Tolle Newcomerin: Madison Cunningham.

Foto: Claire Marie Vogel

Das impressionistisch gestaltete Cover erinnert an Alben von Joni Mitchell. An deren Ladies of the Canyon oder Court and Spark. Tatsächlich hängt Joni Mitchell wie eine Karotte vor der Nase von Madison Cunningham, deren Umrisse auf dem Cover ihres Debütalbums in Blau auf beigem Grund abgebildet sind. Die 21-jährige US-Amerikanerin hat eben Who Are You Now veröffentlicht.

Altersbedingt liest sich ihre Biografie unauffällig. Man erfährt lediglich, dass sie mit 16 beschlossen hat, Songwriterin zu werden und eingedenk des Outputs von Mitchell und Bob Dylan anfing, dafür ernsthaft zu arbeiten. Songs zu schreiben sollte kein höheres Hobby sein, die Berufung sollte Beruf werden; so zwang sie sich dazu, täglich zu schreiben. Who Are You Now zeigt, dass sich die selbst angelegten Daumenschrauben rechnen.

Live from Here

Cunninghams Erstling ist ein ökonomisches, leichtfüßiges, dabei nie zerbrechlich wirkendes Album von beträchtlicher Eleganz. Generationsbedingt kennt die Dame nämlich auch das Werk von Kolleginnen wie PJ Harvey oder Liz Phair. Sie ist also nicht nur zerbrechlich, sie kann auch ruppig, wenn's sein soll. Zudem schätzt sie die Arbeiten von Eleni Mandell und Joe Henry. Die Songwriterin Mandell taucht als Co-Autorin eines Songs auf, Henry, der superbe Produzent und Narrateur, ebenso.

MadiCunninghamVEVO

Cunningham spielt Gitarre. In Liedern wie Plain Letters schneller, in Song In My Head abgebremst. Unabhängig vom Tempo sind ihre Songs hübsch ausgeleuchtet, besitzen Atmosphäre. Beseelte Keyboards hier, Violine dort.

Fisch im Wasser

Cunningham wirkt wie der Fisch, der endlich ins Wasser darf. Wie jemand, der sich lange beherrschte, lange geübt hat und nun loslegen darf. Diese Spielfreude ist dem Album anzumerken. Vor allem in der ersten Hälfte, die vom Zusammenspiel mit ihrer Band geprägt ist. Die zweite Hälfte fällt nicht ab, doch sie widmet sich klassischem Folk und lässt die Sammlung von zwölf Songs akustisch mit Bound ausklingen.

Erschienen ist das Album auf Verve Forecast, was angesichts der Geschichte des Labels und seiner vielen Entdeckungen Gutes verspricht. Möge die Verheißung sich erfüllen. (Karl Fluch, 18.9.2019)