Eefje "Sjokz" Depoortere aus Brüssel ist E-Sport-Moderatorin.

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Hunderttausende schalten Woche für Woche auf Twitch, Youtube und Co ein, wenn Eefje "Sjokz" Depoortere moderiert. Die 32-jährige Belgiern ist Moderatorin der höchsten europäischen "League of Legends"-Spielklasse. Die studierte Journalistin und Historikerin hat auch Erfahrung als aktive E-Sportlerin: Sie spiele professionell "Unreal Tournament", bis sie anfing, als freiberufliche Journalistin zu arbeiten.

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STANDARD: Was waren Ihre ersten Erfahrungen mit Gaming und "League of Legends"?

Eefje "Sjokz" Depoortere: Ich habe mit dem Spielen angefangen, als wir unseren ersten PC gekauft haben und ich zwölf war. Damals haben wir auch mehrere Games erstanden, darunter unter anderem "Tomb Raider". Das war in meiner Kindheit mein absolutes Lieblingsspiel. "League of Legends" habe ich zum ersten Mal im März 2012 gespielt.

STANDARD: Sie sind nun die Moderatorin der LEC (höchste europäische Spielklasse, Anm.). Wie bereiten Sie sich eigentlich auf eine Show vor?

Depoortere: Viele Leute glauben, dass wir einfach nur ins Studio fahren und dort kommentieren, casten und moderieren. Das stimmt natürlich nicht. Die Shows finden am Freitag und am Samstag statt, und das ganze Team setzt sich am Dienstag zusammen, wo wir gemeinsam brainstormen und sich Leute um Statistiken, Grafiken und Wiederholungen kümmern – das ist alles Gemeinschaftsarbeit. Die anderen Tage schauen wir uns Aufzeichnungen vergangener Spiele und Shows an sowie Games aus anderen Ligen. Wir analysieren auch unsere eigene Performance, um zu sehen, ob wir etwas hätten besser machen können. Insgesamt sind es also drei Tage Vorbereitung für die beiden Shows.

STANDARD: Haben Sie eigentlich noch Zeit, "League of Legends" selber zu spielen?

Depoortere: Zeit ist auf jeden Fall da. Nachdem ich aber in den vergangenen sieben Jahren extrem viele "League of Legends"-Spiele gesehen habe, sehe ich, ehrlich gesagt, keinen großen Bedarf mehr daran. Meinen Kolleginnen und Kollegen geht es da ähnlich. Als Moderatorin sind ohnehin andere Faktoren wichtig. Natürlich muss ich mich mit dem Spiel sehr gut auskennen, Wissen zu den Updates und der Meta aufweisen, aber mir geht es primär darum, das Beste aus meinen Gästen herauszuholen. Unsere Analysten spielen hingegen sehr viel. Ich widme mich zwecks Ausgleich aber lieber anderen Spielen.

STANDARD: Hunderttausende Zuschauer verfolgen Sie jede Woche. Leiden Sie immer noch an Lampenfieber?

Depoortere: Definitiv, aber nun weniger als früher. Wenn wir eine Show in unserem Studio in Berlin machen, ist das nicht ganz so stressig. Das hat alles Struktur, und wir haben in der Vergangenheit schon Erfahrungen mit allerlei Zufällen wie kaputten Rechnern gemacht. Wenn wir allerdings etwas Neues ausprobieren, in einer großen Arena oder bei der Weltmeisterschaft sind, werde ich immer noch ziemlich nervös. Meinen Job mache ich dadurch aber nicht schlechter. Ich würde vielmehr sagen, dass das Adrenalin mich besser moderieren lässt.

STANDARD: Sie haben Journalismus studiert. Würden Sie sagen, dass es bei der Moderation Unterschiede gibt, ob ich im E-Sport oder einer traditionellen Sportart tätig bin?

Depoortere: Das ist schwierig zu sagen, weil ich nie als Moderatorin einer traditionellen Sportart gearbeitet habe. Ich kann mir aber vorstellen, dass es sehr unterschiedlich ist. Im Kern begleiten beide objektiv einen Wettbewerb – allerdings erhalten wir durch die tiefgehende Integration des Internets und von Social Media sofortiges Feedback unseres Publikums.

STANDARD: Nun zu "League of Legends": Inwiefern hat sich das Game über die Jahre verändert?

Depoortere: Alles hat sich im Grunde seit 2012 verändert. Das Spiel sieht nun komplett anders aus, und "League of Legends" hat sich auch ordentlich weiterentwickelt. Auch die Spielerzahlen sind explodiert. Riot Games hat einen guten Job gemacht, das Spiel erfolgreich weiterzuentwickeln. Es gibt ständig neue Champions und Möglichkeiten, ein Game zu gewinnen. Obwohl es sich über die Jahre so verändert hat, ist es im Kern aber gleich geblieben, und es macht immer noch immens Spaß, gemeinsam mit Freunden zu spielen. Auch die E-Sport-Szene hat sich extrem stark verändert. Bei der ersten Weltmeisterschaft waren 300 Leute im Publikum und ein paar tausend Zuseher online. Heute schauen Millionen zu. Echt verrückt, was sich da getan hat.

STANDARD: Asiatische Teams haben lange Zeit "League of Legends" dominiert. Wieso kommen nun so viele Talente aus Europa?

Depoortere: Wir sind wohl einfach gut (lacht). Wir haben in Europa ein gutes System mit Amateur- und Akademie-Ligen, die Talente fördern. Durch die regionalen Ligen wurde dieser Effekt nur verstärkt. In den skandinavischen Ländern gibt es rund um die Karriere eines E-Sportlers auch mehr Akzeptanz und Aufgeschlossenheit als beispielsweise in den USA. Dies gilt aber freilich nicht für die gesamte EU. Ich bin aus Belgien, und hier ist das definitiv nicht so. In Deutschland und Österreich wohl genauso. Aber ja, ich denke, dass das auch eine Rolle spielt.

STANDARD: Wer wird denn nun die Weltmeisterschaft gewinnen?

Depoortere: Mein Herz und Kopf sagen G2, aber wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Favoriten dann doch nicht gewinnen. Das ist ja wie beim Fußball. Da kann einfach so viel passieren. Man braucht etwa Glück bei der Auslosung. Leute können krank werden oder sich verletzen, wie beispielsweise Michael "Mikyx" Mehle (Support von G2, Anm.), der sich sein Handgelenk verletzt hat. Man weiß auch nicht, welche Leistung die Teams letztlich erbringen werden. Wenn ich mich nun aber entscheiden müsste, würde ich sagen G2, SKT oder FPX.

STANDARD: E-Sport ist eine Männerdomäne. Wieso gibt es so wenige professionelle E-Sportlerinnen?

Depoortere: Man macht es sich zu einfach, wenn man fragt, wieso so viele Männer im E-Sport sind. Bei uns arbeiten beispielsweise 50 Prozent Frauen. Außerdem haben neueste Zahlen gezeigt, dass extrem viele Frauen spielen – halt nicht unbedingt die Games, die auch Männer spielen. Aber ja, Sie haben auf jeden Fall recht damit, dass es nicht genug beziehungsweise nicht gleich viele Frauen im E-Sport gibt. Es hat sich aber verbessert. Beispielsweise findet man immer mehr Moderatorinnen oder Analystinnen. Wieso es so wenige weibliche Teams gibt, kann ich nicht sagen. Wir wissen, dass es Frauen gibt, die auf höchstem Niveau spielen. Die Fähigkeit spielt hierbei also keine Rolle, vielmehr hat man mit Vorurteilen und mangelnder Akzeptanz zu kämpfen. Es gibt außerdem soziale Aspekte zu beachten, wenn man eine junge Spielerin beispielsweise in ein Team von 17- bis 23-jährigen Männern integriert. Ich hoffe, dass wir uns aber weiterentwickeln können und Lösungen finden.

STANDARD: Haben Sie aufgrund Ihres Geschlechts negative Erfahrungen auf der großen Bühne gemacht?

Depoortere: Absolut, auch heute noch. Ich habe zwar sicherlich einfacher im E-Sport Fuß fassen können, weil manche Organisationen eine Frau als Repräsentantin für ihre Marke oder Show wollten. Trotzdem musste ich sicherlich eine Million Mal mehr die Frage beantworten, was ich denn hier nun eigentlich tue. Ich werde gefragt, ob ich den Job nur habe, weil ich eine Frau bin oder weil ich einem gewissen Aussehen entspreche – was absoluter Blödsinn ist. Trotzdem kommt das heute leider immer noch vor. Ich denke auch, dass das nie weggehen wird. Ich hoffe aber, dass es irgendwann besser wird.

STANDARD: Bekommen Sie auch Hassnachrichten?

Depoortere: Absolut. Aber auch andere Reaktionen, die wohl die meisten Frauen erfahren haben, wie etwa Nachrichten von Stalkern oder Vergewaltigungsandrohungen. Das entspringt einem tiefen Hass gegenüber Frauen in Machtpositionen.

STANDARD: Kommen wir zu einem anderen Thema: In Österreich und Deutschland gibt es die Debatte, ob E-Sport Sport ist. Was ist Ihre Meinung dazu?

Depoortere: Mir persönlich könnte das nicht mehr egal sein, ob E-Sport nun bei Olympia oder als Sportart anerkannt wird. E-Sport ist E-Sport und heute schon lukrativer und mit mehr Zusehern als viele traditionelle Sportarten. Mir ist diese Diskussion echt egal, weil ich weiß, wie großartig E-Sport ist. Wenn wir uns allerdings die politische Seite ansehen und was eine Anerkennung hinsichtlich eines Visums, Besteuerung, Schutz der Athleten und Sponsorings bringen würde, wäre das schon ein wichtiger Schritt. Wenn Darts, Schach und andere Tätigkeiten als Sportart anerkannt sind, dann sollte das beim E-Sport auch so sein. Man muss sich doch nur anschauen, ob es einen Wettbewerb gibt, bei dem Menschen alles geben und professionelle Organisationen und Ligen im Hintergrund sind – dann ist es Sport.

STANDARD: Zuletzt noch: In welche Richtung wird sich der E-Sport entwickeln?

Depoortere: E-Sport wird ordentlich wachsen. Das ist einfach eine natürliche Evolution, die mit unserer Gesellschaft einhergeht. Jeder hat heute ein Smartphone oder ein Spielgerät wie eine Konsole oder einen PC. Gaming ist zudem eines der populärsten Hobbys. Kompetitives Spielen wird weiter kräftig wachsen, und mit AR und VR stehen neue Möglichkeiten vor der Tür. E-Sport ist gekommen, um zu bleiben. (Daniel Koller, 15.9.2019)

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