Der kürzlich verstorbene Milliardär und einstige VW-Chef Ferdinand Piëch sagte im Rahmen einer Pressekonferenz einmal sinngemäß, wenn es um einen Konflikt am wirtschaftlichen Sektor geht, sind am Ende weniger Konkurrenten vorhanden und es gibt immer Gewinner und Verlierer. Er aber habe die Absicht der Sieger zu sein. Eine starke Ansage, die das Wesen und die Philosophie des willensstarken Patriarchen gut abbildete. In einer Epoche, in der Wenige sehr viel haben und Viele sehr wenig, stellt sich die Frage, wie wir alle unsere Gesellschaft gestalten wollen. Wollen wir eine dichotome Trennung in Gewinner und Verlierer oder setzen wir auf einen fairen Umgang miteinander gerade in sozioökonomischer Sicht?

Sozialer Klimawandel und Corporate-Social-Responsibility

Das Thema der Corporate-Social-Responsibility wird von vielen großen Unternehmen aktuell ganz hoch gehalten. Die soziale Verantwortung, die man als Unternehmen hat, ist zumindest als Überschrift weithin bekannt. Inwiefern diese praktisch und nachhaltig gelebt wird, steht auf einem anderen Blatt. Der ehemalige Porsche-Betriebsratsvorsitzende Uwe Hück formulierte seinen Ansatz zum Thema der sozialen Verantwortung in folgendem Zitat auf markante Art und Weise: "Wir werden uns die Leute holen, die die anderen nicht haben wollen, die Hauptschüler, diejenigen, die verloren sind. Und aus denen machen wir Diamanten." Doch wer setzt heute wirklich noch auf die versteckten Potenziale in den Menschen sowie auf scheinbar Schwächere?

Gewerkschaft 4.0

Die kognitiv wie physisch gestandenen Typen eines Formates von Hück werden immer weniger. Aalglatte Opportunisten setzen sich zusehends durch, deren Interesse für die soziale Gerechtigkeit oft nicht mehr als ein Mittel zum Zweck für den eigenen gesellschaftlichen Aufstieg ist. Welche Rolle spielt die Gewerkschaft in Zeiten des zunehmenden digitalen Fortschritts und in einem Zeitfenster, wo jeder scheinbar nur mehr für sich selbst kämpft?

COMVIVO

Roman Hebenstreit verkörpert in gewisser Form den österreichischen Hück – einen neuen Typ des Gewerkschaftsfunktionärs, der versucht mit anderen Ansätzen und unter Einsatz neuer Medien die stolze Arbeitnehmervertretung ins angebrochene Jahrtausend zu führen. Ein Gewerkschafter 4.0 sozusagen. Trotz der modernen Selbstpräsentation ist dem gelernten Maschinenschlosser und Triebfahrzeugführer klar, dass keine Gesellschaft gedeihen und glücklich sein kann, wenn politische Maßnahmen die Mittelschicht zerstören und die Armut in der Bevölkerung ansteigt. Der ÖBB-Konzernbetriebsratsvorsitzende und somit Arbeitnehmervertreter von circa 40.000 Mitarbeitern und Vorsitzende der Gewerkschaft vida mit circa 135.000 Mitgliedern, kennt trotz eloquenter Medienperformance die soziale Realität und die auf uns zukommenden Herausforderungen rund um den sozialen Klimawandel, Pflege, Verteilungsgerechtigkeit und Altersarmut nur zu gut.

Vereintes Humanpotenzial versus internationales Finanzkapital

Die Bedeutung des Zusammenhaltes Einzelner, um gemeinsam stärker auftreten zu können, ist in der heutigen Zeit, in der es mehr prekär Beschäftigte denn je und Einzelkämpfer in Gestalt von EPUs gibt, ungemein wichtig. Daher ist das Modell eines Solidarverbandes von Menschen immer noch up to date, auch wenn man in der digitalen Welt oft das Gefühl hat, alleine dazustehen. Der Globalisierung ist mit internationaler Solidarität entgegenzuhalten, denn die Chancengleichheit ist noch immer eine Utopie. Menschliches Potenzial ist jedoch zwischen Arm und Reich gleichermaßen verteilt – dies gilt für die Zigarrenrollerin aus Kuba wie für den ÖBB-Mitarbeiter in Österreich. Hebenstreit will in seiner Funktion dafür sorgen, dass der Zug in der Gesellschaft nicht nach nirgendwo sondern in die richtige Richtung fährt. (Daniel Witzeling, 2.10.2019)

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