Donald Trump, der Twitterant, sitzt mit geladener Flinte im Weißen Haus, jederzeit bereit, abzudrücken, wenn jemand einem US-Verbündeten zu nahe tritt. Trump, der Präsident, hat seine schon im Wahlkampf 2016 vertretene Meinung hingegen kaum geändert: Sollen die sich weltweit doch selbst um ihren Dreck kümmern, und die im Nahen Osten besonders – oder zumindest dafür bezahlen, wenn sie etwas von uns wollen. Darum musste auch Sicherheitsberater John Bolton gehen: Trump konnte den alten Interventionisten einfach nicht mehr ertragen.

Wie sich Trumps Reaktionen auf die Angriffe auf die Ölanlagen in Saudi-Arabien über nur wenige Stunden entwickelten, reflektiert die zwei Seelen in seiner Brust. Zuerst lag der Militärschlag gegen Teheran beinahe schon in der Luft, kurze Zeit später war sich der US-Präsident nicht mehr sicher, wer's überhaupt war. Was unter normalen Umständen eine notwendige Tugend für einen Staatsmann ist – Fakten checken, denken, handeln -, wird so zur üblichen Trump-Farce. Mit dieser martialischen Einleitung sehen Realitätssinn und Vernunft wie Zögerlichkeit aus. Und Letzteres ist genau das, was die nahöstlichen Verbündeten Trumps Vorgänger Barack Obama immer vorgehalten haben.

US-Präsident Donald Trump hat die Folgen seiner eigenen Iran-Politik eklatant unterschätzt.
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Das soll nicht heißen, dass Trumps Freunde im Nahen Osten nur Probleme mit ihm haben und nicht auch umgekehrt er mit ihnen. So hat die US-Regierung die saudische Fähigkeit, die Kampagne des "maximalen Drucks" gegen den Iran mitzutragen, stark überschätzt. Trump hat sich von seinem forschen royalen Freund Mohammed bin Salman – das ist der, der die US-Waffen aus dem Katalog bestellt – in Bezug auf die saudischen Möglichkeiten Sand in die Augen streuen lassen. Saudi-Arabiens sicherheitspolitische Defizite, die eigentlich für alle arabischen Golfstaaten gelten, zeigen sich mit unerwarteter Klarheit.

Preis für Iran-feindliche US-Politik

Nicht nur, dass das hochgerüstete Königreich einem Angriff wie jenem von Samstag so gut wie wehrlos gegenüberstand. Saudi-Arabien, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate können sich auch aus anderen Gründen einen Konflikt mit dem Iran kaum leisten. Das Geschäftsmodell erlaubt so etwas nicht. Es steht und fällt mit Stabilität. Gerade in der Phase, in der ein international in Schieflage geratener Kronprinz den Staat in eine neue Ära führen soll, kommt eine Eskalation zur Unzeit. Anders als der Iran hält Saudi-Arabien das politisch nicht aus. Das ist der Unterschied zwischen den salafistischen Monarchien und einer auf einer Revolution gegründeten Islamischen Republik.

Denn gleichzeitig hat Trump den Iran beziehungsweise die Folgen seiner eigenen Iran-Politik eklatant unterschätzt. Ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani am Rande der Uno-Vollversammlung in New York erwog Trump ja nicht etwa nur, weil das vor den US-Präsidentschaftswahlen 2020 seinen Ruf als Dealmaker, vielleicht sogar Friedensstifter, befördern würde. Vielmehr wurden die USA davon überrascht, mit welcher Konsequenz die Iraner mithilfe ihrer regionalen Stellvertreter den Preis für die Iran-feindliche US-Politik in die Höhe treiben: mit dem Angriff aufs saudische Öl nun auch global.

Darauf war Trump nicht vorbereitet. Fast angewidert spielt er den Ball zurück an die Saudis, mit denen "er etwas ausarbeiten" wird – und sieht als Draufgabe auch noch so aus, als würde er auf saudischen Zuruf handeln. (Gudrun Harrer, 17.9.2019)