Plowdids römisches Theater wurde unter Kaiser Trajan vermutlich im Jahr 90 errichtet.

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Vor der Dschumaja-Moschee wartet ein nettes türkisches Kaffeehaus mit Terrasse zum Leutschauen.

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Auf der Rückseite der Moschee sind die Überreste des ehemaligen römischen Stadions zu sehen.

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Vom Sahat Tepe, einem der sieben Hügel Plowdiws, aus hat man einen fantastischen Blick auf die Altstadt.

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Das neue Trendviertel Plowdids ist der frühere Handwerksbezirk Kapana.

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In Kapana reiht sich ein Beisl ans andere.

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In Bulgariens zweitgrößter Stadt wird einem einmal mehr bewusst, was der zweitwichtigste Aspekt Europäischer Kulturhauptstädte ist: Der Titel alleine vermag in die touristische Ungewissheit zu entführen, an Orte, auf die die meisten Städtereisenden selbst nie kommen würden. Das ist hervorragend. Doch die wichtigste Aufgabe – Europäern die kulturellen Einzigartigkeiten ihrer Städte zu vermitteln – scheint in Plowdiw gerade verpasst zu werden.

Zumindest gewinnt diesen Eindruck, wer in diesem kulturellen Epizentrums Europas des Jahres 2019 (mit Matera in Italien gibt es ja noch ein zweites) dem künstlerischen Highlight an einem lauen Spätsommerabend lauscht: "Engagierte Eltern trommeln draußen mit den Kindern." Weil es das offizielle Programm von "Plowdiw 2019" nun einmal so vorsieht.

Man darf staunen

Okay, denkt man sich, selbst auf dem Europaplatz von Graz, das seit 2003 nicht mehr Kulturhauptstadt ist, gibt es oft begabtere Straßenmusikanten, und legt sich zu Bett. Erst am nächsten Morgen darf man darüber staunen, was eine der ältesten Städte Europas kulturell zu bieten hat – trotz ihres aktuellen Status als Kulturhauptstadt.

Schon 24 Stunden genügen, um doch noch zu schwärmen von dieser Siedlung, deren älteste Spuren aus dem 6. Jahrtausend vor Christus stammen.

9 Uhr: Weil die Kellnerin noch nicht so munter ist, wie einen der kräftige Café frappé machen wird, den sie nach einer Viertelstunde bringt, hat man Zeit zu überlegen: Die herrliche Terrasse vor der Dschumaja-Moschee existiert heute wohl nur, weil die Osmanen Plowdiw 1364 eroberten. Sie errichten ihr Gotteshaus auf den Überresten einer Kirche und schufen so Platz für das türkische Kaffeehaus, in dem wir gerade sitzen. Dessen Mehlspeisen sind köstlich und schwer. So schwer, dass nach dem Frühstück nicht klar ist, ob man es noch ums Eck schafft. Wäre schade, wenn nicht. Die filigranen Malereien im Inneren der Moschee – eines der ältesten osmanischen Kultgebäude auf dem Balkan – sind sehenswert.

Wer ums nächste Eck biegt, ist noch einmal 1.200 Jahre in der Geschichte der Stadt zurückgereist. In einer unterirdischen Einkaufspassage verbergen sich die Überreste eines römischen Stadions, dessen wahren Ausmaße nur mehr vage zu erahnen sind. Dieser Ort für sportliche Wettkämpfe und Gladiatorenspiele bot einst bis zu 30.000 Zuschauern Platz. Wer die Fußgängerzone entlang weiterspaziert, befindet sich übrigens auf der antiken Laufstrecke.

11 Uhr: Apropos Rom: Plowdiw liegt ebenfalls an sieben Hügeln, wobei man darüber streitet kann, wie viele es nun wirklich sind. Als die Stadt römisch war, zählte man nur drei, daher der Name Trimontium – und seither ist die Stadt einfach enorm gewachsen. Um zum Römischen Theater zu gelangen, muss man jedenfalls nur eine kleine Anhöhe in der Altstadt bewältigen.

Auf dem Weg dorthin sollte man die Kirche der heiligen Mutter betreten. Sie existiert in dieser Form zwar erst seit dem 19. Jahrhundert, was auch die erfrischend zeitgenössisch wirkenden Wandbilder erklärt. 1860 wurde dort die erste Messe in Bulgarisch gehalten – damals ein enormer Affront gegen das griechische Patriarchat, der in großflächigen Szenen wie in einem Superhelden-Comic erzählt wird.

Das ikonische Römische Theater von Plowdiw (siehe großes Foto) wurde erst in den 1970er-Jahren entdeckt und stammt aus dem 1. Jahrhundert. Wer sich den moderaten Eintrittspreis von rund 2,50 Euro leistet (oder ein Kombiticket für weitere antike Stätten: oldplovdiv.com), sollte sich die Marmorsitzplatten genauer ansehen. Griechische Buchstaben kennzeichnen die Plätze der damaligen Stammgäste. Die herrliche Kulisse wird noch immer für Aufführungen benutzt – im Kulturhauptstadtjahr etwa für japanisches No-Theater.

13 Uhr: Für einen Drink oder Snack zwischendurch spaziert man in Richtung Süden bis zur Otets-Paisii-Straße weiter. Auf dem Weg dorthin kommt man am Kulturzentrum Trakart vorbei. Auch ohne Ausstellungen lohnt der Eintritt, weil der Saal an sich eine Wucht ist: Ganz schlicht, damit die behutsam restaurierten Mosaike aus dem 3. Jahrhundert, die einen Großteil des Bodens bedecken, wirken können. Das eigentliche Ziel heißt aber Artnewscafé, ein Treffpunkt der Plowdiwer Kreativen und Künstler, mit denen man vortrefflich darüber streiten kann, ob sie denn mit dem Programm "ihrer" Kulturhauptstadt glücklich sind. Angeschlossen an das Café ist die Galerie Sariew, die auch einen Besuch lohnt.

14 Uhr: Nun sollte man gestärkt sein für eine typische Plowdiwer "Bergtour". Auf den Sahat Tepe, den bekanntesten der sieben Hügel, zieht es rüstige Pensionisten ebenso wie schmusende Pärchen, die den besten Ausblick auf ihre Stadt genießen wollen. Von der Fußgängerallee führt eine Treppe direkt bis zum Uhrturm. Je später der Nachmittag, desto stimmungsvoller ist das Licht über der Altstadt. Allerdings ist zu dieser Zeit auch Kapana, das trendigste Viertel der Stadt, ein spannendes Pflaster.

15 Uhr: Einige Galerien und Ateliers im ehemaligen Handwerkerviertel schließen früh und geben sich nicht gleich also solche zu erkennen. Vermutlich schätzen einige Betreiber die neue Funktion des Distrikts als Ausgehviertel ebenso wie die Besucher. Man sollte als früh genug kommen, um durch die stimmungsvollen Gassen zu flanieren, bevor man sich in der "Falle" – so die Übersetzung für Kapana – verliert.

Hier findet man auch die spannendsten Speiselokale. Das winzige Restaurant Pawaj in der Sltarska-Straße hat sich etwa ganz der Regionalität verschrieben, und das Galeriecafé Cu29 in der Djukmedschiew-Straße ist eine der wenigen Optionen, um frühstücken zu gehen. Wer bereut, den Sonnenuntergang auf dem Sahat Tepe verpasst zu haben, sollte jetzt in die Unterkunft gehen – vorausgesetzt es ist das Saborna 25.

19 Uhr: Die Privatunterkunft, dessen Name der Adresse entspricht (25sabornastr.com), verlangt rund 75 Euro für das tolle Dachzimmer mit eigener Sauna. Die ist verglast und bietet einen herrlichen Ausblick über die Stadt und zum Sahat Tepe. Nach dem Saunieren kann man sich immer noch ins Nachtleben des Kapana-Viertels stürzen. (Sascha Aumüller, 19.9.2019)