Die steirische Landeshauptstadt ist an diesem Wochenende fest in den Händen der Trachtenträger und Traditionalisten. "Aufsteirern" heißt es einerseits beim beliebten Kulinarik- und Kulturfest in der Grazer Innenstadt. Nicht unweit davon entfernt findet sich in der Messehalle am heutigen Samstag allerdings auch eine andere Gruppe traditionsbewusster Männer und Frauen ein, um am Bundesparteitag der FPÖ unter anderem einen neuen Obmann zu krönen.

Der FPÖ-Parteitag live.

Vor dem offiziellen Beginn auf etwaige Flügel innerhalb der Partei angesprochen, sagte der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer, dass die Freiheitlichen im Gegensatz zur ÖVP nicht in Bünde unterteilt seien, sondern eine geschlossene Partei darstellen. Wohl aber gebe es drei starke Säulen: "Eine heimatbetonte, eine soziale und eine liberale." Ein Prozentziel für die Wahl zum Obmann habe er sich nicht gesteckt, sagt er zum STANDARD. Generalsekretär Harald Vilimsky sah am Rande des Parteitags "eine rot-weiß-rote Reformgruppe".

Norbert Hofer soll am Samstag auch offiziell FPÖ-Obmann werden.
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Für den steirischen Landesparteiobmann und ehemaligen Verteidigungsminister Mario Kunasek ist die Partei "so geeint wie noch nie." Er sieht, wie auch der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner, keinen Grund zu der vielmals geforderten Abgrenzung nach rechts: "Wir haben keinen rechten Rand", sagten beide zum STANDARD. Auch Robert Lugar ist überzeugt: "Es ist schon genügend abgegrenzt." Und die "rechten Spinner schließen wir konsequent aus", erklärte Lugar.

Schlichter Start

Die sonst übliche pompöse Parteitagsinszenierung der Blauen mit Fanfaren und Trara blieb diesmal in der Grazer Messehalle aus. Hofer gibt sich bescheidener. Er wurde natürlich dennoch mit Standing Ovations freundlich begrüßt. Eine ältere Dame im Dirndl und blauen Plüschbär namens "Norbär" am Gürtel war dennoch nicht ganz glücklich. Ja, er fehle ihr hier, der Heinz-Christian. Der junge Mann in der Krachledernen nickte zustimmend. Aber gut, man verstehe es ja irgendwie. "Ich hoffe schon dass er wiederkommt, die Hoffnung stirbt zuletzt", lacht die FPÖ-Delegierte.

Blasmusik beim FPÖ-Parteitag.
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Drei junge Blaue wurden fast grantig, als sie auf Heinz Christian Strache angesprochen werden. "Kein Kommentar", knurrte einer von ihnen. Sie entfernten sich rasch. Zwei Tiroler sahen das, was jetzt grad in der Partei abgeht, ziemlich pragmatisch. "Wir sind ja nur das Fußvolk, und Wien ist weit weg, aber ohne uns geht es auch nicht." Der Norbert Hofer werde es schon machen. Dass Strache nicht mehr dabei ist, sei nicht weiter wichtig. "Das einzig Stabile ist der Wandel", philosophierte der Tiroler Basisfunktionär.

Aufbruchsparteitag für Hofer

Der steirische Hausherr Kunasek, der die "Kameraden aus ganz Österreich" begrüßt hatte, hob vor allem eine Person besonders hervor: "Der beste Innenminister, den man sich denken kann, Herbert Kickl". Bravo-Rufe ertönen, tosender Applaus. Kunasek gab die inhaltliche Linie des Parteitages vor. Es gehe um "heimattreue, patriotische Politik. Wir wollen Verantwortung auf Bundesebene übernehmen. Das steht heute am Programm. Es werden sich einige noch wunderen, was am Wahltag alles möglich ist."

Nach all den Turbulenzen sollte dieses Treffen ein "Aufbruchsparteitag" werden, sagte Hofer zu Beginn des Parteitags, auf dem die Partei "stabilisiert" werden soll. "Wenn ich in die Runde sehe, dann weiß ich, welche Kraft in dieser freiheitlichen Bewegung steckt. Jeder von uns ist aus tiefer inneren Überzeugung in der Bewegung, nicht weil er sich selbst Vorteil erhofft, sondern weil es uns um unsere Heimat Österreich geht", richtete sich Hofer in seiner Eingangsrede an die rund 880 Delegierten.

880 Delegierte stimmen am Samstag darüber ab, ob Norbert Hofer auch offizieller Parteichef werden soll.
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Hofer sprach von der "bedeutendsten Rede in seinem politischen Leben". Er habe zwar ausnahmsweise eine Rede vorbereitet, er verzichte aber darauf, denn er spreche lieber frei von der Leber, wie immer. Gleich zu Beginn schwor er die Abgeordneten ein, dass sie die Zweitliebsten in seinem Leben sind. Denn nach seiner Hochzeit sei es die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, sich bei der Freiheitlichen Partei zu engagieren – einer Partei ohne die Österreich ein völlig anderes Gesicht hätte.

Langzeit-Vision: Platz eins

"Wir dürfen uns auch nicht mit dem zweiten oder dritten Platz zufrieden geben", sprach Hofer seine Langzeit-Vision aus. Schließlich sei man mit 35 Prozent im ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl auch schon einmal stimmenstärkste Partei geworden. Und das müsse das Ziel sein.

Knapp vier Monate nach Ibiza, wurde natürlich auch über das mittlerweile legendäre Video gesprochen. Strache sei damals eine böse Falle gestellt worden, von "Kriminellen und Gaunern, auch von Ost-Mafia ist die Rede", sagte Hofer. Nach einer Lobeshymne auf den Ex-Chef wandte er sich direkt an die Abgeordneten. "Ich bitte um einen Applaus für seine Leistung um die Partei. Er wünschte sich, dass Strache in seiner Familie die Kraft finde, um gestärkt zurückzukommen.

Schlüsselperson Kickl

Hofer bekräftigte einmal mehr, dass es sich beim ehemaligen Innenminister Kickl um eine Schlüsselperson der FPÖ handle, die nicht verhandelbar sei. Es sei nicht denkbar, "dass wir den Innenminister aufgeben, wir werden mit gutem Wahlergebnis dafür kämpfen. Am Ende entscheidet immer der Wähler", sagt Hofer. Der Innenminister sei "keine Bitte an die ÖVP, wir können auch Opposition, es ist ein Angebot an die ÖVP, das angenommen oder ausgeschlagen werden kann".

"Deswegen steht unser Angebot. Es wird nicht leicht werden, mit uns zu verhandeln. Wenn wir zu einer Einigung kommen, dann wird diese neue Regierung mindestens genauso beliebt sein wie die vorige", sagt Hofer und ergänzt noch mal in Richtung ÖVP: "Nehmt das Angebot an, oder schlagt es aus. Ich hoffe, dass man sich für die Vernunft entscheidet."

Scharfmacher Kickl

Herbert Kickl, der Scharfmacher der Partei, ließ den Applaus und das Gejohle in der Messehalle gegen Mittags mit seiner Rede erstmals so richtig hochkochen. Er sprach davon, dass die biologischen Angriffe der politischen Gegner nichts genützt hätten, denn die Angriffe mit dem Spaltpilz seien ins Leere gelaufen. Er stehe zu hundert Prozent hinter Hofer und werde jenen, die der Parteiobmann "nicht niederclinchen könne", "mit einem rechten Haken und einer Geraden" den Kopf wieder gerade richten. Das Backhendl wolle er beiseite lassen und lieber die Roten und Schwarzen "panieren".

Nur mit ihm würde das Triple-A-Rating, das derzeit für Flüchtlinge vorherrsche abgeschafft. Triple-A stehe für "aggressive afghanische Asylwerber". Von diesen Sexualstraftätern brauche er keine weiteren im Land, schließlich finden sich "mit dem Schwammerl im Nationalrat schon genügend Grapscher in dieser Republik". Nicht einmal die Kirche verschonte er in seinem Rundumschlag. Ihr warf er vor mit dem Kirchenasyl – einem Model, das längst ausgedient habe – nur jene zu schützen, die es mit dem Christentum ohnehin nicht gut meinen würden.

Herbert Kickl und Norbert Hofer zeigen Einigkeit.
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Rundumschlag gegen Muslime

Später holte Hofer noch zu einem Rundumschlag gegen die muslimische Bevölkerung Wiens aus. Nur die FPÖ könne die völlige Veränderung des christlichen Abendlandes aufhalten. Immerhin sei Mohammed mittlerweile der drittbeliebteste Name in Wien und in Schulbuchbildern gehe der Mehmet an Spielplätzen und Moscheen vorbei, aber nicht an Kirchen. "Der Islam war niemals ein Teil unserer Geschichte oder Kultur und er wird niemals ein Teil unserer Geschichte oder Kultur werden", sagt Hofer. "Der einzelne Muslim", sei zwar willkommen, aber es sei "unser Land".

Zum Schluss holte Norbert Hofer noch zu einem Rundumschlag gegen Muslime aus.
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Warum der Ausländeranteil in Österreich nur 15 Prozent betrage und in Gefängnissen mehr als 50, könne jeder für sich selber entscheiden, und dass man bei jedem Terroranschlag mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wisse wer dahinterstecke, sei auch klar, erklärte Hofer. Mit dem ungarischen Ministerpräsidenten – einem "echten Freund Österreichs – habe er zuletzt aber ein sehr gutes Gespräch gehabt. Der habe nur eine nicht erwähnenswerte Menge an Muslimen im Land, machte er sein Vorbild klar.

Auch die Parteifinanzen waren ein Thema. Laut Angaben des FPÖ-Finanzreferenten Hubert Fuchs stünden gegenwärtig drei Millionen Euro an Darlehen zu Buche. Mit Ende des Jahres sollte der Schuldenstand bei 2,5 Millionen Euro rangieren. An Wahlspenden habe die Partei 2018 lediglich 215 Euro erhalten.

Kritik an ÖVP und Regierungsaus

Der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzgeerklärte am Rande Parteitages den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) maßgeblich am Zerbrechen der türkis-blauen Koalition beteiligt. Er habe das immer schon gesagt. Dieser sei kein Freund einer blauen Regierungsbeteiligung und Sebastian Kurz habe sich da einfach nicht durchgesetzt, sagt er zum STANDARD.

Kritik gab es am Rande des Parteitags auch.
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Robert Lugar sieht im Platzen der ÖVP-FPÖ-Regierung einen klugen Schachzug der ÖVP, immerhin wollten diese Stimmen maximieren und es sehe ja nach Zugewinnen aus.

Wahl nach Strache Abgang

Der letzte FPÖ-Chef und ehemalige Vizekanzler Strache musste bekanntlich nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos die Segel streichen – dennoch bedankten sich fast alle Delegierten für seinen Einsatz.

Der seit Straches Rücktritt im Mai designierte FPÖ-Chef Hofer, huldigte Strache noch am Vorabend des Parteitages in einem langen Facebookposting für dessen aufopferungsvollen Einsatz für die Partei in den vergangenen Jahren. Hofer habe aber auch als einer der wenigen an Strache geglaubt, als dieser die Freiheitlichen mit Umfragewerten von drei Prozent am Boden liegend übernahm, so der 48-Jährige.

Kein zweites Knittelfeld

Ein überraschendes Comeback von Strache am Grazer Parteitag konnte indes ausgeschlossen werden. Strache kündigte aber an, leider nicht zum Parteitag kommen zu können und wünschte seinem Nachfolger per Facebook "Glück auf!"

Dass Hofer zum Obmann gewählt wird, scheint außer Diskussion. Ob er an die 98,7 Prozent Zustimmung, die Strache bei seiner letzten Wahl 2017 erreicht hatte, rankommt, ist aber dennoch fraglich. Die erwartete Abgrenzung Hofers zum Rechten Rand blieb aber aus. Dennoch wird sich der künftige Parteichef umfassendere Befugnisse in Bezug auf Parteiausschlüsse in die Statuten schreiben lassen, um bei "Einzelfällen" schneller handeln zu können. (Fabian Sommavilla, Walter Müller, 14. 9. 2019)