Foto: Anno / WZ, repro

Die Zusammenarbeit der Familien währte auch über den Tod des Komponisten (1849) und des "Tanzmeisters von Alt-Wien" hinaus. 1855 hatte Franz Rabensteiner mitten in der Ballsaison einen Schlaganfall erlitten, und es sprang sein ebenfalls als Tänzer ausgebildeter Sohn Eduard als Arrangeur ein. Nach dem Tod des Vaters im Oktober 1859 übernahm Eduard gemeinsam mit seiner Ehefrau auch offiziell die familieneigene "Gesellschaftstanzschule".

Über Jahrzehnte tauchen die Namen Rabensteiner und Strauß (Johann Sohn, Eduard) in weiterer Folge immer wieder im Ballprogramm auf. "Es gab nur einen Johann Strauß, und Rabensteiner war sein Prophet", hieß es im Nachruf, als Eduard Rabensteiner der Erste 1905 verstarb und sein gleichnamiger Sohn die Tanzschule übernahm.

Das Wirken dieser Familie, ihre Bedeutung für den Erfolg legendärer Komponisten und die Tradition der heimischen Ballkultur gerieten gänzlich in Vergessenheit. Bis man im Wust eines Auktionsangebots über ein Porträtbild stolpert, das einen Teil ihrer Geschichte zu erzählen weiß. (Olga Kronsteiner, 14.9.2019)