Vier Wochen lang gibt eine See-Elefantenkuh fortwährend Milch, ohne selbst Nahrung zu sich zu nehmen.
Foto: Dan Costa

1961 etablierte sich im Norden des kalifornischen Santa Cruz eine Kolonie von See-Elefanten. Gleich in der Nähe befindet sich ein Standort der University of California – viel günstigere Umstände konnte es also kaum geben, um das Leben der zweitgrößten Robbenart der Welt zu studieren. Die Bullen des Nördlichen See-Elefanten (Mirounga angustirostris) können es auf vier Meter Länge und zweieinhalb Tonnen Masse bringen. Nur der rings um die Antarktis lebende Südliche See-Elefant (Mirounga leonina) ist noch gewaltiger.

Seit 1963 wird die Kolonie von Santa Cruz von Forschern studiert. Nirgendwo sonst konnten Daten über einen derart langen Zeitraum kontinuierlich gesammelt werden. Und dieses Studium über ein halbes Jahrhundert hinweg hat nun zu einem weiteren interessanten Ergebnis geführt: Offenbar ist es eine sehr kleine Minderheit von Müttern, die die Mehrheit des Nachwuchses zur Welt bringt. Sechs Prozent der Weibchen stellen 55 Prozent der Babys; die Forscher um Burney Le Boeuf bezeichnen sie als "Supermamas".

Eine Frage der Wahrscheinlichkeit

Der Effekt hat allerdings nichts mit Hierarchien zu tun, wie sie bei anderen Tierarten dafür sorgen können, dass dominierende Weibchen rangniedrigere von der Fortpflanzung abhalten. Und die Supermamas haben auch keine besonderen Eigenschaften – außer einer: Glück. Sie sind es nämlich, die sämtliche Gefahren des See-Elefantenlebens überstehen und am Ende übrigbleiben, während ihre Artgenossinnen reihenweise ein vorzeitiger Tod ereilt.

Das beginnt schon sehr früh: Drei Viertel der weiblichen Jungtiere sterben, noch bevor sie geschlechtsreif werden, berichtet Le Boeuf. Die nächste Prüfung ist es, wenn die Weibchen trächtig werden. Dann verbringen sie vier Wochen durchgehend am Strand, um ihr Junges – in der Regel wird immer nur eines geboren – zu versorgen. In dieser Zeit fressen sie nicht, was natürlich stark an ihrer Substanz zehrt. Können sie dann endlich zum Fischfang ins Meer zurückkehren, sind sie stark geschwächt und den dort lauernden Gefahren wie Haien oder Orcas besonders stark ausgesetzt.

Extravollmilch nach See-Elefantenart: Sie besteht zu 55 Prozent aus Fett.
Foto: Burney Le Boeuf

Die meisten See-Elefantenkühe, so sie es überhaupt so weit schaffen, bekommen daher nur ein- bis dreimal Nachwuchs, ehe sie sterben. Einige allerdings halten durch. Und da sie in dieser Zeit noch weiterwachsen, werden sie auch robuster, was ihnen einen zusätzlichen Vorteil verschafft. Das langlebigste unter den insgesamt 7.735 untersuchten Weibchen der Kolonie erreichte ein Alter von 23 Jahren und brachte 17 Babys zur Welt. Eine andere "Supermama" war fit genug, um in 16 aufeinanderfolgenden Jahren je ein Kind zu gebären.

Dauerjob Mutter

Letztlich ist es also eine Frage des Glücks, die dafür sorgt, dass ein kleines Grüppchen von Weibchen den Fortbestand der Kolonie garantiert – und einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die genetische Zusammensetzung der nächsten Generation hat. Die Kehrseite der Medaille: "Freizeit" haben diese Weibchen nie, wie Le Boeuf berichtet. Sobald sie im Alter von drei bis vier Jahren fortpflanzungsfähig werden, sind sie für den Rest ihres Lebens entweder trächtig oder am Säugen. (jdo, 20. 9. 2019)

Selbst die Paarung bringt ihre Herausforderungen mit sich: Bei See-Elefanten wiegt ein Bulle dreimal mehr als ein Weibchen.
Foto: Burney Le Boeuf