Weiß man, wie viel Strom die Paneele an verschiedenen Standorten gerade produzieren, kann man auch abschätzen, wie sich das Wetter entwickelt.

Foto: ENcome Energy Performance GmbH

Nutzt man die Sonne zur Stromerzeugung, ist man vom Wetter abhängig. Umgekehrt heißt das auch: Schaut man sich die Leistungsdaten der Photovoltaikanlage an, kann man auf die meteorologische Situation über dem Standort rückschließen. Nutzer einer App, die die aktuellen Leistungsdaten der Hausanlage anzeigt, erfahren auf diesem Weg auch, wie das Wetter zu Hause ist.

Dieses Prinzip kann man ebenso im ganz großen Stil anwenden: Kennt man die Orte und Leistungsdaten von sehr vielen Photovoltaikanlagen in einer Region, kann man Wetterkarten und Vorhersagen daraus errechnen. Aus tausenden PV-Paneelen, die man so als "Wettersensoren" nutzt, entsteht eine neue meteorologische Datenquelle mit erstaunlich hoher Genauigkeit.

Im Rahmen des Projekts "PV-go-Smart" arbeiten Forscher des Software Competence Center Hagenberg (SCCH) gemeinsam mit der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft der FH OÖ, dem Energieinstitut der JKU Linz und Wirtschaftspartnern an der Hebung dieses "Datenschatzes", der in dezentraler Energiegewinnung verborgen liegt.

"Die klassische Meteorologie ist bei kurzfristigen Prognosen nicht besonders gut. Es braucht Zeit, bis die neuesten Satellitenbilder tatsächlich am Server landen, und die Modelle benötigen lange Rechenzeiten für die Vorhersagen", sagt Patrick Praher, der am SCCH mit diesem Projekt beschäftigt ist. Mit den PV-Anlagen könne man diese Einschränkungen ausgleichen.

Nutzen für die Energieversorgung

Die Vorhersagen, die aus der Auswertung der PV-Daten gewonnen werden, könnten dank ihrer hohen Auflösung durchaus auch für Wetterdienste interessant sein, glaubt Praher. Phänomene wie Nebelfelder, deren man mit meteorologischen Mitteln schwer habhaft wird, könnten besser beschrieben werden.

Die naheliegendsten Anwendungen liegen aber in der Energieversorgung selbst. Betreiber von Hausanlagen können dank der genauen Vorhersagedaten Stromverbrauch und Speicherung in Hausakkus koordinieren. Aus der Perspektive der Energienetze können genauere Prognosen helfen, den Bedarf an Ausgleichsenergie-Zukäufen besser zu bestimmen.

Doch wie lassen sich die Daten aus den vielen verschiedenen Anlagen sinnvoll zusammenführen? "Der Datenqualität und -aufbereitung kommt ein großer Stellenwert zu", betont Praher. Die Zahlen, die alle fünf Minuten hereinkämen, seien keineswegs fehlerfrei. Es kann sein, dass Paneele ausfallen oder der Wechselrichter zeitweilig keine Daten schickt.

Als zentrales Instrument der Auswertung der Daten werden von den Forschern Machine-Learning-Methoden eingesetzt, also neuronale Netze, die in den Datenbergen nach relevanten Mustern suchen. Die Algorithmen helfen auf mehreren Ebenen, schildert Praher.

"Es gibt ein Machine-Learning-Modell für jeden einzelnen Standort, das die Charakteristik der Anlage zu bestimmen versucht." Jede von ihnen habe eine spezifische, standortbezogene Leistungskurve, von der ausgehend man meteorologisch bedingte Beeinträchtigungen errechnen könne.

Verschattungskarte

Mit den bereinigten Daten wird dann ein breiteres Vorhersagemodell gefüttert. Die Machine-Learning-Algorithmen sagen aufgrund aktueller Muster und historischer Daten die zukünftigen Leistungen der Anlagen voraus. "Es entsteht eine Art Verschattungskarte einer Region, die einem Satellitenbild ähnelt. Aus ihr geht klar hervor, wie die Wolken über das Land hinwegziehen", sagt Praher. "Wenn etwa erste Anlagen im Nordwesten Einbußen verzeichnen, lässt sich durch Geschwindigkeit und Richtung der Wolkenbewegung genau sagen, wann in weiteren Teilen der Region eine Verschattung eintritt."

Zur Optimierung treten mehrere Machine-Learning-Ansätze gegeneinander an. "Wir trainieren verschiedene Modelle und vergleichen die Prognosekraft", sagt Praher.

Für längere Prognosezeiträume kommen zwei weitere Datenquellen hinzu: zum einen Bildauswertungen von Skycams, also Weitwinkelkameras, die bei den PV-Anlagen direkt in den Himmel blicken und weiträumige Informationen über Umrisse und Zugrichtung der Wolken liefern, zum anderen klassische meteorologische Wettermodelle. Praher: "Wir werden vergleichen, für welchen zeitlichen Vorhersagehorizont sich welche Methode am besten eignet." (Alois Pumhösel, 18.9.2019)