Luigi Colani galt als Weltmeister der biomorphen und futuristischen Form und entwarf Autos und Flugzeuge ebenso wie Brillen, Möbel, Teeservice, Fernseher, stromlinienförmige Lkws oder Polizeiuniformen. Seine zu Papier gebrachten Ideen bezifferte er mit 4.000, und seine Kunden hießen BMW, VW, Fiat, Grohe, Canon und anders. Seine Kritiker schimpften ihn Großmaul, für seine Fans war er einer, der sich niemals und niemandem anpasste. In den 1970er- und 1980er-Jahren stieg er zum Superstar der Designszene auf, am Montag ist er im Alter von 91 Jahren in Karlsruhe an einer schweren Krankheit gestorben, wie seine Lebensgefährtin Yazhen Zhao mitteilte.

"Die Idioten von heute können kein Design mehr machen, die europäische und amerikanische Designwelt ist verkalkt. Es geht nur um Gewinnabsahne und kurzzeitiges Denken", sagte Colani dem STANDARD in einem Interview. Colani, der mit bürgerlichem Namen Lutz Colani hieß und Bildhauerei sowie Malerei und Aerodynamik sowie Analytische Philosophie in Paris studiert hatte, respektierte keine Grenzen, weder in seinen zum Teil wilden Formen noch im Umgang mit ganzen Branchen.

Designer-Legende Luigi Colani verstarb mit 91 Jahren in Karlsruhe.
Foto: APA/dpa/Uli Deck

Provokation

Schon sein Vater, ein Schweizer Filmarchitekt kurdischer Herkunft, habe ihm geraten, in der Natur Antworten zu suchen. "Nimm einen Stein und wirf ihn ins Wasser, der Stein ist rund, die Flugbahn ist rund, die Kreise im Wasser sind rund, unsere Welt ist rund und bewegt sich mit Milliarden von anderen, runden Himmelskörpern in Harmonie auf runden Bahnen. Selbst bis in die arterhaltende Erotik erregen uns runde Formen. Warum soll ich, ein denkender Mensch, es denen nachmachen, die unsere Welt eckig sehen?", sagte Colani einmal.

Colani 2010 anlässlich der Eröffnung seiner Ausstellung im Rahmen der Moskau Design Week.
Foto: imago/ITAR-TASS

Seine Kugelküche von Poggenpohl, die er im Jahr 1968 entwarf, sieht wie das Gegenteil der heute glatt gebügelten Küchenwelten aus. Sein Kommentar dazu? "Diese Branche arbeitet für die paar Restreichen – arroganter Schrott!" Die Provokation in Form und Wort sah er als Werkzeug, um wachzurütteln. Für eine Zeit mag dies funktioniert haben, nach seinen erfolgreichen Jahrzehnten gab er sich von den Entwicklungen enttäuscht. Resignation war jedoch das Seine nicht. Er verlagerte seine Arbeit überwiegend in den Fernen Osten, wo er ein Designstudio eröffnete. Auf die Frage, warum er Europa den Rücken kehre, antwortete er: "Weil da drüben die Sau abgeht!"

Enwürfe von Luigi Colani: Konzeptküche für Poggenpohl (1968).
Ferrari Testa d'Oro (1989), der eine Spitzengeschwindigkeit von 351 km/h erreicht.
Die Hülle des 3D-Druckers Colani Freesculpt für Pearl (2013) modellierte der Designer mittels Spachtel aus Karton und Gips.
Colani TV 72-400H (1996) von RFT. Stassfurt Kunststoffstuhl Poly (1968) für Cor.
Computeraktenkoffer Colani Case (1990) für Highscreen.
Fahrzeugstudie mit getrennter Fahrgast- und Antriebszelle aus dem Jahr 1970 (von oben).
Foto: colani

2007 wurde er Gastprofessor für Transportdesign an der Universität Tsinghua in Peking, dies war nur eine seiner zahlreichen Lehrtätigkeiten.

Colani, 1928 in Berlin geboren – seine Mutter war als Souffleuse bei Max Reinhardt tätig –, wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Visionary Design Award des Pasadena Art Center College für sein Lebenswerk. Bis ins hohe Alter wollte er jungen, kreativen Menschen Mut machen, Dämme aufzubrechen und sich nicht von einer "Designmafia" vereinnahmen zu lassen.

Schon länger war es legitim, diesen großen Entwerfer als einen der letzten Dinosaurier seiner Zunft zu bezeichnen. Was für Dinosaurier galt, möge auch für Colani Gültigkeit haben: Nur weil sie ausgestorben sind, heißt das nicht, dass man sie vergessen hat! Womit der Visionär im Bereich Design selbst nie rechnete? "Mit dem iPod!", sagte er in einem Interview im Jahr 2009. (Michael Hausenblas, 16.9.2019)