Sigi Maurer vor Prozessbeginn am Montag. Es gibt noch immer keine niederschwelligen Möglichkeiten, gegen Hass im Netz vorzugehen.

Foto: Matthias Cremer

Anfang der Woche ging der Prozess gegen Sigi Maurer in die zweite Runde. Zur Erinnerung: Die Ex-Abgeordnete und nunmehrige Grünen-Kandidatin wurde von einem Wiener Bierwirt geklagt, weil sie ihn auf Twitter als Absender derber, obszöner und bedrohlicher Nachrichten bezeichnet hatte. Dafür wurde Maurer vor einem Jahr wegen übler Nachrede verurteilt, im März wurde das Urteil aufgehoben. Der Wahrheitsbeweis sei unerreichbar hoch angesetzt worden, befand das Oberlandesgericht Wien.

Und dieser Wahrheitsbeweis liegt bei Maurer. Sie muss beweisen, dass der betreffende Wirt die abscheuliche und bedrohliche Nachricht versendet hat, obwohl sie eindeutig von seinem PC und vom Facebook-Account seines Lokals stammte. Beim neuerlichen Prozess am Montag ging es somit vor allem um eines: Hat der Wirt die Nachricht geschickt oder nicht? Wer war wann im Lokal, hatte Zugang zum PC des Wirts und so weiter?

Das zeigt, dass die Gesetzeslage gegen massive verbale Gewalt im Netz gerade einmal so ist, als befänden wir uns im Jahr zwei oder drei des Internetzeitalters. Und wir sollten über diese, "War er es oder nicht?" im Blick behalten, worum sich die große Debatte, die der Fall im Jahr 2018 lostrat, drehte: dass von Hass im Netz Betroffene so gut wie keine rechtliche Handhabe haben, sich zu wehren. Maurer zeigte durch die Veröffentlichung dieser üblen Nachrichten, dass man Hass im Netz entweder ertragen muss oder sich einem beträchtlichen Risiko aussetzt, geklagt zu werden, und im schlimmsten Fall mit einer Geldstrafe und Prozesskosten dasteht.

Pranger als Kindergeburtstag

Dass die Gesetzeslage zu Hass im Netz derart lahm ist, obwohl im Netz aktive Frauen und Minderheiten tagtäglich damit kämpfen, hängt freilich damit zusammen, dass eh "nur" diese Gruppen betroffen sind. Gleichzeitig reagierten im Zuge der #MeToo-Debatte viele recht empfindlich, als das Gebaren jener Gruppe in den negativen Fokus geriet, die sich ansonsten sehr sicher im Netz bewegen kann: weiße Männer. Was wurde da ein "Internetpranger" beklagt. Doch tatsächlich ist dieser angebliche "Pranger" gegen die Quantität und den Inhalt der Nachrichten, die Frauen bekommen, ein Kindergeburtstag.

Das wurde durch den prominenten Fall Maurer selbst für bisher Ahnungslose und Verschonte ziemlich deutlich. Auch der Politik schien durch diesen Fall klarzuwerden, dass es kein Zustand ist, dass hier kein Gesetz greift. Nicht die gefährliche Drohung, weil die Hassnachrichten oft unkonkret sind, nicht der Mobbing-Paragraf, weil die Nachrichten dafür regelmäßig kommen müssen, nicht die Ehrbeleidigung, weil dafür – und das in Zeiten von zahlreichen Messenger-Funktionen – ein Publikum nötig ist, vor dem man beleidigt wird.

Ein Gipfel als Showtermin

Die damalige Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß kündigte an, diesen Fall in die Taskforce Gewalt- und Sexualdelikte einfließen zu lassen. Im Herbst 2018 wurde ein Gipfel gegen Hass im Netz mit Expertinnen veranstaltet, der allerdings nichts anderes als ein Showtermin war. Fotos mit Gernot Blümel und Sebastian Kurz mit Fachfrauen und Betroffenen, eine Stunde Beratung, und gut war's. Anfang des Jahres 2019 gab man dann die Pläne für eine "Deanonymisierung" im Netz bekannt. User sollten sich demnach auf Online-Plattformen mit Vor- und Nachnamen registrieren. Dass Expertinnen und Betroffene einwandten, dass verbale sexualisierte Übergriffe und Hass im Netz sehr wohl und häufig unter Klarnamen passieren und eine "Deanonymisierung" den Betroffenen nichts bringt, schon gar keine juristische Handhabe – egal.

Das Gewaltschutzpaket, das ÖVP und FPÖ jetzt noch vor der Wahl durchbringen wollen, befasst sich lieber mit Regelungen, die zahlreiche ExpertInnen als kontraproduktiv ablehnen und die mit Hass im Netz auch nichts zu tun haben. Die ÖVP-FPÖ-Regierung arbeitete somit völlig am Kern der Sache vorbei, was uns wieder zum Prozesstag am Monat bringt. Es gab einen Klarnamen, einen klar zuordenbaren Account – und dann muss man darüber streiten, ob er es war oder vielleicht doch ein anderer. (Beate Hausbichler, 17.9.2019)