Foto: APA/AFP/JAIME REINA

Madrid – Spanien wird zum vierten Mal in nur vier Jahren wählen. Nach einer Gesprächsrunde mit den Sprechern aller im Parlament vertretenen Parteien, teilte König Felipe VI. mit, dass er keinen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlagen werde, da keiner die Aussicht auf eine Parlamentsmehrheit habe. Stattdessen wird er als Staatschef am kommenden Montag die Auflösung des Parlament in die Wege leiten und damit den Weg für Neuwahlen am 10. November frei machen.

Damit ist der amtierende Ministerpräsident Pedro Sánchez endgültig am Versuch, erneut zum Regierungschef gewählt zu werden, gescheitert. Im Juni 2018 per Misstrauensvotum ins Amt gekommen, gewann der Vorsitzende der sozialistischen PSOE im vergangenen 28. April die Wahlen. Allerdings verfügt er nur über 123 der insgesamt 350 Abgeordneten. Ein Partner musste her.

In einem Tweet schreibt Sánchez, dass sich die Spanier bereits vier Mal klar geäußert und entschieden hätten, mit einer Regierung unter Führung seiner Sozialistischen Arbeiterpartei voranzukommen. "Wir werden Euch bitten, am 10. November noch deutlicher zu werden, damit es keine Blockaden mehr gibt."

Doch in fünf Monaten konnte Sánchez nur den einzigen Abgeordneten einer kleinen Regionalpartei überzeugen, ihn zu unterstützen. Mit der linksalternativen Unidas Podemos (UP), deren 42 Stimmen Sánchez dringend braucht, kam es zu keiner Einigung. Sie enthielten sich im Juli bei einer ersten Abstimmung, da ihnen das Angebot von Sánchez – drei Ministerien – nicht ausreichte. Statt nach der Sommerpause mehr anzubieten, weigerte sich Sánchez endgültig linksalternative Minister ins Kabinett aufzunehmen und verlangte von UP die Unterzeichnen eines gemeinsam ausgehandeltes Regierungsprogramms ohne nennenswerte Gegenleistung. Es war das Ende der Gespräche.

ORF

Als dann förmlich in letzter Minute die die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) "aus Staatsräson" anboten, per Enthaltung eine Regierung Sánchez zu ermöglichen, falls dieser über mehrere Programmpunkte mit ihnen verhandle, wies Sánchez dies zurück und verlangte stattdessen eine "rein technische Enthaltung" ohne Abkommen.

Neuwahlen im Visier?

"Wir haben alles versucht, aber sie ermöglichten es uns nicht", beklagte sich Sánchez am Dienstag Abend in einer Pressekonferenz. Alle andere großen Parteien sehen dies freilich anders. Sie beschuldigen Sánchez angesichts der guten Umfragewerte für die Sozialisten, von Anfang an auf Neuwahlen gesetzt zu haben. "Jetzt hat er das erreicht", erklärte der Vorsitzende der konservativen Partido Popular (PP), Pablo Casado. "Ein Kandidat, der keine Einigungen erzielen kann, ist ein gescheiterter Kandidat", resümiert Cs-Chef Albert Rivera.

Und für den Chef der linksalternativen UP, Pablo Iglesias, sind die ist die Haltung von Sánchez "ein historischer Fehler von enormen Ausmaßen, aus Besessenheit die Macht zu monopolisieren, etwas, was ihm die Spanier nicht gegeben haben".

Sánchez stört dies alles nicht. Er hofft, dass sich die Umfragen bewahrheiten und seine Sozialisten bei den Neuwahlen auf Kosten ihre Fraktion auf Kosten von UP stärken können. "Am 10. November haben wir die Gelegenheit, die Dinge viel klarer zu sagen", richtete sich Sánchez in seiner Pressekonferenz an die Wähler und Wählerinnen.

Motivierte rechte Wähler

Doch es könnte auch ganz anders kommen. Die spanische Wirtschaft schwächelt, die Arbeitslosigkeit steigt, der Unsicherheit hervorgerufen durch den Brexit könnte diese Tendenz noch verstärken. Außerdem wird sich der Konflikt um Katalonien diesen Herbst nach der Veröffentlichung des Urteils gegen zwölf Unabhängigkeitspolitiker und – aktivisten sicher zuspitzen.

Doch was am Schwersten wiegt: Bei den Wahlen im vergangenen April stieg die Beteiligung aus Angst vor einer Rechtsregierung von PP und Cs mit Unterstützung der rechtsextremen Vox. Jetzt macht sich auf der Linken der Frust breit. So mancher könnte im November zu Hause bleiben, während das rechte Wählerspektrum weiterhin hoch motiviert ist. Anstatt gestärkt aus den Wahlen hervorzugehen, könnte sich Sánchez auf der Oppositionsbank wiederfinden, während Vox das Geschick Spaniens mitentscheidet. (Reiner Wandler aus Madrid, 17.9.2019)