Snowdens Autobiografie "Permanent Record" erscheint am 17. September.

Moskau – "Ich habe dazu beigetragen, dass eine einzelne Regierung die gesamte digitale Kommunikation der Welt auf technologische Weise erfassen, für Ewigkeiten speichern und nach Belieben durchsuchen kann." Diese Worte stammen wenig überraschend von dem einstigen US-Geheimdienstmitarbeiter und gejagten Whistleblower Edward Snowden, dessen Autobiographie "Permanent Record" am kommenden Dienstag erscheint.

Laut US-Medien, die das Buch vorab lesen und kommentieren konnten, gibt Snowden auf den knapp 300 Seiten vor allem private Informationen preis. "Staatsgeheimnisse zu verraten ist schwer, aber sich selbst in Memoiren zu offenbaren, könnte noch schwieriger sein", schreibt die "New York Times" und bezieht sich auf das Vorwort der Biographie. "Die Entscheidung mit den Beweisen über die Machenschaften der Regierung an die Öffentlichkeit zu treten, ist mir leichter gefallen als jene, über mein Leben zu schreiben", hält Snowden dort fest.

Generation Internet

Für jemanden, der sein ganzes Berufsleben damit verbracht hat, nicht erkannt und identifiziert zu werden, gibt sich Snowden in vielen der Passagen des Buches äußerst persönlich. Der 36-Jährige stammt aus einer Militär- und Geheimdienstfamilie. Bereits im Alter von sechs Jahren habe er erstmals die Uhrzeit "gehackt" – um länger wach bleiben zu dürfen, verrückte er die Zeiger auf allen Uhren im Haus.

Snowden gehörte seinen Aufzeichnungen zufolge zu jenen Jugendlichen, die sich lieber "mit diesem neuen Ding, dem Internet" als mit der Schule befassten. Als dann die Ereignisse von 9/11 die USA in Angst und Schrecken versetzten, entschied sich Snowden dazu, seine technologischen Fertigkeiten in den Dienst der amerikanischen Geheimdienste zu stellen.

Desillusioniert von Obama

Dass Ex-US-Präsident Barack Obama in seinem Wahlkampf scharfe Kritik an seinem Vorgänger George W. Bush und dessen Einschränkung der Bürgerrechte und Ausweitung der Exekutivgewalt übte, stimmte Snowden enthusiastisch. Doch die Ernüchterung war groß, als Obama nach seinem Amtsantritt Massenüberwachungsprogramme ausweitete, anstatt sie einzustellen. Deshalb entschloss er sich dazu, einer kleinen Gruppe ausgewählter Journalisten im Sommer 2013 in einem Hotelzimmer in Bangkok klassifizierte Dokumente zu übergeben.

Die US-Regierung wirft Snowden Landesverrat vor. Seine Verteidiger sehen in ihm dagegen einen Verfechter der Privatsphäre und betrachten seine Enthüllungen als legitim. Seit Snowden die verdachtsunabhängige Überwachung des Internets durch die USA publik gemacht hat, lebt er in Russland im Exil. In Moskau teilt er mit seiner Ehefrau eine Zwei-Zimmer-Wohnung und hält via Video-Anruf Vorträge auf der ganzen Welt.

Im Rahmen der Vorstellung seines Buches äußerte der Ex-Geheimdienstmitarbeiter in deutsche Medien die Hoffnung, in Deutschland oder einem anderen EU-Land politisches Asyl zu erhalten. Die deutsche und die französische Regierung würde nach Gründen suchen, weshalb er nicht kommen dürfe. "Wenn Deutschland mich aufnehmen würde, würde es inzwischen nicht mehr als ein feindlicher Akt gegen die USA aufgefasst", sagte Snowden der Zeitung "Welt". Dies sei für jeden offensichtlich, der "objektiv auf die Geschichte blickt".

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Snowden wirft Deutschland vor, bisher in seiner Sache nichts unternommen zu haben.
Foto: AP/Marco Garcia

Snowden nennt Hongkong als Beispiel

Im Gespräch mit einem Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) warnte Snowden in der Wochenendausgabe, vor einem neuen Aufstieg des Autoritarismus. "Verbunden mit immer neuen Überwachungsmethoden ist das eine gefährliche Entwicklung", sagt Snowden. "Wir sehen ja derzeit in Hongkong, wie leicht ein Überwachungsapparat genutzt werden kann, um demokratische Proteste zu ersticken", sagte der für seine Enthüllungen über die Überwachungsmethoden der US-Geheimdienste bekannte Informant.

Im Nachrichtenmagazin "Spiegel" warnte der 36-Jährige davor, den Aufstieg von Politikern wie US-Präsident Donald Trump und Großbritanniens Regierungschef Boris Johnson oder die Wahlerfolge der AfD nur als vorübergehende Abweichung von der politischen Norm zu betrachten. "Überall haben Politiker und Unternehmer verstanden, dass sie Technologien nutzen können, um die Welt auf einem neuen Level beeinflussen zu können", sagte er.

Auch Internetkonzerne sollen mit Massensammlung von Daten aufhören

Snowden forderte auch ein Ende der "massenhaften Datensammlung". Das gelte nicht nur für Geheimdienste, sondern auch für Konzerne wie Facebook und Google. In einem ersten Schritt gelte es, etwa für jeden Smartphone-Nutzer "sichtbar zu machen, wie sehr wir auf Schritt und Tritt verfolgt werden", sagte Snowden dem "Spiegel". "Und wenn niemand sonst eine Alternative entwickelt, dann werde ich das verdammt noch mal selbst tun." (fmo, APA, 13.9.2019)