Regine Prinz ist Psychagogin. Sie betreut Schüler mit emotionalen und sozialen Problemen.

Foto: Matthias Cremer

Ein Raum im dritten Stock einer Mittelschule im 20. Wiener Gemeindebezirk ist besonders: Dort liegen keine Schulhefte, und es gibt keine Tafel. Dafür massive Sitzmöbel, in denen man fast versinkt. Es ist ein hoher Raum mit großen Fenstern, Holzboden, Teppichen und mit Bildern an der Wand. In der Ecke steht ein Tischfußballtisch. Ist die Türe geschlossen, ist von dem Schullärm kaum noch etwas zu hören. Das ist wichtig, denn es ist ein Zufluchtsort für Schülerinnen und Schüler, die Probleme haben. "Bei mir wird nicht geschwitzt oder beurteilt", sagt Regine Prinz, eine Frau mit blonden Haaren und einem direkten, freundlichen Blick. "Die Schüler sollen sich angenommen fühlen und Vertrauen fassen."

Prinz ist Psychagogin, einfach gesagt eine Mischung aus Psychologin und Pädagogin. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten an Pflichtschulen und werden oft auch "Beratungslehrer" genannt. Über ihre Anstellung entscheiden die Bundesländer. In Wien gibt es laut Bildungsdirektion circa 190 Psychagogen und Beratungslehrer.

Sie haben tagtäglich mit Schülern zu tun, die den Lehrern aus verschiedenen Gründen auffallen, etwa weil sie andere beleidigen, beschimpfen oder gar schlagen. Aber auch, weil sie häufig krank sind, sich nicht konzentrieren können oder sich zurückziehen. Insgesamt wurden im vergangenen Schuljahr in Wien 12460 Kinder und Jugendliche betreut, mehr Burschen als Mädchen.

"Wie geht es dir jetzt?"

Hinter ihrem auffälligen Verhalten stecken meist Schwierigkeiten, die die Jugendlichen mit sich selbst oder zu Hause haben, weiß Prinz. Wie bei einem Burschen, der Mitschüler schubste, mit Stiften warf und während des Unterrichts aus der Klasse stürmte. Auf Zurechtweisungen der Lehrerin reagierte er nicht. Die Psychagogin holte ihn zu sich und stellte fest, dass der Grund für seine Ausbrüche die Sorge um seinen chronisch kranken Vater war. "Die Situation erschien ihm ausweglos." Die Wut war sein Ventil.

Prinz diszipliniert nicht, sondern hört zu und zeigt Verständnis. Sie fragt nicht: "Wieso hast du das gemacht?", sondern: "Wie geht es dir jetzt? Was ist deine Sicht der Dinge?" Das bricht das Eis.

Ihre Methoden hat die ehemalige Lehrerin in einem dreijährigen Lehrgang an der Universität mit auf den Weg bekommen. Mittlerweile ist sie seit sieben Jahren Psychagogin.

Ursache in der Vergangenheit

Prinz ist auch in einer Volksschule im Einsatz, wo die Probleme ganz andere sind und die Kinder sich beispielsweise nur schwer von ihren Eltern lösen können. Kleinere Kinder, die sich noch nicht so gut ausdrücken können, lässt Prinz ein Bild zeichnen oder versucht, über Brettspiele Zugang zu ihnen zu bekommen. Mit den Älteren spielt sie zwischendurch auch eine Runde Tischfußball. "Aber meist genießen sie es sehr, wenn sie reden können. Ihnen wird vieles bewusst, sie lernen sich besser kennen und können ihre Affekte besser steuern."

Ab und zu werde sie von Kollegen gebeten, "mal schnell mit jemandem zu sprechen". Aber so simpel ist ihre Arbeit nicht. "Man kann nicht in kürzester Zeit etwas reparieren", sagt Prinz. Üblicherweise kommen Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum einmal pro Woche zu ihr. Zuvor klärt sie mit den Eltern ab, ob diese einverstanden sind. Auch später will sie sie miteinbeziehen, denn oft liegt die Ursache für Probleme weit in der Vergangenheit.

Wieder unbelastet lernen

Manchmal stoße sie auch an ihre Grenzen, "und ich kann nicht mehr weiterhelfen", sagt die 53-Jährige. Dann ist etwa eine Psychotherapie notwendig. Prinz arbeitet zudem mit der Jugendhilfe und Sozialarbeitern zusammen. Der Idealfall ist aber, dass es den Schülern durch die Betreuung besser geht, sie wieder unbelastet lernen können und nicht mehr den Unterricht stören. Das Ziel sei, "dass man mich nach einer gewissen Zeit nicht mehr braucht". (Lisa Breit, 18.9.2019)