Mehr als 400.000 Gästefans aus aller Welt, die 1,8 Millionen Stadiontickets beinahe vergriffen, bis zu drei Milliarden TV-Zuschauer rund um den Globus und ein kalkulierter Umsatz von rund vier Milliarden Dollar im Gastgeberland. Die Dimensionen des sechswöchigen Spektakels sind gewaltig – die am Freitag beginnende Rugby-WM in Japan ist ein Weltereignis,

"Die erste Rugby-WM in Asien wird Rekorde brechen", kündigte der Weltverbandsvorsitzende Bill Beaumont jüngst vollmundig an. Wurde 2015 in England noch ein gewaltiges Fest im Mutterland des kampf- und körperbetonten Sports gefeiert, steht nun der Aufbruch in ein neues Zeitalter bevor. Der Rugby-Sport soll einen neuen Kontinent erobern.

Vor vier Jahren hatte Japan sein Erweckungserlebnis. Damals schlugen die Asiaten in der Vorrunde des Turniers in England als 1000:1-Außenseiter den zweimaligen Champion Südafrika und sorgten damit für die größte Sensation der WM-Geschichte. In Japan brach das Rugby-Fieber aus. Nach nur 2,7 Millionen TV-Zusehern beim Coup gegen Südafrika sahen das folgende Duell mit Tonga mehr als 25 Millionen.

World Rugby

Obwohl die Japaner anschließend auf beinah tragische Weise und als erstes Team überhaupt mit drei Siegen aus vier Gruppenspielen als Gruppendritter hinter Südafrika und Schottland ausschieden, hatte der Rugby-Virus Nippon erfasst.

Vor dem Eröffnungsspiel am Freitag (12.45 Uhr MESZ / ProSieben Maxx) gegen Russland haben sich die "Brave Blossoms", die tapferen Blüten, viel Aufmerksamkeit erkämpft. Das Heimturnier, das bis zum 2. November in insgesamt zwölf Städten ausgetragen wird, soll nun der vorläufige Höhepunkt des japanischen Rugby-Booms werden.

Seit vielen Monaten rüstet sich Japan für das Event, das von den Gastgebern auch als Testlauf für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tokio gesehen wird. Die Organisatoren wiesen die Gastgeberstädte sogar an, ausreichend Biervorräte anzulegen, um auf den Ansturm der trinkfesten Fans vorbereitet zu sein. Die "Rugby-Kultur" sei in Japan eben "noch nicht weitläufig" bekannt, hieß es da.

Die "All Blacks", hier beim Haka nach ihrem WM-Sieg 2011, streben den dritten Titel en suite an. Zuletzt freilich schwächelte Neuseeland.
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Sportlich verspricht die WM Spannung wie selten zuvor, das hat vor allem mit einer ungewöhnlichen Schwächephase Neuseelands zu tun. Die legendären "All Blacks", die in England als erstes Team überhaupt ihren Titel erfolgreich verteidigt hatten, sahen zuletzt mehrmals nicht gut aus.

Einer Schlappe gegen Irland im November folgten ein mühsamer Sieg gegen Argentinien, ein Remis gegen Südafrika und ein desaströses 26:47 gegen Australien. Diese "Blackopalypse" sorgte für eine vorübergehende Schockstarre beim traditionellen Topfavoriten. Abschreiben sollte man Neuseeland allerdings keinesfalls. Das Rückspiel gegen Australien endete 36:0, und im letzten WM-Test gab es ein 92:7 gegen WM-Teilnehmer Tonga.

Neuseelands Chefcoach Steve Hansen ist sowieso die Gelassenheit in Person. "Wir freuen uns darauf, uns dieser Herausforderung zu stellen." Dass andere Nationen aufgeholt haben, sieht Hansen sogar als Vorteil für sein Team an. "Es gibt ein paar Mannschaften, die glauben, dass sie gewinnen werden. Sie haben hohe Erwartungen, sie haben Druck. Das ist gut für uns, denn wir leben damit die ganze Zeit."

Das sind die Hände des Südafrikaners Herschel Jantjies. Nicht auszuschließen, dass sie am 2. November den World Cup halten.
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FAQs zur Rugby-WM:

Frage: Welche Dimension hat der Rugby World Cup, die Rugby-WM?

Antwort: Die WM, seit 1987 alle vier Jahre ausgetragen, ist eines der weltweit größten Sportevents. Mit erwarteten 1,8 Millionen Besuchern und bis zu drei Milliarden TV-Zusehern rangiert sie quasi auf Rang drei hinter Olympischen Spielen und Fußball-WM.

Frage: Wie viele Teams nehmen teil, welche Nationen dominieren?

Antwort: Derzeit ermitteln die zwanzig besten Rugby-Teams den Weltmeister. Titelverteidiger und Rekordchampion ist Neuseeland (drei Titel). Die "All Blacks" zeigen vor Spielen und nach Erfolgen den rituellen Maori-Tanz Haka. WM-Titel holten auch Australien, Südafrika (je zwei) sowie England (einer).

Frage: Wo wird gespielt?

Antwort: Die WM steigt in zwölf Stadien in ganz Japan. Für Diskussionen sorgt die Tatsache, dass die Stadt Kamaishi acht Jahre nach ihrer Zerstörung durch das schwere Erdbeben und den Tsunami ein Spielort ist, obwohl viele Menschen dort noch immer in Notunterkünften leben.

Frage: Wie sieht der Modus aus?

Antwort: Nach der Vorrunde mit vier Fünfergruppen qualifizieren sich jeweils die Ersten und Zweiten fürs Viertelfinale (ab 19. Oktober). Das Finale steigt am 2. November in Yokohama.

Frage: Wer ist zu favorisieren?

Antwort: Neuseelands Motor stotterte zuletzt, es setzte einige Niederlagen, etwa ein 26:47 gegen Australien. Besonders Südafrika, am Samstag erster Gegner der "All Blacks", wittert eine Chance, auch England, Fidschi, Wales und dem aktuellen Weltranglistenersten Irland ist einiges zuzutrauen.

Frage: Nur zum Vergleich: Wie steht das österreichische Rugby da?

Antwort: Das Nationalteam, das 1992 die ersten Länderspiele bestritt, zählt zur dritten Stärkeklasse ("third tier"). Österreich spielt in Division 2C des European Nations Cup, ist Nummer 88 der Welt.

Frage: Wo ist die WM zu sehen?

Antwort: Der TV-Sender ProSieben Maxx (Digital-Satellit/Astra, UPC-Kanal 132) überträgt 31 der 48 Spiele live im Free-TV. (Fritz Neumann, sid, 19.9.2019)