Der amtierende Premier Pedro Sánchez musste am Mittwoch im Parlament sein Scheitern eingestehen. Die politischen Gegner beschuldigen ihn, von Anfang an Neuwahlen im Sinn gehabt zu haben.

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Spanien wird zum vierten Mal in nur vier Jahren wählen. Nach einer Gesprächsrunde mit den Sprechern aller im Parlament vertretenen Parteien teilte König Felipe VI. am Dienstagabend mit, dass er keinen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlagen werde, da keiner die Aussicht auf eine Parlamentsmehrheit habe. Stattdessen wird er als Staatschef am kommenden Montag die Auflösung des Parlaments in die Wege leiten und den Weg für Neuwahlen am 10. November frei machen.

Damit ist der amtierende Ministerpräsident Pedro Sánchez endgültig am Versuch, erneut zum Regierungschef gewählt zu werden, gescheitert. Im Juni 2018 per Misstrauensvotum ins Amt gekommen, gewann der Vorsitzende des sozialistischen PSOE im vergangenen April die Wahlen. Allerdings verfügt er nur über 123 der insgesamt 350 Abgeordneten.

Keine Einigung

Ein Partner musste her. Doch in fünf Monaten konnte Sánchez nur den einzigen Abgeordneten einer kleinen Regionalpartei überzeugen, ihn zu unterstützen. Mit der linksalternativen Unidas Podemos (UP), deren 42 Stimmen Sánchez dringend brauchte, kam es zu keiner Einigung.

Und als in letzter Minute die die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) "aus Staatsräson" das Gegengeschäft anboten, per Enthaltung eine Regierung Sánchez zu ermöglichen, falls dieser über mehrere Programmpunkte mit ihnen verhandle, wies Sánchez dies zurück.

"Wir haben alles versucht, aber sie ermöglichten es uns nicht", beklagte sich Sánchez am Dienstagabend in einer Pressekonferenz. Alle übrigen großen Parteien sehen dies freilich anders. Sie beschuldigen Sánchez angesichts der guten Umfragewerte für die Sozialisten, von Anfang an auf Neuwahlen gesetzt zu haben. "Jetzt hat er das erreicht", erklärte der Vorsitzende des konservativen Partido Popular (PP), Pablo Casado. "Ein Kandidat, der keine Einigungen erzielen kann, ist ein gescheiterter Kandidat", resümiert Cs-Chef Albert Rivera. Und für den Chef der UP, Pablo Iglesias, ist die Haltung von Sánchez "ein historischer Fehler von enormen Ausmaßen, aus Besessenheit die Macht zu monopolisieren, etwas, was ihm die Spanier nicht gegeben haben."

Die Schuldfrage wird wohl den gesamten Wahlkampf bestimmen. Sánchez hofft, dass sich die Umfragen bewahrheiten und seine Sozialisten auf Kosten von UP stärker werden. "Ich hoffe, dass die Spanier am 10. November dem PSOE die Möglichkeit geben, mit einer stärkeren Mehrheit zu regieren, ohne dass PP, Ciudadanos und Podemos die Möglichkeit haben, das Land zu blockieren", richtete er sich am Mittwoch in seiner letzten parlamentarischen Fragestunde vor den Neuwahlen an die Wähler und Wählerinnen.

Doch bis November kann viel passieren. Die spanische Wirtschaft schwächelt, die Arbeitslosigkeit steigt, die Unsicherheit, hervorgerufen durch den Brexit, könnte die Tendenz noch verstärken. In dieser volatilen Situation hat Spanien seit Februar, als Sánchez bei der Haushaltsabstimmung durchfiel und Neuwahlen im April notwendig wurden, keine ordentliche Regierung mehr. Dies wird sich jetzt bis Anfang kommenden Jahres verlängern.

Politischer Stillstand

In den vergangenen vier Jahren mit nunmehr vier Wahlen liegt das politische Leben so gut wie still. Das deutlichste Beispiel: Der derzeitige Haushalt stammt noch von den konservativen Vorgängern aus dem Jahr 2018 und wurde seither fortgeschrieben. Es ist ein strikter Sparhaushalt, und das, obwohl sich zwischenzeitlich die Wirtschaft erholte und Geld für neue Sozialpolitik da gewesen wäre. Stattdessen wird der Urnengang die Steuerzahler jetzt 200 Millionen Euro kosten.

Außerdem wird sich der Konflikt um die nordspanische Region Katalonien diesen Herbst nach der Veröffentlichung des Urteils gegen zwölf Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten sicher zuspitzen. Mitten im Wahlkampf wird Sánchez – im Falle einer Konfrontation mit der katalanischen Regierung – weder Härte zeigen noch Dialogbereitschaft signalisieren können. (Reiner Wandler aus Madrid, 18.9.2019)