Protodontopteryx ruthae stand am Anfang einer Entwicklung, die noch zu wahrer Größe führen sollte.
Illustration: Derek Orley, CC-BY-NC

Über einen sehr langen Zeitraum hinweg trug die Mehrzahl der Vogelarten noch echte Zähne im Schnabel. Durch den Einschlag des Dino-Killers vor 66 Millionen Jahren starben diese jedoch allesamt aus und nur die zahnlosen Vögel überlebten.

Weil Zähne aber ein recht praktisches Werkzeug sind, hat die Vogelwelt seitdem mehrfach Merkmale hervorgebracht, die eine ähnliche Funktion ausüben können. So haben die zu den Entenvögeln zählenden Säger einen Schnabel mit gezacktem Rand, der es den Fischfängern ermöglicht, ihre schlüpfrige Beute zu packen.

Eine Vogelgruppe der Erdneuzeit, bei der ein vergleichbares Merkmal besonders stark ausgeprägt war, waren die Pelagornithidae oder Pseudozahnvögel. Auch sie waren weitläufig mit den Enten verwandte und hatten seitlich am Schnabel Reihen von knöchernen Auswüchsen des Ober- und Unterkiefers. Diese hohlen Knochenspitzen ähnelten tatsächlich Zähnen, auch wenn es sich dabei um eine Neuentwicklung handelte, keine Rückkehr zur Bezahnung ihrer fernen Urahnen.

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Und das ist mit wahrer Größe gemeint: Pelagornis (in der Mitte) stellt heutige Riesen der Lüfte weit in den Schatten. Links unten ein Kalifornischer Kondor, rechts ein Königsalbatros.
Illustration: AP Photo/Bruce Museum, Liz Bradford

Auch bei den Pelagornithidae dienten die Peudozähne dem Ergreifen und Festhalten von Beute aus dem Meer. Diese Vögel entwickelten sich vor etwa 58 Millionen Jahren und brachten einige der größten Vogelarten hervor, die es je gegeben hat – möglicherweise sogar die größten überhaupt. Pelagornis sandersi etwa soll eine Flügelspannweite zwischen sechs und sieben Metern aufgewiesen haben und dadurch ein begnadeter Segelflieger gewesen sein. Lange Zeit konnten die Pelagornithidae ihre ökologische Nische behaupten, erst vor zwei bis drei Millionen Jahren starben sie aus.

Von einem Fund aus der vergleichsweise noch bescheidenen Anfangszeit dieser Tiergruppe berichtet nun das Senckenberg-Forschungsinstitut. Ein Team um den Frankfurter Forscher Gerald Mayr hat die Fossilien eines frühen Pseudozahnvogels am Waipara-Fluss auf der neuseeländischen Südinsel freigelegt.

Die Ablagerungen in der Region Nord-Canterbury stammen aus dem Paläozän, also der ersten Ära der Erdneuzeit unmittelbar nach dem Einschlag des Asteroiden, der die Evolution in eine neue Bahn gelenkt hat. Aus dieser Region stammen auch die ältesten bekannten Pinguinfossilien, darunter ein kürzlich entdeckter Riesenpinguin.

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Die Pelagornithidae hatten keine echten Zähne, aber eine ganz gute Annäherung an deren Funktion.
Foto: REUTERS/Mariana Bazo

Die Pinguine waren damals also in ihrer Entwicklung schon recht weit – die Pseudozahnvögel hingegen standen noch am Anfang ihrer Geschichte. Das nun entdeckte Tier, das die Bezeichnung Protodontopteryx ruthae erhielt, war noch viel kleiner als die späteren Arten – laut Mayr "etwa so groß wie eine mittelgroße Möwe" und noch nicht so stark auf den Segelflug spezialisiert.

Und Pseudozähne waren zwar eindeutig schon vorhanden, doch sahen sie noch etwas anders aus. Sie waren deutlich kürzer und breiter als bei späteren Arten. Daher gehen die Forscher davon aus, dass sich der kleine Seevogel nicht wie spätere Pseudozahnvögel von Tintenfischen ernährte, sondern dass überwiegend Fisch auf seinem Speiseplan stand.

Wichtig ist der Fund auch, weil er darauf hinweist, wo die lange Erfolgsgeschichte der Pelagornithidae einst begann. "Das neu entdeckte Fossil ist das älteste bekannte und stammesgeschichtlich ursprünglichste Fossil. Obwohl die meisten bisherigen Funde von der Nordhalbkugel stammen, gehen wir daher davon aus, dass diese Seevögel ihren Ursprung auf der Südhalbkugel hatten", schließt Mayr. (red, 22. 9. 2019)

Eine Rekonstruktion des Skeletts eine weiteren Riesen, Pelagornis chilensis, hängt im Senckenberg-Naturmuseum in Frankfurt.
Foto: Senckenberg