Architekt und Denkmalschützer Manfred Wehdorn wohnt überraschenderweise in einem Neubau am Rande des Wienerwalds. Die Wildschweine, sagt er, haben zum Glück schon andere Lieblingsgrundstücke gefunden.

"Offenbar habe ich mich in all den Jahrzehnten zu viel mit der Denkmalpflege beschäftigt, sodass ich es bei meinem eigenen Wohnhaus bevorzugt habe, mich einem Neubauprojekt zu widmen. Der Wehdorn baut für sich neu! Kann man das glauben? Gewiss, ich bin zwar bekannter für die Sanierung denkmalgeschützter Objekte, aber wenn man nach Jahrzehnten merkt, dass die eigene Wohnhülle immer noch passt, obwohl sich die familiären Verhältnisse verändert haben, dann weiß man, dass man damals, Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre, wohl gar nicht so schlechte Arbeit geleistet hat.

Die beigen Ledersofas im Haus des Wehdorns stammen aus der Knödelhütte.
Foto: Lisi Specht

Ich wohne hier mit meiner Frau Margaretha, in Hütteldorf, am Rande des Wienerwaldes. Das Schönste ist: Wir gehen durch die Haustür und sehen sofort in den Wienerwald hinein. Wenn wir durch das Hintertürl hinten rausgehen würden, wenn das die grüne Wildnis zuließe, dann könnten wir bis nach Mauerbach wandern.

Wir leben hier mit der Natur: Im Winter kommen immer noch Rehe und Füchse bis vors Haus. Die Wildschweine haben zum Glück schon andere Lieblingsecken gefunden. Als wir das Grundstück gekauft haben, stand hier übrigens eine einfache Siedlungshütte aus den Vierzigerjahren, und mein Wunsch war, dass das neue Haus sich diesem atmosphärischen Bild beugt. Daher haben wir unsere neu geschaffene Siedlungshütte vom ersten Tag an mit Kletterpflanzen, mit Glyzinien, überwuchern lassen. Modern war das damals nicht! Meine Kollegen haben sich gewundert.

"Das Haus hat einen leichten Postmoderne-Stempel", sagt Manfred Wehdorn.
Fotos: Lisi Specht

Das Haus ist ein klassischer, zweischaliger Ziegelbau mit tragenden Holzdecken und hat auf diese Weise genügend speicherfähige Masse, was im Sommer für ein angenehm kühles, im Winter für ein warmes Raumklima sorgt. Außerdem habe ich ins Kupferdach wasserführende Leitungen integriert, sodass eine elegante, versteckte Solaranlage entstand, mit deren Hilfe wir im Sommer unseren Warmwasserbedarf decken können. Eigentlich lauter Selbstverständlichkeiten, würde man meinen. Heute sagt man dazu Nachhaltigkeit und biologisches Bauen im Einklang mit der Natur.

Ich gebe zu: Das Haus hat einen leichten Postmoderne-Stempel, und das ruft in meiner Seele ein gewisses Lächeln hervor, denn ich hätte mir nie gedacht, dass ich als Denkmalpfleger und Freund der Zeitlosigkeit jemals der Mode einer Stilfrage anheimfallen würde. Doch ich tat es – wiewohl aus wohlüberlegten Gründen, denn die postmodern anmutende, geschwungene Form des Wintergartens in Form eines Klaviers hat einzig und allein damit zu tun, dass ich die hundert Jahre alte Linde auf dem Grundstück erhalten wollte und daher mit dem Haus ausgewichen bin. 30 Jahre später kämpft man gegen den Nimbus der Postmoderne an. Soll sein.

Die Plastikschalendrehstühle im Wohnzimmer sind Originale aus den Sechzigerjahren und als solche auch im New Yorker Museum of Modern Art zu sehen.
Fotos: Lisi Specht

Viele Häuser haben zu einer Scheidung geführt. Bei uns hat das Bauprojekt eigentlich gut funktioniert. Der eine hat etwas vorgeschlagen, der andere hat einen Gegenvorschlag gemacht, und dann gibt es halt einen Kompromiss, der beide ziemlich glücklich macht und beiden halt vielleicht auch ein bissl wehtut. Das bezieht sich auch auf die Einrichtung des Hauses.

Und so kommt es, dass wir im Wohnzimmer einen runden Tisch mit originalen Plastikschalendrehstühlen aus den Sechzigerjahren haben, die auch im Museum of Modern Art in New York ausgestellt sind. Die beigen Ledersofas haben wir aus der Knödelhütte mitgenommen, einem Ausflugsrestaurant im Wienerwald, wo wir auch einige Jahre gewohnt haben. Hinzu kommen Souvenirs und Mitbringsel wie etwa Teppiche, Trommeln, Vasen und keramische Köderenten aus Kalifornien, Äthiopien, Aserbaidschan.

Alles in allem, würde ich sagen, ist unser Wohnen durch und durch wohnbar – also inkonsequent gemischt, jedoch geprägt von vielen persönlichen Erinnerungen, auf die wir nicht verzichten wollen. Das alles ist Teil des Lebens." (23.9.2019)