In Wien-Erdberg wachsen derzeit die Triiiple-Türme in die Höhe.

Visualisierung: SORAVIA GROUP/ZOOMVP

In Wien wird immer öfter in die Höhe gebaut. Derzeit befinden sich in Wien-Erdberg die Triiiple-Türme in Bau. Ein Gespräch darüber mit dem zuständigen Statiker Martin Haferl – und über seine Vision eines Wolkenkratzers, der sich selbst baut.

STANDARD: Was waren die Herausforderungen beim Triiiple?

Haferl: Die Türme sind keine einfachen Quader, sondern sie haben Auskragungen. Das bedeutet, dass die Kragkräfte durch das Haus geleitet werden müssen. Die Frage ist immer, wie man das mit möglichst wenigen Nutzungseinschränkungen macht – etwa durch schräge Stützen und verschiedenste Tragelemente.

STANDARD: Hat die Nähe zum Donaukanal Ihre Arbeit erschwert?

Haferl: Nein. Das Gebäude steht auf hunderten Tiefgründungspfählen mit einem Durchmesser von 63 Zentimetern, die bis circa 20 Meter in die Tiefe reichen. Dort unten ist das Grundwasser. Auf diese örtlichen Bodenverhältnisse muss man Rücksicht nehmen.

STANDARD: Wie funktionieren diese Pfähle?

Haferl: Sie müssen tief genug sein, um die Kraft, die auf sie wirkt, über Reibung in den Boden abzutragen. Außerdem müssen sie gewährleisten, dass nichtüberbaute Tiefgeschoße nicht durch den Wasserdruck des Grundwassers aufschwimmen. Die meisten Hochhäuser in Wien stehen auf Tiefgründungspfählen.

STANDARD: Wie schaut Ihre Arbeit im Baustellenalltag aus?

Haferl: Jeder Bauabschnitt wird von uns kontrolliert. Stahleinlagen zum Beispiel, die später nicht mehr zu sehen sein werden, muss man sich vorher anschauen. Es werden Fotos gemacht, und es gibt ein Abnahmeprotokoll.

STANDARD: Wie stark werden die Türme bei Wind schwanken?

Haferl: Jedes Gebäude schwankt, auch ein niedriges. Bei derartigen Gebäuden ist das höchstens ein Fünfhundertstel der Höhe. Beim Triiiple werden das maximal 250 Millimeter sein – und das werden wir wohl nur einmal in 50 oder 100 Jahren erleben. Aber das Gebäude kann sich so weit verformen, und es reagiert elastisch. Der Erschließungskern des Hauses, wo die Stiegenhäuser und die Liftschächte sind, steift das Haus gegen Windkräfte aus.

STANDARD: Jedes Hochhaus sinkt mit der Zeit ein wenig ab. Wie stark wird das Triiiple-Projekt absinken?

Haferl: Drei bis vier Zentimeter. Zwei Drittel direkt beim Bau, ein Drittel in den Jahren danach. Irgendwann ist dann Ruhe. Die Setzung passiert, weil es im Boden beispielsweise Wasser in Hohlräumen gibt. Der Druck durch das Hochhaus presst das Wasser raus. So gibt der Boden langsam nach.

STANDARD: In San Francisco versinkt der Millennium Tower viel stärker als erwartet. 100 Millionen Dollar kostet die Reparatur. Der Alptraum eines Statikers?

Haferl: Jede Maßnahme, die man vorher nicht gemacht hat, kann man später nachholen – das kostet halt das Vielfache. Wenn man vorher als Statiker verantwortlich ist, ist das ein Albtraum. Wenn man später dazukommt, ist das sehr spannend.

STANDARD: Gibt es ein Limit bei der Höhe von Wolkenkratzern?

Haferl: Ab einer Höhe von einem Kilometer kommt man mit normalen Bauverfahren nicht mehr sinnvoll weiter. Die Grenze ist auch die Materialfestigkeit. Irgendwann reicht Stahl nicht mehr. Leicht und fest wäre die Kohlefaser. Die ist aber teuer. Was mir wichtig ist zu betonen: Wenn man es schafft, Stahl mit Alternativenergie herzustellen, ist er ein extrem zukunftsweisendes Material, da man ihn zu 100 Prozent wiederverwerten kann und keine Ressourcenknappheit besteht.

STANDARD: Wie schaut das Hochhaus der Zukunft aus?

Haferl: Ich hab mal einen zwei Kilometer hohen Wolkenkratzer entworfen, der sich selbst baut, indem er CO2 versteinert. Die nötige Energie kommt von der Sonne, das Wasser vom Regen. Außerdem würde das Gebäude mit einem Robotersystem und, nicht, wie in manchen Ländern üblich, durch ausgebeutete Arbeiter, unter gigantischem Verbrauch von Ressourcen und ohne Rücksicht auf den Klimawandel errichtet. Allerdings würde es 30 Jahre dauern, bis der Wolkenkratzer fertig ist – so wie ein Baum. Das Konzept ist natürlich noch nicht ausgereift. Aber ich glaube schon, dass wir nicht unter noch mehr Ressourcenverbrauch und noch mehr Ausbeutung nach oben wachsen sollen. Da muss man anders denken.

STANDARD: Ist das Hochhaus also eine Lösung für wachsende Städte?

Haferl: Ja – wenn ein Hochhaus nicht aus Eitelkeit gebaut wird, sondern aus dem Gedanken heraus, möglichst wenig Flächen zu verbrauchen, und der gesamte Lebenszyklus mitgedacht wird. Unter diesen Voraussetzungen sind Hochhäuser die Bauformen der Zukunft. Aber man muss schauen, dass Wien Wien bleibt. Da sind die Architekten und Raumplaner gefragt. (Franziska Zoidl, 15.9.2019)