Der Freddy mit seinem Caddy.

Foto: Regine Hendrich

Wenn Bürgermeister Alfred Reinisch mit seinem Golfcart in der Gemeinde Tattendorf unterwegs ist, grüßen ihn die Leute freundlich. "Der Freddy mit seinem Caddy", wird er auch genannt. Das elektrisch betriebene Cart erleichtert dem 61-Jährigen einerseits das tägliche Leben und spart gleichzeitig CO2, weil er sein Auto zu Hause stehen lassen kann.

Für weitere Strecken nimmt er oft das E-Auto, das die Gemeinde vergangenes Jahr gekauft hat. Für 120 Euro jährlich kann jeder Bürger den kleinen Nissan Leaf mitbenutzen. Einfach im Internet reservieren, und zum Auftanken gibt es vor dem Gemeindeamt eine E-Tankstelle, die aus einer Photovoltaikanlage auf dem Dach gespeist wird. Mit Maßnahmen wie diesen zeigt die 1.450-Einwohner-Gemeinde, wie man mit vielen kleinen Schritten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Der hat in Tattendorf seit 30 Jahren Tradition. Schon 1988 hat der damalige Bürgermeister Erich Schneider ein Kulturlandschaftsprojekt angestoßen. Er ließ landwirtschaftliche Flächen für den Naturschutz widmen und für 20 Jahre unter Schutz stellen. Auf diesen Flächen wurden dann Obstbäume oder Büsche gepflanzt, sogenannte Blühstreifen angelegt, also Wiesen, die man wild wachsen lässt, oder Schutzräume für Brutvögel eingerichtet.

Durch die Vegetation werden nicht nur die Böden vor Erosion durch Wasser und Wind geschützt, die üppigen Wiesen bieten auch einen willkommenen Lebensraum für alle möglichen Insekten. Manche davon, wie die Berghexe, ein unscheinbarer, brauner Schmetterling, gibt es österreichweit nur noch an drei bis vier Standorten. "Das war damals wirklich richtungsweisend. Diese Handschrift von Erich Schneider zieht sich bis heute durch", sagt Alfred Reinisch, der damals noch Gemeinderat war.

Tattendorf ist bekannt für guten Wein.
Foto: Regine Hendrich

Bio rund um die Uhr

Neben seinem Engagement für Klimaschutz ist Tattendorf auch bekannt für seinen guten Wein. Alfred Reinisch führt neben seiner Tätigkeit als Bürgermeister einen Winzerbetrieb. Seinen Wein kann man direkt auf dem Hauptplatz in einem 24-Stunden-Biosupermarkt kaufen. In zwei mit Holz verkleideten Containern steht den Kunden ein Sortiment von 800 Bioprodukten zur Verfügung. Für den Einkauf braucht man nur eine Bankomatkarte, um die Türen des Biomarkts zu öffnen, dann scannt man seine Waren selbstständig ein und bezahlt mit Karte.

Durch die zentrale Lage des Supermarkts sparen sich die Einwohner Autofahrten zu anderen Supermärkten und können selbst am Sonntag eine Packung Biomilch kaufen. "Mittlerweile sind schon einige Anfragen von anderen Gemeinden gekommen, die das Konzept interessiert", erklärt Hannes Holler, der mit seiner Frau Astrid den Biomarkt betreibt und selbst nur wenige Hundert Meter vom Hauptplatz entfernt wohnt.

800 Bioprodukte sind in Tattendorf 24 Stunden am Tag verfügbar.
Foto: Regine Hendrich

Wie erfolgreich eine Gemeinde beim Umweltschutz ist, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob es Bürger gibt, die sich dafür einsetzen. Und davon gibt es in Tattendorf einige, erklärt Bürgermeister Reinisch. Einer von ihnen ist Otto Moog. Der Professor für Gewässerökologie an der Universität für Bodenkultur in Wien lebt seit 34 Jahren in Tattendorf und hat als ehemaliger Umweltgemeinderat und jetziger biologischer Berater viele Projekte selbst initiiert. Zum Beispiel das Naturdenkmal.

"Eines der kleinste Naturschutzgebiete Niederösterreichs", sagt er sichtlich stolz und zeigt auf eine unscheinbare Wiese. Auf Moogs Inititative tauschte der Gemeinderat 2014 die 4.747 Quadratmeter große ehemalige Weidefläche der Agrargemeinschaft gegen ein Gemeindegrundstück und leitete das Naturschutzverfahren ein. Heute ist sie Lebensraum für 1.300 Tier- und Pflanzenarten, von denen 162 gefährdet sind.

Für das aktuellste Umweltprojekt mit dem Namen "Mei Erd" hat sich Tattendorf mit seinen Nachbargemeinden aus der Region Ebreichsdorf zusammengetan. Bürger können den Grünschnitt vom Rasenmähen am Bauhof abgeben, wo er kompostiert und dann als torffreier Biohumus für fünf Euro pro Kilo verkauft wird.

Man könnte die Liste an Tattendorfer Umweltprojekten noch lange weiterführen. Im Juli wurde die Gemeinde von der Naturschutzorganisation Global 2000 zur ersten "Nationalpark Garten Gemeinde" Österreichs ernannt, weil sie auf ihren Flächen auf Kunstdünger verzichtet, torffreie Erde verwendet und durch Verzicht auf Pestizide wie Glyphosat die Artenvielfalt fördert.

In der "Geburtstags-Au" wird für jedes Baby ein Baum gepflanzt.
Foto: Regine Hendrich

Ein Baum für jedes Baby

Durch die Auszeichnung sollen auch die Bürger dazu animiert werden, die Kriterien in ihren Privatgärten anzuwenden. "Kleinstflächen wie Gärten werden heute ein immer wichtigerer Rückzugsraum für viele Insektenarten" , erklärt Martin Aschauer von Global 2000 – ebenfalls ein Tattendorfer. Dass es in der kleinen Gemeinde so viele umweltbewusste Bürger gibt, ist kein Wunder, wird man hier doch schon von Geburt an für das Thema sensibilisiert. In der "Geburtstags-Au" pflanzt die Gemeinde für jeden neugeborenen Mitbürger einen Baum, der dann wieder schädliches CO2 bindet. "Wir geben der Au die Bäume zurück", wie Otto Moog sagt. (Johannes Pucher, 19.9.2019)

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