Auch Künstler sind am Erhalt der Halle interessiert – nicht nur die "Initiative SOS Nordbahnhalle".

Foto: SOS Nordbahnhalle

Eigentlich hätten mit August die Bagger auffahren sollen, um die alte Halle am Wiener Nordbahnhof dem Erdboden gleichzumachen. Um das in der zweijährigen Zwischennutzung entstandene Forschungs- und Kulturprojekt zu retten, gründete sich Ende Juni die Bürgerinitiative IG Nordbahnhalle, die den Abriss vorerst verhindern konnte.

Wer das Gelände jetzt betritt, sieht zwar die Abrissbagger, doch kümmern sie sich nur um den vorderen Teil der Halle, der für die Umkehrschleife der Straßenbahn weichen muss. Der hintere Teil der Nordbahnhalle ist bis auf weiteres verriegelt. Vor dem Areal steht eine freundliche Tafel, die erläutert, dass die Stadt Wien eine einjährige "Nachdenkpause" ausgerufen hat – "um einen Ausgleich der Interessen zu ermöglichen".

Was mit der sanierungsbedürftigen Halle passieren soll, ist noch unklar. Ursprünglich war der Abriss geplant, um Platz für die "Freie Mitte" zu machen: So nennen die Stadtentwickler den wilden Park auf dem ehemaligen Eisenbahngelände, von dem etwas mehr als 90.000 Quadratmeter erhalten bleiben sollen. Statt in die Breite wird rundherum in die Höhe gebaut, und die "Gstetten", so heißt der Park unter Anrainern, bleibt als Grünraum in der Stadt erhalten.

Würde der restliche Teil der Nordbahnhalle bestehen bleiben, bedeutete dies an die 1.300 Quadratmeter Verlust von Grünfläche. Deshalb sieht eine weitere Bürgerinitiative die Bemühungen um den Erhalt der Halle kritisch. Peter Rippl von der Initiative Lebenswerter Nordbahnhof versteht nicht, warum Kultur genau dort stattfinden muss, wo wertvoller Grünraum in der Stadt entstehen soll. Er befürchtet, dass die Halle irgendwann an kommerzielle Betreiber weitergegeben werden könnte – so erspare sich die Stadt die Instandhaltungs- und Renovierungskosten, die bei der maroden Substanz enorm sein dürften.

Konstruierter Konflikt

"An den Haaren herbeigezogen" sei der dargestellte Konflikt zwischen den zwei Bürgerinitiativen, sagt Elke Rauth, eine der Initiatoren der IG Nordbahnhalle. Für sie darf Kultur nicht gegen Natur ausgespielt werden. Das Kulturzentrum und die freie grüne Mitte ergänzen sich für Rauth perfekt. Sie schwärmt von einem Nachbarschaftszentrum für die "Gstetten". Auch Rippl wehrt sich gegen die Darstellung, es gebe zwei Initiativen, die sich bekämpfen. Dennoch glaubt er, dass man sich von der Halle als Gebäude aus praktischen Gründen trennen müsse. Die Verantwortung, sich um den Ort und die vielen Ideen, die hier entstanden sind, zu kümmern, liege bei der Stadt, sagt Rippl. Das sieht auch Elke Rauth so.

Mittlerweile wird die Petition für den Erhalt der Halle im zuständigen Gemeinderatsausschuss behandelt. Wie der von der Stadtregierung auf der Tafel angekündigte "Ausgleich der Interessen" aussehen wird, will Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) nicht verraten. Nach der einjährigen Zwischennutzung sei die Fläche bereits für Grünraum vorgesehen, so Hebein. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hat für die Zwischennutzung bereits 100.000 Euro zugesagt. Ob und wo es dann mit dem Kulturbetrieb weitergehen soll, bleibt unklar. (Laurin Lorenz, 19.9.2019)