Es gibt Dinge, die glaubt man erst, wenn man wieder einmal im Abendprogramm eines deutschen Privatsenders gelandet ist. In Formaten wie "Die Bachelorette" oder "Love Island" hängen Frauen und Männer gelangweilt in Bikinis und Badehosen am Pool herum. Wenn sie nicht gerade Make-up auflegen oder Party machen, begeben sie sich vor den Augen des gemeinen RTL-Zuschauers auf die Suche nach dem perfekten Partner.

Der moderne Aufguss des Paarungspornos hält sich nicht mehr damit auf, Charaktere mit einem Kameraschwenk über Sammeltassen, Überraschungseierfiguren oder Schrankwänden zu skizzieren. Wir sind ja nicht bei Elizabeth T. Spiras "Liebesg'schichten und Heiratssachen", wo sich Heinz und Gitti vor der Kuscheltiergalerie auf dem Ledersofa als Dauersingles outeten. Nein, auf "Love Island" marschieren Amin, Danilo, Dennis, alle zwischen 20 und 30, mit breit geschwellter Brust auf: Wie Julia, Lisa und Melissa bringen sie nicht mehr als einen durchtrainierten Körper mit.

Baby, ich hab Muskeln: "Love Island"-Kandidat Amin macht die Schultern breit.
Foto: 'obs/RTL II'ff

Ob Brandschutzmonteur oder Sportlehrer, vor den Kameras von RTL sind für einige Sendeminuten alle gleich. Wenn Amin, Danilo, Dennis nicht gerade mit einem weiblichen Objekt der Begierde beschäftigt sind oder tiefsinnige Gespräche mit ihren "Bros" führen, dann arbeiten sie an ihren Körpern, der Rest ist bekanntlich eh wurscht. Also stemmen die Buben Hanteln, bis der Bizeps zittert.

Auch im vergangenen Jahr galt bei dem Format "Love Island" unter den Männern bereits das Motto: pumpen, pumpen, pumpen.
Love Island DE

Während die Feuilletons nicht müde werden, über die "neuen Männer" zu diskutieren, bekommt hier eine archaische Spezies ihren Auftritt, die bei all den Debatten sträflich vernachlässigt wird, in Social-Media-Netzwerken wie Instagram aber längst zum männlichen Vorbild wurde: "Fitness-Influencer" ist hier kein Schimpfwort, sondern ein ernstzunehmender Beruf. Wer das breiteste Kreuz hat, ist der King im Ring.

Simeon Panda: Bodybuilder und Fitnessmodel.

Da verwundert es kaum, dass selbst Maulhelden wie Boris Johnson sich bemüßigt fühlen, sich mit einem hünenhaften Kraftprotz zu vergleichen: "Je wütender Hulk wird, umso stärker wird Hulk", erklärte Johnson. Der britische Premier sprach von keinem anderen als sich selbst. Die Botschaft kam mäßig gut an. Schade, dass die Fitness-Boys auf "Love Island" sich nicht für Politik interessieren. (Anne Feldkamp, 19.9.2019)