Viel Wind und Regen halten die billigen Schirme nicht stand.

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Wenn es in Japan unerwartet regnet, laufen viele Passanten in einen der allgegenwärtigen Minisupermärkte und kaufen sich für vier Euro einen Schirm. Scarlett Johansson machte diese Billigware aus durchsichtigem Plastik und mit weißem Haltegriff durch ihren Auftritt in Lost in Translation weltweit bekannt.

Was der Film nicht zeigt: Die meisten Schirme halten nur ein paar Stunden und enden danach im Mistkübel. Die Verschwendung ist dramatisch: 130 Millionen Schirme kaufen die Japaner jährlich, 80 Millionen davon sind Billigschirme. Japan ist der weltweit zweitgrößte Plastikverbraucher.

350 Standorte

Dagegen geht das Start-up Nature Innovation Group nun mit dem Sharingdienst iKasa vor – Kasa bedeutet Schirm auf Japanisch. Nach dem Muster von Fahrrädern und E-Scootern lassen sich nun auch Regenschirme teilen. Die bisher 44.000 Nutzer können auf 5.000 Schirme an 350 Standorten wie U-Bahnhöfen und Kinos in Tokio und Fukuoka zugreifen. Per Messenger erhalten sie die Kombination für ein Zahlenschloss, dann lässt sich der Schirm öffnen. Die Leihgebühr beträgt 60 Cent am Tag, für eine Monatspauschale von 3,60 Euro darf man so viele Schirme mieten, wie man will.

Der Auftakt verlief vielversprechend: Im Juni sammelte das Start-up 250.000 Euro frisches Kapital ein. Zu den Investoren gehört Japans größte Eisenbahngesellschaft JR East – täglich landen zahllose in Zügen vergessene Schirme in ihren Fundbüros, aber nur ein Prozent davon wird abgeholt. Auch die Minisupermarktkette Lawson unterstützt iKasa und stellt den eigenen Verkauf von Wegwerfschirmen infrage.

Benutzer werden bewertet

Für die meisten Japaner ist der Schirm aber noch ein Einwegprodukt, daher setzt der Service auf Erziehung. Beim Anmieten muss man angeben, in welchem Zustand sich der Schirm befindet, und den vorigen User dafür bewerten. Mehrere negative Kommentare lösen eine Sperre aus.

Dennoch weckt das Geschäftsmodell auch Zweifel. Vor zwei Jahren erlebte China einen Boom beim Teilen von Alltagswaren wie Regenschirmen, aber die meisten Unternehmen gingen inzwischen pleite. Auch iKasa arbeitet nicht profitabel. Die Schirme sollen zwei bis drei Jahre halten und kosten daher in der Herstellung über 50-mal so viel wie ein Wegwerfschirm. Die Leihgebühr deckt nur die laufenden Kosten. Daher vermietet iKasa die Schirme nun als Werbefläche.

Und da gibt es noch eine andere, soziale Hürde für dieses Geschäft: Die meisten Japaner betrachten Regenschirme als Allgemeingut. Man findet wenig dabei, sich bei einem Regenschauer aus einem Ständer den nächsten Schirm zu greifen. Die Nutzer von iKasa sollten also auf ihre attraktive Leihware gut aufpassen. (Martin Fritz aus Tokio, 14.9.2019)