In der Serie alles gut? denkt STANDARD-Redakteur Andreas Sator über eine bessere Welt nach – und darüber, welchen Beitrag er leisten kann. Melden Sie sich hier für seinen kostenlosen Newsletter an.

Angst, Fatalismus, ja, teilweise für Panik sorgt der Klimawandel bei manchen Menschen. Alles muss sich ändern, das Wirtschaftssystem gehört in den Mistkübel, in ein paar Jahren ist es zu spät. Seit knapp einem Jahr beschäftige ich mich tiefergehend mit der Klimakrise. Das ist nicht immer lustig und macht Sorgen. Aber ich glaube, dass viele unterschätzen, was möglich ist. Die Welt kann sich der Aufgabe großteils schon heute stellen.

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Einen großen Sprung hat Österreich in der Debatte über den Klimawandel im vergangenen Jahr gemacht. Nun ist die Politik am Zug.
Foto: Reuters / PAUL HACKETT

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Meine Auseinandersetzung mit der Klimakrise im vergangenen Jahr hat zwei Dinge bei mir ausgelöst. Erstens habe ich jetzt mehr Angst vor ihr, weil das Ganze tatsächlich zu einer Katastrophe für die Menschheit werden könnte. Zweitens habe ich daraus viel Hoffnung geschöpft, weil ich gesehen habe, was wir alles heute schon dagegen machen können.

Denn viele Lösungen liegen auf dem Tisch. Der Ökonom Stefan Schleicher teilt das Klimaproblem in drei gleich große Stücke auf. Zwei können wir schon lösen.

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Noch-Klimasünder: das Auto.
Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/JUSTIN SULL

Problem eins: der Verkehr.

Unsere Benziner können wir mit Elektroautos ersetzen, die Lkws genauso – oder vielleicht auf der Autobahn eine Oberleitung dafür einrichten, so wie für Straßenbahnen. Denn noch sind die Akkus relativ schwer. So oder so: Hier sind fossile Energien relativ leicht mit Solar- oder Windenergie ersetzbar. Die werden auch immer billiger. Noch sind die Akkus nicht so gut, wie sie sein sollten, und Ladestationen fehlen auch – aber das ist alles machbar.

Und vielleicht fahren wir ja auch einmal mit Wasserstoff statt mit Strom. Noch ist das Speichern von Energie ein Problem – was tut man, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht? –, aber auch da wird an kreativen Lösungen gearbeitet. Bei Flugzeugen ist das alles noch sehr schwierig, aber wenn nur mehr die die Erde erhitzen, wäre das Problem viel kleiner.

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Gebäude sind für etwa ein Drittel aller Treibhausgase verantwortlich.
Foto: dpa/Armin Weigel

Problem zwei: unsere Gebäude.

Wir wollen es im Winter warm, im Sommer kühl und jederzeit heißes Wasser und Strom haben. Für all das stoßen wir Treibhausgase aus. Auch das müsste nicht so sein. Auf dem Dach könnten sich Solarpaneele befinden. Heizen könnten wir mit Wärmepumpen, die die Wärme tief aus der Erde holen. Fabriken erzeugen nebenbei Abwärme, auch die könnte man nutzen, genau wie aus Abwasser Energie nutzbar gemacht werden könnte.

Für sich genommen sind sowohl Verkehr als auch Wohnen klimaneutral machbar. Dann hätten wir schon einmal zwei Drittel des Problems gelöst! Beides würde natürlich dazu führen, dass wir wahnsinnige Mengen an zusätzlichem Strom brauchen. Strom erneuerbar herzustellen hat aber Grenzen. Es bräuchte in Österreich Millionen Solaranlagen – für Stefan Schleicher "völlig unrealistisch" – und viele neue Windparks, die unter Anrainern fast immer für Proteste sorgen.

Der Wasserkraft setzt der Naturschutz Grenzen. Alles in allem, sagt Schleicher, müsse man also den Verbrauch stark nach unten schrauben. Heißt etwa, nicht den Benziner mit einem Elektroauto ersetzen, sondern so bauen, dass man das Auto nicht mehr braucht. So könnten die beiden Bereiche Verkehr und Wohnen gemeinsam angegangen werden. Vorzeigeprojekte gibt es auch da schon: in der Schweiz und in Freiburg etwa. Schwierig, aber schaffbar.

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Die Voestalpine sucht neue Wege.
Foto: Reuters / LISI NIESNER

Bleibt Problem drei: grob gesagt Industrie und Landwirtschaft.

Erstere umfasst vor allem die Erzeugung von Zement und Stahl. Für jede Tonne Zement fällt derzeit auch eine Tonne CO2 an. Wenn Ton und Kalk bei 1.500 Grad gebrannt werden, entsteht ein Klinker, aus dem Zement wird. Ein Nebenprodukt ist CO2. Das lässt sich derzeit nicht vermeiden – es wird nach neuen Technologien geforscht, vielleicht lässt sich das CO2 künftig auch absaugen, das ist aber noch Zukunftsmusik und sehr teuer.

Auch bei der Produktion von Stahl entsteht sehr viel CO2. Ob das anders geht, erforscht gerade die Linzer Voestalpine mithilfe von EU-Geldern. Beim Projekt "H2Future" wird versucht, CO2-neutralen Stahl zu erzeugen. Schleicher sagt, man könne zudem mit zwei Dritteln weniger Zement bauen, wenn man sparsam damit umgehe, Schrottstahl könne man zu neuem recyceln. Die EU-Kommission verfolgt das in ihrem Aktionsplan für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft.

Klimasünder Kuh.
Foto: APA/dpa/Fabian Sommer

Für die Landwirtschaft erforscht etwa Ermias Kebreab an der University of California in Davis, ob man Rinder nicht einfach mit Seetang füttern könnte. In einem Pilotversuch haben sie daraufhin deutlich weniger klimaschädliches Methan ausgestoßen

Die Ökoregion Kaindorf in der Steiermark zeigt vor, was noch geht: Landwirte bekommen Geld, wenn sie in ihren Böden mehr Kohlenstoff binden und so die Erde kühlen. Gleichzeitig gibt es Fleischersatzprodukte, die dem Geschmack des Originals immer näher kommen. All das sind lauter kleine Puzzleteile, die für sich genommen noch viel Arbeit und politisch schwierig umzusetzen, aber alles andere als unmöglich zu bewältigen sind.

Dass also irgendwann in der Zukunft einmal die komplette Wirtschaft derart auf den Kopf gestellt wird, dass sie die Erde nicht mehr weiter erhitzt, ist eine extrem große, aber machbare Aufgabe. In Indien etwa ist Solarenergie schon heute billiger als Kohle. Manches afrikanische Land, das sich seine Infrastruktur oft noch quasi von null aufbauen muss, könnte es mit finanzieller Hilfe von reicheren Ländern gleich klimafreundlich machen.

So wie viele Menschen dort nie ein Festnetztelefon nutzten und gleich zu praktischeren Handys griffen, könnten auch auf fossile Energien bauende Wirtschaftsstrukturen, die uns reich – aber die Erde heiß – gemacht haben, übersprungen werden.

Nicht nur Altkanzler Kurz lehnt eine CO2-Steuer ab.
Foto: APA/AFP/JOE KLAMAR

Ist dann also alles halb so wild?

Nein. Denn zu wissen, wie man ein Problem angehen könnte, heißt nicht, dass das auch passiert. Schwierig macht es, dass die (relativ) wenigen, die unter einer zielorientierten Klimapolitik finanziell leiden, derzeit noch mehr Einfluss auf die Politik haben als die vielen, die in der Zukunft davon profitieren würden.

In dieser Serie versuche ich aufzuzeigen, was der oder die Einzelne für eine bessere Welt tun kann. Bei der Klimakrise? Den größten Beitrag, den die Einzelne leisten kann, ist, das Kollektiv, also die Politik, zum Handeln zu bringen. Dafür gibt es viele Methoden: Reden, diskutieren, demonstrieren, aber auch im Alltag Taten setzen – nicht mehr fliegen, das Auto stehen lassen, eine Solaranlage aufs Dach bauen – denn das macht andere auf das Problem aufmerksam und steckt an.

Was sich im vergangenen Jahr in Österreich und anderen Ländern getan hat, ist dank Fridays for Future und vieler Jugendlicher auf den Straßen kaum zu glauben. Der Klimawandel, und nicht das "Ausländerthema", dominiert den Wahlkampf. Ernsthaft beschäftigen sich aber die wenigsten Parteien mit dem Thema. Über kaum eine politische Maßnahme waren sich Wissenschafter je so einig wie über die Besteuerung von CO2. ÖVP, SPÖ und FPÖ sind dagegen und liegen gemeinsam bei 75 Prozent. Die Klimakrise ist lösbar, so wird das aber nichts.

Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, melden Sie sich für den Newsletter an. Ich schreibe Ihnen, wenn im Rahmen der Serie ein neuer erscheint. (Andreas Sator, 22.9.2019)