Daumen hoch bei Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro und Argentiniens Staatschef Mauricio Macri – aber Daumen nach unten bei Österreichs Parlament. Die Abgeordneten wollen die Regierung verpflichten, Nein zum Mercosur-Pakt mit Südamerika zu sagen.

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Wien – Der EU-Unterausschuss im Nationalrat hat gegen das EU-Mercosur-Abkommen votiert. Damit wird die Regierung zu einem Nein zum EU-Mercosur-Abkommen auf EU-Ebene verpflichtet und dem Pakt ein Riegel vorgeschoben, denn Entscheidungen im EU-Rat müssen einstimmig erfolgen. Ob die Übergangsregierung den Beschluss vom Mittwoch umsetzen muss, ist allerdings fraglich. Denn die Abstimmung ist frühestens 2020 zu erwarten.

Dem Antrag der SPÖ und der Liste Jetzt haben die FPÖ und überraschend auch die ÖVP zugestimmt. Auch ein ähnlicher Antrag der FPÖ wurde von SPÖ und ÖVP angenommen. Jener der ÖVP, dass die Regierung dem Abkommen "in der vorliegenden Form" nicht zustimmen sollte, erhielt keine Mehrheit, weil er den anderen Parteien nicht weit genug ging. Gegen das Veto waren nur die Neos. Sie sind grundsätzlich für das Handelsabkommen, wollen aber Nachverhandlungen.

Der Nationalrat verpflichtet die aktuelle und künftige Bundesregierung zu einem Nein gegen das neue EU-Handelsabkommen mit südamerikanischen Ländern.
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Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried bezeichnete die Annahme des SPÖ-Antrags in einer Mitteilung als "großen Erfolg für den Konsumenten-, den Umwelt- und den Tierschutz sowie die Menschenrechte". Die Zustimmung der ÖVP sei "überraschend" gewesen, da diese während der gesamten Ausschusssitzung gegen den SPÖ-Antrag argumentiert habe.

Vorwürfe der Wahltaktik

Zuvor hatte es über die Interpretation Anträge nämlich noch wahlkampfbedingte Diskussionen gegeben. SPÖ und ÖVP warfen sich gegenseitig vor, in Wahrheit gar nicht gegen das Abkommen zu sein und nur aus Taktik zuzustimmen. Wenn die ÖVP behaupte, dass die SPÖ lediglich für Neuverhandlungen sei, dann stimme das nicht, ließen die Sozialdemokraten vor der Abstimmung wissen. Vielmehr treffe das auf die Volkspartei selbst zu. Diese behaupte, das Freihandelsabkommen abzulehnen, stelle aber nur geringe Änderungsbedingungen: "Da müssten also nur ein paar Kleinigkeiten geändert werden, und schon würde es möglicherweise passen", so die Kritik der SPÖ.

FPÖ-Klubobmann Norbert Hofer bedankte sich bei SPÖ und ÖVP für deren "Kooperation bei diesem wichtigen Thema" – zu dem ja eigentlich die SPÖ und nicht die FPÖ initiativ geworden war. Es dürfe "keinen Kniefall vor den Interessen der Industrie geben".

Greenpeace und Attack erfreut

Aus Sicht der Globalisierungsgegner des Netzwerks Attac muss der vorläufige Stopp "der erste Schritt sein, die konzerngetriebene EU-Handelspolitik grundsätzlich zu hinterfragen und neu auszurichten". Sie hatten so wie die Umweltschutz-Organisation Greenpeace vor dem Abkommen gewarnt. Letztere sieht mit dem heutigen Beschluss nun ihre zentrale Kampagnenforderung umgesetzt.

Im Handelsministerat der EU müsste das Mercosur-Abkommen einstimmig verabschiedet werden, eine Zustimmung der österreichischen Regierung ist also nötig. Das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Ländern (Mercado Común del Sur, Gemeinsamer Markt des Südens) soll idealerweise Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay mehr Wohlstand bringen und gleichzeitig europäischen Unternehmen Wachstumsmärkte öffnen.

Bisher müssen Importeure von EU-Waren zum Teil sehr hohe Zölle zahlen, die der Wettbewerbsfähigkeit schaden. Auf Autos sind es beispielsweise 35 Prozent, auf Maschinen 14 bis 20 Prozent und auf Wein 27 Prozent. Die Zölle sollen bei einer Ratifizierung des Abkommens schrittweise abgebaut werden. Gegner sehen in dem Abkommen einen Freibrief für Regierungen, die Abholzung des Regenwaldes voranzutreiben und andere Umweltvergehen zu verüben. Zudem sehen sie europäische Standards gefährdet.

Mercosur-Veto ist zwar bindend, aber nicht aktuell

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die aktuelle Übergangsregierung überhaupt in die Ziehung kommen wird. Denn für das Mercosur-Abkommen gibt es erst eine Ende Juni gefundene politische Einigung. Über Mercosur dürfte im EU-Rat frühestens Mitte 2020 abgestimmt werden. Bis dahin sollte es in Österreich nicht nur einen neu zusammengesetzten Nationalrat, sondern auch eine neue Regierung geben.

Ob der Beschluss für die nächste Regierung bindend ist, ist strittig, sagt Werner Zögernitz, früherer ÖVP-Klubdirektor und Leiter des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen. Dazu gebe es unterschiedliche Ansätze. Politisch wäre aber auch ein künftiger Minister gut beraten, den Beschluss umzusetzen. Wenn nicht, drohe als Konsequenz allenfalls ein Misstrauensantrag. Möglich wäre aber natürlich auch, dass der nächste Nationalrat einen anderen Beschluss fasst. (red, APA, 19.9.2019)