Sebastian Kurz im Wahlkampfbus.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Nach den Enthüllungen über die Wahlkampfausgaben der ÖVP ist die Partei sofort auf Gegenangriff gegangen: Ausschluss einer Falter-Journalistin aus einer Pressekonferenz, Klage, Empörung von der Parteispitze abwärts, dass "gewisse Medien" eine Schmutzkübelkampagne gegen die ÖVP führten. Das passte gar nicht schlecht zur Wahlkampflinie: Alle sind gegen Kurz!

Die Öffentlichkeit diskutierte derweil, ob Medien Daten und Informationen von anonymer Quelle überhaupt annehmen dürfen (dürfen sie), ob die Dateien gefälscht wurden (das hält selbst der von der ÖVP beauftragte Hack-Experte für nicht sehr wahrscheinlich) und ob sich Journalisten in Buchhaltungsdingen überhaupt auskennen (Kugelschreiber falsch zugerechnet!). Die ÖVP, mit gefährlichen Konkurrenten in diesem Wahlkampf nicht gesegnet, erkor die Medien zu ihrem Hauptgegner, säte Zweifel über Integrität und Glaubwürdigkeit von Journalisten, um etwaige weitere Enthüllungen schon im Vorfeld zu desavouieren. Im Übrigen beantwortete die Partei keine Fragen bezüglich ihrer Finanzen oder ihrer Spender – worüber DER STANDARD bereits zuvor berichtet hatte. "Wir reden nur mehr über Inhalte", proklamierte die ÖVP-Zentrale und brachte Ausländer aufs Tapet. Ablenkung erfolgreich gelungen. Sollte man meinen.

Marode Finanzen, teure Feste

Allerdings währte die Erleichterung darüber wohl nur kurz. Denn die Veröffentlichung weiterer Details über die scheinbar maroden Finanzen der ÖVP ist noch unangenehmer. Dass man sich offenbar im doppelten Ausmaß der jährlichen Parteienförderung verschuldet hat, kratzt am Image als Wirtschaftspartei. Andererseits sind da diese erklecklichen Ausgaben für Berater, Styling, Festivitäten: Auch wenn man das alles noch so gut begründen kann – dem durchschnittlichen Österreicher mit durchschnittlichem Einkommen ist das schwer zu erklären.

Das weiß natürlich auch die Konkurrenz und sticht mit Lust in die türkise Wunde. Das ist insofern absurd, als Rot, Blau und Grün keinerlei Grund zur Häme haben. Alle drei standen in der Vergangenheit schon einmal finanziell auf der Kippe – und transparente Auskunft über ihr Gebaren gibt außer den Neos keine der im Nationalrat vertretenen Parteien.

Hochsensibel und nervös

Die Gefahr besteht, dass so mancher bürgerliche Wähler (Hardcore-Kurz-Fans ausgenommen) nun bei sich denkt, dass "die in der Politik eh alle gleich sind" – ein klassischer Demobilisierungseffekt. Wer enttäuscht ist von der favorisierten Partei, geht oft nicht zur Wahl. So ließe sich auch der momentane leichte Rückgang der ÖVP-Führung in Umfragen erklären. Die Türkisen sind zwar in der Poleposition – aber dennoch hochsensibel und nervös bei Kritik. Denn auch bei den eigenen Funktionären an der Basis und in den Gemeinden kommen Enthüllungen über kostspielige Feste bei einem Wiener Szenewirt und teure Styling- und Friseurbesuche nicht so gut an – schließlich läuft sich der ÖVP-Funktionär an der Basis meist ehrenamtlich die Füße für die Partei wund.

Auch Kurz' bisweilen gönnerhaftes Auftreten wird so konterkariert: Wer selbst nicht mit Geld umgehen kann, solle der FPÖ nicht erklären, wie sie sich zu ändern habe, sagte FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer ungewohnt patzig beim ersten TV-Duell der beiden nach Ibiza-Gate und dem Platzen der Koalition.

Das werden jedenfalls interessante Koalitionsverhandlungen.

(Petra Stuiber, 16.9.2019)