Primož Roglič ist happy.

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Primož Roglič war auf einem guten Weg. Der junge Skispringer war frischgebackener Junioren-Teamweltmeister, hatte mit 17 Jahren schon zwei Continentalcup-Springen gewonnen. Dann kam Planica, diese Flugschanze, von der die Weitenjäger so spektakulär hoch abspringen. Roglič sprang ab, schien in eine ruhige Luftfahrt zu kommen – und fiel vornüber.

Es sind gespenstische Bilder: Wie der junge Sportler die Balance verliert, nicht einmal mit den Armen rudert, als wäre sein Schicksal jetzt unvermeidlich. Wie in Zeitlupe segelt er auf den Hang zu, erst in letzter Sekunde scheint die Realität zu beschleunigen. Sein Kopf schlägt als Erstes auf, wie ein Crashtest-Dummy kullert Roglič in den Auslauf. Das nächste Bild sind Helfer, die mit dem Akja anrücken.

Der Sturz.
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Dass es wirklich dieser Sturz war, der seiner Skisprungkarriere den Garaus machte, will Roglič nicht bestätigen. "Man muss die Stürze im Skispringen akzeptieren wie im Radsport", sagt er. Jedenfalls fand er nie mehr Anschluss an die Spitze, verpasste den Sprung in den slowenischen A-Kader und hörte 2011 nach einem weiteren schweren Sturz auf. Die körperlichen Werte des damals 21-Jährigen passten bis zum Schluss, aber er war mit dem Fliegen nicht mehr per du. "Ich wollte der beste Skispringer der Welt werden, der Traum hat sich nicht erfüllt", sagt Roglič.

Aufs Rad

Durch und durch Sportler, suchte er sich mit Duathlons eine neue Beschäftigung: "Im Ausdauersport war ich immer gut, ich bin aber vornehmlich gelaufen." Duathlon ist Laufen-Radfahren-Laufen, für den mittleren Teil lieh er sich ein Straßenrad von seinem Nachbarn aus. "Im Wettkampf war das fürchterlich."

Als sich Roglič ein Wettkampfrad kaufte, war er bei Amateurrennen kaum mehr aufzuhalten. Zuschauer schickten ihn zu dem Sportwissenschafter Radoje Milić. Der werkt am Institut für Sportphysiologie in Ljubljana und testete den 23-Jährigen. "Die Testresultate waren enorm. Ich sagte ihm, er solle sich darauf vorbereiten, in der Spitzengruppe auf der World Tour mitzufahren", erinnerte sich Milić in der "NZZ". Rogličs Blut könne ungeheuerliche Mengen Sauerstoff aufnehmen, die Werte bewegten sich in Sphären der großen Toursieger. Also rief Milić Bogdan Fink an, der Manager des kleinen Profiteams Adria Mobil gab dem Ex-Skispringer eine Chance.

Karriere

Von hier war der Weg zur Vuelta-Führung ein vergleichsweise wendungsarmer Anstieg. Roglič demolierte beim Training das eine oder andere Rad, lernte die Technik, demolierte die Konkurrenz. Und die Geschichte wiederholte sich. "Ich bekam einen Anruf von seinem slowenischen Trainer. Ein Skispringer aus Slowenien, das war merkwürdig", erzählt Frans Maassen, damals Sportdirektor von Lotto-NL-Jumbo. "Ich war skeptisch, aber dann hat er einen Test bei uns gemacht, und es war verrückt. Er hatte außergewöhnliche Wattwerte." Also holte Maassen Roglič in die World Tour. 2017 gewann dieser als erster Slowene eine Etappe bei der Tour de France, am Jahresende folgte WM-Silber im Zeitfahren.

2018 etablierte sich der Spätberufene mit dem vierten Platz bei der Tour de France als Weltklasse-Rundfahrer, heuer bescherte ihm der Giro d'Italia mit Rang drei den ersten Podestplatz. Das Team heißt mittlerweile Jumbo-Visma, Kapitän Roglič steht vor seinem ersten großen Triumph.

Sturz auf der 19. Etappe

Auf der 19. und drittletzten Etappe hatte der Slowene bei einem Massensturz eine Schrecksekunde zu überstehen: Er ging selbst zu Boden und verlor seinen Edelhelfer Tony Martin mit einer Verletzung. Das Movistar-Team seiner Hauptkonkurrenten Alejandro Valverde und Nairo Quintana machte erst Tempo, besann sich später aber auf das Fairnessgebot und ließ die Nachzügler aufschließen.

Die Etappe gewann Rémi Cavagna, die Gesamtführenden kamen geschlossen im Peloton ins Ziel. Roglič hat damit weiterhin fast drei Minuten Vorsprung im Gesamtklassement – man könnte sagen, er ist auf einem sehr guten Weg. (schau, sid, 13.9.2019)