Vierzehn Jahre lang war ich Lehrer, begeisterter Lehrer. Manchmal ging ich als Letzter aus dem Schulhaus, war am Ende meiner Kräfte. Gleichzeitig war ich voll Dankbarkeit, diese Arbeit machen zu dürfen. Ich mochte meine Schülerinnen und Schüler, mit etwa 14 Jahren standen sie staunend an der Schwelle des Erwachsenwerdens. Ich bemühte mich, ihnen dann und wann einen Mehrwert mitzugeben, der über den Lehrstoff hinausging. So begann ich das Schuljahr im Gegenstand Informatik mit Ergonomie, der Lehre vom menschengerechten Arbeitsplatz.

Warum ist das wichtig? Wichtiger als die ganze Informatik?

Weil wir Lebewesen sind, die erst seit 50 Jahren die meiste Zeit sitzen, und deren Körper - aus den Jahrmillionen davor - noch immer an ein Leben angepasst ist, in dem wir uns fast dauernd bewegt haben. Weil Gesundheit noch wichtiger ist als perfektes Arbeiten.

Aus welchen tragenden Teilen besteht die Wirbelsäule, es sind drei? Knochen, Knorpeln (die Bandscheiben) und Muskeln, sehr vielen kleinen Muskeln. Welcher Teil davon trägt das Gewicht bei der sich ständig ändernden Haltung, in den winzigen Bewegungen? Es sind die Muskeln. Was passiert mit Muskeln, die nicht gebraucht werden (zum Beispiel bei Gips oder krankheitsbedingter Bettlägerigkeit)? Sie werden schwach und verkümmern. So sehr, dass Menschen, die Monate in der Schwerelosigkeit des Alls verbracht haben, nach der Landung nicht gehen können.

Mit Stündlicher Bewegung werden Rückenschmerzen vermieden
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Wenn die Muskeln der Wirbelsäule - durch Nichtbewegung am Bildschirm - schwach werden, drückt das Körpergewicht auf die weicheren Schichten und Nerven zwischen den Wirbeln und auf die Bandscheiben. Diese Belastung ist aber so nicht vorgesehen! Nach ein paar Jahren gibt die schwächste Stelle nach. Was unsere Urahnen machten, hilft auch uns: Bewegung, also kurz aufstehen und herumgehen. Zwei bis drei Minuten stündlich reichen meiner Erfahrung nach aus, damit die Muskeln wieder ihre natürliche Anspannung bekommen.

Ein einfaches Mittel hilft

Mit Stündlicher Bewegung wird ein vermutlich großer Teil aller Rückenschmerzen vermieden, bereits vorhandene Rückenschmerzen werden möglicherweise noch gemildert. Bei bleibenden Schmerzen empfiehlt es sich, bald ärztlichen Rat einzuholen. In der Physiotherapie werden beispielsweise "Rückenschulen" angeboten.

Stündliche Bewegung hat weitere Vorteile: die kurze Pause belebt, entspannt, entkrampft, lässt manch größeren Zusammenhang erkennen, lässt überlegen, ob man gerade optimal arbeitet, macht eventuell Übersehenes bewusst, kurz: Pausen tun gut. Meistens geht es nach einer Unterbrechung schneller weiter. Man verliert kaum Zeit, denn man hat ohnehin immer etwas zu tun: Toilette, Wasser, Getränke, Obst, Telefonat, Smalltalk, und so weiter.

Apples Smartwatch erinnert an die Stündliche Bewegung.
Foto: Reuters/ISSEi KATO

Nie hörte oder las ich davon

So begann über viele Jahre mein Unterricht. Ich wunderte mich dann und wann, dass ich der Einzige war, der über Stündliche Bewegung sprach. Unser hervorragendes Lehrbuch für Informatik erwähnte nichts. In keinem Zeitungsartikel, in keiner Radiosendung gab es einen Hinweis. Bis eines Tages Apple das Thema mit mir teilte.

"Woher haben die meine Unterlagen?" dachte ich. Das kam so: im Februar 2015 kündigte Apple für April eine Smartwatch an und brauchte ein Alleinstellungsmerkmal. "Wer will denn so eine Uhr?", ergötzte sich lustvoll der kritische Teil der Community. Apple präsentierte seine Uhr mit der "Innovation" eines stündlichen Signals, dessen "Bewege dich!"-Impulse entzücken sollten. "Sitzen ist der neue Krebs", verkündete Apple-Chef Tim Cook in deftiger, clickbait-tauglicher Formulierung, inhaltlich vollkommen richtig. Weil dies von Apple kam, imaginierte die Twitteria aber eher ein Hamsterrad, dessen Geschwindigkeit Apple regeln würde; Apple verfolgte das Thema verständlicherweise - trotz Richtigkeit - nicht weiter.

Wertvolles Alltagswissen

Stündliche Bewegung ist wertvolles Alltagswissen. Ohne Aufwand wird Lebensqualität erhöht, Leid vermieden, werden Kosten und Zeit für Ärzte, Medikamente und Krankenhausaufenthalte gespart. Trotzdem ist das einfache "Mittel" (noch) zu wenig bekannt und bewusst. Eine App, die, individuell einstellbar, direkt am Bildschirm an Stündliche Bewegung erinnert, wäre hilfreich.

Empfehlungen für den ergonomisch guten Arbeitsplatz

  • Das Wichtigste, um langfristig gesund zu bleiben, ist Stündliche Bewegung: Aufstehen und Gehen, für zwei bis drei Minuten.
  • Mit einer aufrechten Haltung beim Sitzen, die man auch immer wieder wechselt, vermeidet man einseitige Belastungen.
  • Den Stuhl in der Höhe optimal zum Tisch mit Tastatur (Normhöhe 72 Zentimeter) einstellen, der Körpergröße entsprechend.
  • Der Monitor sollte etwa eine Armlänge - 50 bis 70 Zentimeter - entfernt sein, seine Oberkante etwa der Augenhöhe entsprechen. Eine matte Oberfläche ist meistens besser, weil es dann keine Spiegelungen gibt.
  • Das Licht im Raum sollte gleichmäßig und etwas dunkler als der Monitor sein. Man kann auch den Monitor in der Helligkeit (ein wenig) anpassen. Blendung durch Sonnenlicht oder Spots vermeiden.

(Rudolf Schwarz, 18.9.2019)

Zur Info

Anmerkung zum Gegenstand Informatik: In diesem Schulzweig geht es um Büro-Informatik, um Anwender-Programme, die in der Geschäftswelt gebraucht werden, für Schreiben, Rechnen, Präsentieren, für das Internet, für Bildbearbeitung und Video. Hinzu kommen Medienkompetenz und Basics der IT-Technik.

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