Im Gastkommentar nimmt der frühere ÖVP-Politiker Erhard Busek Anstoß an den "flachen Ansätzen" der Wahlkampfdebatte.

Der gegenwärtige Wahlkampf, mehr noch die Berichterstattung darüber, beinhaltet Berichte, die dringend einer gewissen Korrektur bedürfen. Beispiel: Parteienfinanzierung! Gegenwärtig überschlagen sich die Meldungen über die Verschuldung der Parteien, wobei infolge der Frontrunner-Situation von Sebastian Kurz die ÖVP, besser die Türkisen, ein Hauptgegenstand der Betrachtung sind.

Ich glaube, einiges dazu sagen zu können, denn ich habe seinerzeit die Wiener Volkspartei mit Schulden übernommen und eine gewisse Zeit die Gehälter der Angestellten aus dem eigenen Sparbuch bezahlt. Ich hatte noch größere Schulden nach dem Obmann Joschi Riegler, besser gesagt nach dem Generalsekretär Helmut Kukacka, zu ertragen! Die Beträge hatten nicht die Größe von heute, aber damals waren es immerhin 135 Millionen Schilling, was 1991 ein beträchtlicher Betrag war. Alle diese Probleme wurden von mir bewältigt und sie sind auch für heute zu bewältigen. Eigenartig ist nur die nicht sehr logische Diskussion rundherum!

Wer in Österreich unterwegs ist, etwa hier am Wiener Ring, kommt an Wahlwerbung nicht vorbei. Plakate und Inserate sind kostenintensiv – auch Social Media hat nicht dazu geführt, dass Wahlkämpfe billiger werden.
Foto: Matthias Cremer

Weniger Inserate

Also: Es sollen die Wahlkampfkosten begrenzt werden, kostenintensiv sind nach wie vor Plakate und Inseratenaktionen. Ich darf einmal alle Journalisten, die die hohen Kosten kritisieren, einladen, bei den Geschäftsführungen ihrer Medien nachzufragen, wie sehr sie eine Verkürzung der Ausgaben für Inserate seitens der wahlwerbenden Gruppen begrüßen würden. Heute noch ist es üblich, seitens einiger Medien bei Parteien nachzufragen, warum andere Medien Inseratenaufträge erhalten haben und wo denn diese für das jeweilige Blatt bleiben. Dazu gehört dann auch die entsprechende Beurteilung von Wahlkämpfen, wo man dann den wahlwerbenden Gruppen nachsagt, einfach zu wenig investiert zu haben.

Interessanterweise haben die "Social Media" nicht zur Verbilligung von Wahlkämpfen geführt. Auch diese brauchen einen beträchtlichen Aufwand an Betreuung, an Ratgebern und Personal. Ich warte auf jenen Artikel, der die politischen Parteien auffordert, weniger oder gar keine Inserate mehr zu schalten!

Freiheit zur Parteigründung

Zur Finanzierung selbst: Eigentlich könnte es jedermann egal sein, wofür Frau Horten ihr Geld ausgibt. Hier werden Feindbilder bedient, "Kapitalistin mit Schmuck!", die offensichtlich für andere Investoren, zum Beispiel Gewerkschaftsfraktionen, nicht gelten.

Angesichts der 7500 Euro Begrenzung haben die Neos die richtige Frage gestellt – auch im Hinblick auf ihre eigene Geschichte -, wie es künftig überhaupt noch die Möglichkeit geben soll, Parteien zu gründen. Die Industriellen Hans Peter Haselsteiner und Frank Stronach waren die Letzten, die es unternommen haben. Eigentlich darf überlegt werden, wie es um die Freiheit zur Parteigründung überhaupt steht. Ich halte diese Finanzierung durch Menschen, die es sich leisten können, immer noch besser, als etwa die Idee, Parteigründungen aus Steuermitteln zu finanzieren.

Mehr Tiefe

Ich vermisse auch Stellungnahmen von jenen gescheiten Kommentatoren, die es im Unterschied zu früher etwa beim ORF, aber auch bei den Printmedien, reichlich gibt. Hier verdienen einige Politikwissenschafter und Inhaber von Beratungsunternehmen recht gut für Weisheiten, die eigentlich auch normal angestellten Journalisten zur Verfügung stehen müssten, wenn sie ein wenig nachdenken. Das ist auch ein teurer Teil des Wahlkampfes, denn ich nehme nicht an, dass diese Damen und Herren ihr Geschäft umsonst verrichten. Ich denke mir immer beim Anhören dieser Analysen: Warum gehen diese Herrschaften nicht selbst in die Politik, um es besser zu machen, wenn sie ohnehin alles so gut wissen?

Ein weiteres Problem: Die Inhalte des Wahlkampfes könnten durchaus mehr in die Tiefe gehen und berühren nur zu einem geringen Teil jene Probleme, die wir wirklich für unsere Zukunft haben. Hier wird man nachdenklich, nicht nur über die Rolle des Journalismus – angeblich die vierte Gewalt in der Demokratie -, sondern auch über das Problembewusstsein von Politikwissenschaftern, Kommunikationswissenschaftern et cetera. Dankenswerterweise hat Christoph Badelt, der Leiter des Wirtschaftsforschungs-Instituts (Wifo) darauf hingewiesen, dass es andere Probleme gibt als die, die behandelt werden. Die an sich so hochgelobten Kommentatoren verweisen äußerst selten auf das, was fehlt, sondern wissen es einfach besser, wie ich annehme, mit einem guten Honorar!

Es wäre dringend zu empfehlen, dass die verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen den Wahlkampf begleitend analysieren, denn diese flachen Ansätze sind eine Gefahr für das Demokratieverständnis, um es brutaler zu sagen, für die Tendenz der Bürgerinnen und Bürger, überhaupt aus der Politik auszusteigen! Da aber sollten sich alle hier genannten überlegen, ob sie damit nicht ihre eigene Lebensgrundlage auf die Dauer gefährden! (Erhard Busek, 18.9.2019)