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In Riad richten sich momentan alle Blicke auf die Börsenzahlen.

Foto: Reuters/Stringer

Als vor genau 45 Jahren ein Krieg im Nahen Osten zu einem Teilausfall der globalen Erdölversorgung führte, erlitt die Weltwirtschaft einen Schock, von dem sie sich viele Jahre nicht erholte. Das Ölembargo der Opec-Staaten als Reaktion auf den Jom-Kippur-Krieg ließ den Ölpreis in die Höhe schnellen und traf die Industriestaaten an ihrer verwundbarsten Stelle – denn die Welt war damals süchtig nach Erdöl.

Der jüngste Angriff auf die wichtigsten Ölanlagen Saudi-Arabiens hätte früher ähnliche Schockwellen ausgelöst, verstärkt noch durch die wachsende Angst vor einem Krieg zwischen den USA und dem Iran. Doch die Wirtschaftswelt hat sich geändert. Zwar verzeichnete der Ölpreis zu Wochenbeginn den stärksten Kurssprung seit dem Golfkrieg von 1991, ging aber dann wieder deutlich zurück.

USA ist weltgrößter Erdölproduzent

Selbst wenn sich die saudische Ölproduktion erst in einigen Monaten voll erholt, wie derzeit befürchtet wird, ist ein weiterer Anstieg nicht zwingend. Zahlreiche Staaten haben Ölreserven, die sie schnell auf den Markt werfen können; die USA haben damit schon begonnen. Vor allem ist die weltgrößte Volkswirtschaft dank der umstrittenen Frackingtechnologie auch zum weltgrößten Erdölproduzenten geworden, und dort reagieren tausende kleinere Firmen höchst flexibel auf jedes Preissignal: Wird Erdöl teurer, erhöhen sie sofort die Fördermenge und stabilisieren so den Weltmarktpreis.

Ganz ohne Folgen für die Konjunktur wird der aktuelle Anstieg nicht bleiben. Vor allem in Deutschland fürchten Ökonomen, dass die Wirtschaft bei einem höheren Ölpreis in eine echte Rezession abrutscht. Aber noch vor fünf Jahren lag der Preis für ein Fass Öl deutlich über 100 Dollar, ohne dass irgendwelche Räder stillstanden. Der Anteil des Erdöls an der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung sinkt von Jahr zu Jahr. Auch für die Börsen sind höhere Erdölpreise keine unerträgliche Belastung. In einer digitalisierten Welt, in der nichtfossile Energiequellen stetig zunehmen, hat Erdöl nicht mehr die Bedeutung von einst.

Die Folgen für den Verbraucher sind ebenfalls überschaubar. Die Treibstoffpreise werden auch an österreichischen Tankstellen bald ansteigen, aber viel weniger als der Erdölpreis – denn die Mineralölsteuer bleibt gleich, und die macht fast die Hälfte des Zapfsäulenpreises aus.

Höherer Spritpreis nützt dem Klimaschutz

Wenn ein höherer Spritpreis dazu führt, dass weniger Auto gefahren und weniger Sprit verbraucht wird, dann nutzt das dem Klimaschutz. Aus Sicht des Weltklimas ist Erdöl seit Jahren zu billig. Natürlich sollen fossile Brennstoffe nicht durch Kriegshandlungen, sondern durch eine kluge Steuerpolitik verteuert werden. Aber es ist gut, wenn wir uns allmählich daran gewöhnen, beim Tanken mehr zu bezahlen – und unser Verhalten daran anpassen.

Der größte wirtschaftliche Leidtragende des Angriffs ist Saudi-Arabien selbst. Das Königreich mag eines der reichsten Länder der Welt sein, aber der Angriff legt seine riesigen ökonomischen Defizite offen, von den politischen ganz zu schweigen. Die Reformen von Kronprinz Mohammed bin Salman stocken, die Abhängigkeit vom Öl bleibt erschreckend hoch, und nun ist auch der Börsengang des staatlichen Ölriesen Aramco in Gefahr. Auf das Ende des fossilen Zeitalters, das des Klimawandels wegen rasch kommen müsste, ist Saudi-Arabien überhaupt nicht vorbereitet. Die brennenden Ölanlagen geben dem Land einen Vorgeschmack auf kommende Krisen. (Eric Frey, 16.9.2019)