Jim Carter als Mr. Carson vor Highclere Castle.

Foto: 2019 Focus Features

Wie es sich für einen Ensemblefilm gehört, war es ein großer Bahnhof, der vergangene Woche am Tag der Premiere von "Downton Abbey" in London aufgefahren wurde. 14 Darsteller, der Regisseur, die beiden Produzenten und natürlich der Autor Julian Fellowes standen der Presse Rede und Antwort. Der siebzigjährige Fellowes, Schöpfer der zugrunde liegenden Fernsehserie und seit 2011 Lord Fellowes, entschuldigte sich gleich zu Beginn für seine zunehmende Taubheit. Diese Offenheit machte ihn nur noch sympathischer.

STANDARD: Der Film kommt zu einem Zeitpunkt in die britischen Kinos, in der eine große Krise im Land herrscht. Entführt er in bessere Zeiten?

Fellowes: Ich hoffe es – zumindest geben wir dem Publikum zwei Stunden, die weit weg sind vom Brexit, was den meisten höchst willkommen sein dürfte. Das mag zwar eine unmoderne Ansicht sein, aber ich meine, die Unterhaltungsindustrie sollte zumindest teilweise unterhalten. Wenn die Leute nach dem Ende der Serie vier Jahre auf den Film gewartet haben, sollen sie nicht mit Depressionen aus dem Kino kommen, das wäre unfair gewesen.

STANDARD: Hätte es ohne den Erfolg von "Gosford Park", der Ihnen einen ‚Oscar‘ für das beste Originaldrehbuch einbrachte, "Downton Abbey" überhaupt gegeben?

Fellowes: Die Idee für "Downton Abbey" hatte tatsächlich mein Produzent Gareth Neame, als er "Gosford Park" sah. Der Erfolg des Films hat es definitiv erleichtert, für "Downton Abbey" einen Fernsehsender zu interessieren, denn damals war das Kostümdrama aus der Mode gekommen. Man glaubte, dafür gäbe es kein Publikum mehr. Ich dagegen war immer daran interessiert, wie das Leben vor dem Krieg aussah. Ich hatte das Glück, dass ich in einer Familie aufwuchs, die ein weit gefächertes soziales Umfeld hatte. Als ich jung war, waren noch viele ältere Verwandte am Leben, so konnte ich aus erster Hand ein Gefühl für diese Welt entwickeln. Eines Tages hätte ich das auf jeden Fall zu einer Geschichte verarbeitet.

KinoCheck

STANDARD: Hat es Sie viel Zeit gekostet, den Besuch der königlichen Familie auf Downton Abbey als zentrales Moment des Kinofilms zu etablieren?

Fellowes: Das war tatsächlich so. Für den Kinofilm suchte ich nach einem zentralen Ereignis, das alle Menschen in Downton Abbey betreffen würde, die Herrschaft, die Dienerschaft und die Menschen im Ort. Es sollte ein positives Ereignis sein, während etwa ein Brand etwas Negatives war – was ich nicht wollte.

STANDARD: Ein negatives Ereignis war in der vierten Staffel die Vergewaltigung von Anna, die viele Zuschauer empörte.

Fellowes: Es passierten in Downton Abbey durchaus schlimme Sachen, aber der Fokus der Serie lag immer auf dem emotionalen Effekt eines Ereignisses, nicht auf dem Ereignis selber. Die Vergewaltigung war nicht zu sehen, es ging darum, was das mit Anna, Bates und den anderen machte.

STANDARD: Mit "Gosford Park" und "Downton Abbey" haben Sie Ihr Talent für Ensemble-Stücke unter Beweis gestellt: Ist das vor allem eine Arbeit an der Konstruktion: wer von den Figuren bekommt welche Geschichte?

Fellowes: In einer Serie ist das etwas leichter, denn nicht jede Figur muss jede Woche eine große Geschichte haben. Die hat sie vielleicht zweimal in einer Staffel, ansonsten fügen sie sich in die Geschichten anderer Figuren ein. Außerdem muss man in einer Serie nicht in jeder Woche alles auflösen, man kann sich etwas durch die ganze Staffel durchziehen lassen, eine Geschichte kann sich über zwei oder drei Folgen erstrecken. Im Film dagegen muss praktisch jede Figur einen Grund für ihre Existenz haben und alle Probleme müssen am Ende des Films gelöst sein.

STANDARD: Sie sind nicht nur Autor und gelegentlich Regisseur, sondern stehen auch regelmäßig als Darsteller vor der Kamera. Gibt Ihnen das eine ganz andere Befriedigung?

Fellowes: Das mache ich aus Zeitgründen kaum noch. Aber da ich 25 Jahre lang meinen Lebensunterhalt als Darsteller verdient habe, beeinflusst das schon meine Art, Dialoge zu schreiben. Bevor ich selber mit Schreiben anfing, habe ich viele Drehbücher gelesen, so habe ich einen ziemlich guten Instinkt dafür entwickelt, was man sagen kann und was nicht. Wenn sich Schauspieler über einen Dialogsatz beschweren, haben sie nicht unbedingt den richtigen Lösungsvorschlag, aber oft stimmt dann wirklich etwas nicht mit dem Dialog. Regisseure, die nicht auf Schauspieler hören, sind dumm.

STANDARD: Regisseur Richard Lester hat einmal bemerkt, auf seinem Grabstein würde stehen: "Er hat die Beatles-Filme gedreht". Hatten Sie je die Befürchtung, dass man sich an Sie nur wegen "Downton Abbey" erinnern wird?

Fellowes: Wenn man einen großen Erfolg hat, wird das für immer ein Teil von Dir – damit muss man leben. Zum Teil wurde ich davor bewahrt, weil ich den ‚Oscar‘ für "Gosford Park" gewonnen habe. Die Industrie hat schon mich gut behandelt: Wenn man in den Bergen von Peru ist und dort Menschen trifft, die sich über den Butler Carson aus "Downton Abbey" unterhalten, ist das schon ein großes Vergnügen. (Frank Arnold, 20.9.2019)