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Der bisherige Rekordhalter muss seinen Thron an einen nahen Verwandten abgeben: Der Chinesische Riesensalamander ist offenbar nicht allein.
Foto: REUTERS/Nick Lindsay/ZSL

Lange Zeit galt der Chinesische Riesensalamander (Andrias davidianus) als größtes heute noch lebendes Amphibium der Welt: Vom Kopf bis zur Schwanzspitze kann der in Flüssen lebende Fleischfresser eine Länge von eineinhalb Metern und mehr erreichen – auch wenn sich die meisten Exemplare eher im Bereich von einem Meter bewegen.

Geologie setzte Grenzen

Nun berichten britische Forscher, dass das so nicht ganz stimmt. DNA-Tests haben nämlich gezeigt, dass es in China mindestens drei verschiedene Arten von Riesensalamandern geben muss. Im Fachmagazin "Ecology and Evolution" stellen sie diese vor – zu Andrias davidianus komme noch Andrias sligoi (der "Südchinesische Riesensalamander") und eine noch nicht benannte Spezies, die in den Flüssen des Huang-Shan-Gebirges beheimatet ist.

Laut den DNA-Analysen müssen sich diese drei Arten vor etwa 3,1 bis 2,4 Millionen Jahren getrennt haben. Damals war China von rasch ablaufender Gebirgsbildung geprägt: ein Prozess, der verschiedene Populationen des ursprünglichen Riesensalamanders voneinander isolierte, bis sie sich schließlich zu unterschiedlichen Arten entwickelten.

Andrias sligoi wäre laut dem Team um Samuel Turvey von der Zoological Society of London der eigentliche Rekordhalter unter den Riesen und soll im Extremfall auf bis zu zwei Meter Länge kommen. Beobachtungen besonders großer Exemplare dürften laut den Forschern also nicht mehr Andrias davidianus zugeschrieben werden.

Zoobewohner aus gutem Grund

Die Proben für ihre Erbgutanalyse entnahmen die Forscher wildlebenden Salamandern ebenso wie Museumsexemplaren. Dazu gehörte auch ein "prominentes" Exemplar, das im frühen 20. Jahrhundert 20 Jahre lang im Zoo von London gelebt hatte und sich nun nachträglich als Angehöriger der Spezies Andrias sligoi entpuppt hat.

Auch heute gibt es im Londoner Zoo wieder Riesensalamander. Es sind allerdings keine Nachkommen des Tieres von damals, sondern vom Zoll beschlagnahmte Exemplare, die 2016 ins Land zu schmuggeln versucht wurden. Eines davon mit dem schönen Namen Professor Lew soll beizeiten Nachwuchs zeugen, sobald unter den anderen die richtige Partnerin gefunden wurde. Die übrigen zwei müssen in andere Zoos verbracht werden, da ausgewachsene Riesensalamander keinen Sinn für Geselligkeit haben.

Andrias sligoi, gezeichnet nach einem Exemplar aus dem Archiv der Zoological Society of London.
Foto: ZSL

Die Nachzucht in Zoos erfolgt allerdings nicht nur deshalb, weil Riesensalamander eine Publikumsattraktion sind. Die einst in weiten Teilen Chinas verbreiteten Tiere sind vom Aussterben bedroht, weil ihr Fleisch als Delikatesse gilt und – wenig überraschend – diverse Körperteile für traditionelle Pseudomedizin verwendet werden.

Für Tierschützer ist es eine schlechte Nachricht, dass man es nicht mit einer, sondern mit drei verschiedenen Arten zu tun hat. Das bedeutet, dass Riesensalamander nicht nach Belieben aus bedrohten Lebensräumen in geschützte übersiedelt werden können. Es besteht die Gefahr, dass sich dadurch die Arten vermischen und die vergangenen drei Millionen Jahre Evolution durch Hybridisierung wieder zunichtegemacht werden. Oder es bleibt, falls die Tiere die Artgrenze doch nicht überschreiten wollen oder können, der Nachwuchs aus.

Amphibische Riesen einst und jetzt

Für Taxonomen ist die Londoner Studie hingegen eine Freude. Sie können nun vier statt zwei Arten von Riesensalamandern in ihren Büchern verzeichnen. Zu den jetzt drei chinesischen Arten kommt noch der ein bisschen kleinere Japanische Riesensalamander (Andrias japonicus), der damit seinen Rang als zweitgrößtes Amphibium der Welt verliert.

Als Nächste in der Reihe kämen heute Vertreter einer Amphibiengruppe, die vielen Menschen gar nicht bekannt ist. Die Schleichenlurche oder Blindwühlen sind neben Frosch- und Schwanzlurchen die dritte Entwicklungslinie der Amphibien und weichen im Körperbau stark von den beiden anderen ab. Gänzlich beinlos, ähneln diese nur in den Tropen vorkommenden Tiere je nach Größe Würmern oder Schlangen. Die größte Art, Caecilia thompsoni aus Kolumbien, kann eineinhalb Meter lang werden. Allerdings bringt sie es dabei nur auf ein Kilogramm Masse – ein Fünfzigstel eines Riesensalamanders.

Um noch größere Amphibien zu finden, muss man ein gutes Stück in der Erdgeschichte zurückgehen – und den Begriff Amphibien nicht allzu streng auslegen. Die vor 120 Millionen Jahren ausgestorbenen Temnospondyli waren nicht die direkten Vorfahren der heutigen Amphibien, aber eng mit diesen verwandt. Ihr größter bekannter Vertreter, Prionosuchus, konnte neun Meter Länge erreichen. Sein Schädel allein war so lang wie ein heutiger Riesensalamander im Ganzen. (jdo, 17.9.2019)

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Ohne strengen Artenschutz haben die imposanten Tiere keine Zukunft.
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