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Unser Interviewpartner bekommt 1.400 Euro brutto 14-mal im Jahr. "Große Sprünge kann ich damit nicht machen. Jeder kann sich ausrechnen, wie sich das mit einer fünfköpfigen Familie ausgehen kann – aber irgendwie hat es immer geklappt."

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"Nach der Schule habe ich Konditor gelernt. Nicht weil ich so gern Süßes esse, sondern weil mir das Drumherum so gut gefallen hat. Ich habe leidenschaftlich gern Torten verziert und den Dekor gestaltet. Aber bei solchen Berufen verdient man nicht viel. Wenn man – so wie ich – eine Familie gründen will, wird es eng. Nach dem Bundesheer habe ich eine Zeitlang in der Vermessung gearbeitet, dann wurde ich von der Firma abgebaut. Da habe ich mir gedacht, ich muss einen Job finden, bei dem ich die Familie ohne Probleme erhalten kann. Das war damals bei den Wiener Linien, Straßenbahnfahrer. Damals war ich 27 Jahre alt. Bis zu meiner Pension bin ich dort geblieben. Das war zwölf Jahre später.

Mit 39 habe ich einen schweren Autounfall gehabt. Ein Traktor hat mein Auto beim Linksabbiegen übersehen – ich habe überhaupt keine Chance gehabt. Das war 1994, mein linker Fuß ist nach wie vor ziemlich kaputt. Es gibt Tage, da kann ich kaum gehen, weil der Unterschenkel so zerstört ist. Und auch Straßenbahnfahren ist nicht mehr gegangen. Eine Zeitlang habe ich den sogenannten höheren Dienst gemacht, also Diensteinteilung, Expeditor. Arbeitszeiten und Verdienst sind aber nicht besser geworden.

1995 bin ich in Pension geschickt worden. Ich bin schon ewig und drei Tage in Pension. Ich war ja pragmatisierter Beamter. Früher war das so, heute würde das in der Form nicht mehr gehen. Dadurch, dass ich zwar den Beamtenstatus gehabt habe, aber nicht in den höheren Dienst gereiht wurde, mussten sie mich in Pension schicken.

1.400 Euro brutto 14-mal

Ich bekomme 1.400 Euro brutto 14-mal im Jahr. Große Sprünge kann ich damit nicht machen. Jeder kann sich ausrechnen, wie sich das mit einer fünfköpfigen Familie ausgehen kann – aber irgendwie hat es immer geklappt. Meine Frau hat ihr Elternhaus geerbt, wir wohnen auf dem Land, da ist alles ein bisschen billiger. Vorher haben wir in einer Gemeindewohnung gelebt. Da war es schon zeitweise ein bisschen grenzwertig. Gesundheitsbedingte Ausgaben halten sich in Grenzen. Ich kann mich wieder halbwegs bewegen. Ich habe viel getan, um vom Stock wegzukommen und halbwegs normal gehen zu können.

Nach meinem Unfall hat sich meine Frau selbstständig gemacht. Davor war sie Gruppenbetreuerin bei Tupperware. Das hat sie damals aufgegeben und dann ein Computergeschäft eröffnet. Dort habe ich gelegentlich mitgeholfen. Unsere Kinder brauchten damals auch noch Betreuung. Ich habe mich dort betätigt, wo es gegangen ist. Fad war mir nie, und faul war ich bis jetzt auch nicht.

Seitdem meine Frau in Pension ist, hilft sie bei einem Biogärtner mit. Da bekommen wir auch immer etwas. Und ich fahre seit ein paar Jahren ein bisschen Mietwagen, ich bin bei einer Firma geringfügig angestellt. Da fahre ich den Militärbischof von Österreich spazieren. Das ist mein G' schichtl, mit dem ich mich ein bisschen beschäftige.

Mittlerweile sind unsere Kinder auch erwachsen. Der Älteste ist über 40, und eine Tochter lebt mit ihrem Mann und den fünf Kindern bei uns im Haus. Die Enkelkinder sind zwischen sechs und 17 Jahren. Und wir als Großeltern helfen, wo es geht. Ich war nie erpicht darauf, dass ich in Pension geschickt werde. Ich habe ja nur Probleme mit den Füßen. Damals wurde ich aber relativ schnell abg'schasselt. Für mich war der Umstieg schon extrem. Der Chef hat gesagt: 'Was soll ich mit Ihnen machen? Ich kann nix mehr anfangen mit Ihnen.' Ich war damals 40 Jahre alt.

Nie etwas Gleichwertiges gefunden

Nach einem Jahr Krankenstand wird man als Beamter automatisch in Pension geschickt. Da kann man machen, was man will. Ich bin sogar vorstellig geworden und habe gesagt: Ich habe nur was mit dem Fuß, mit dem Schädel habe ich ja nix, und meine Hände können auch arbeiten. Aber etwas Gleichwertiges haben sie nicht gefunden. Dann habe ich geschaut, dass ich zumindest so viel wie möglich rausholen kann. Man verliert trotzdem mehr als genug. In dem Alter denkt man noch nicht an die Pension. Ich habe ein paar Jahre gebraucht, bis ich wieder halbwegs normal gehen konnte. Ich war auf dem Weißen Hof auf Reha. Da ist man dann schon froh, wenn nur der Fuß kaputt ist.

Auch die Klärung der Schuldfrage war langwierig. Der Prozess hat über zehn Jahre gedauert. Das war mühsam. Wenn drei Kinder da sind und auf einmal das Gehalt weniger wird, wird es schwierig. Wenn meine Frau nicht mitverdient hätte, hätten wir es nicht geschafft. Auch von den Schwiegereltern musste ich mir Geld ausborgen, damit sich alles ausgeht.

Ich bin jetzt fast 25 Jahre in Pension, und im Nachhinein betrachtet war es ein Segen. Denn heute wird alles privatisiert, die Leute werden wegen Kleinigkeiten rausgeschmissen. Das hat es früher nicht gegeben. Man muss halt das Beste daraus machen. Es gibt schon Leute, die kommen in Pension und haben nie ein Hobby gehabt, die fallen dann in ein Loch. Dieses Problem habe ich nie gehabt. Zuerst wollte ich fit werden, dann habe ich geschaut, dass ich geistig etwas tu und überhaupt etwas tu. Wir haben eine große Familie, da wird einem sowieso nicht fad, und es hält jung und fit." (Gudrun Ostermann, 16.9.2019)