Yungblud beim FM4 Frequency Festival 2019. "Jüngere Akzente" beim Sender wünschen sich auch ORF-Stiftungsräte und der ORF-General.

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Wien – Hinter dem achteckigen Panoramafenster mit Blick über den Süden Wiens wollte der legendäre ORF-Langzeitgeneral Gerd Bacher (1925–2015) einst die Rückeroberung Wiens organisieren, wenn der Russe einmarschiert. Brennende Autos sollten die Auffahrt zum ORF-Zentrum auf dem Küniglberg blockieren, während Generalintendant Bacher über die Kurzwellenfrequenzen von Radio Österreich International die Regierungen (und Armeen) der westlichen Welt um Hilfe ersucht.

Im November, ein paar Jahrzehnte nach Bachers Verteidigungsplänen, bezieht das jüngste ORF-Radio, FM4, die Räumlichkeiten hinter dem markanten Achteckfenster in Wien-Hietzing, Studios und Büros sind schon fertig. Und wieder riecht es hier ein bisschen nach Abwehrkampf an diesem Septemberdonnerstag. Drei Etagen darüber tagt da gerade das oberste ORF-Gremium, der Stiftungsrat.

Jüngeres Ö1 mit neuem Chef

Ö1 bekommt nun einen neuen Chef, sehr wahrscheinlich: den bisherigen Ö1-Wissenschaftschef Martin Bernhofer (59). Eine seiner anstehenden Aufgaben: das Kultur- und Informationsradio zu verjüngen.

Von dem Punkt ist es nicht weit zu FM4 im Stiftungsrat. Dessen Mitglieder vermissen schon länger jungen Flankenschutz des Alternative-Senders für das alternde Ö3, das Kronehit mit Fokus auf jüngere Zielgruppen angreift. FM4-Senderchefin Monika Eigensperger (60) ist seit 2017 zugleich Radiodirektorin des ORF.

"Wenn ich FM4 höre, kann es nicht richtig positioniert sein", stimmt Heinz Lederer (56, SPÖ) in die langjährige Kritik vor allem bürgerlicher und freiheitlicher Stiftungsräte ein, FM4 sei "richtig aufzustellen". Thomas Zach (47, ÖVP) fragt sich und den ORF: "Sind wir im Markt mit allen Flottenteilen gut aufgestellt?"

ORF-General Alexander Wrabetz (59) bleibt dazu nach der Sitzung wortkarg: "Strategisches" solle besser "im Gremium behandelt werden". Dort sprach der ORF-Chef von "jüngeren Akzenten" für FM4 mit dem Umzug.

Es klang nicht nach einem grundlegenden Richtungswechsel für den progressiv-kritischen Sender, sagen Sitzungsteilnehmer. Also ist womöglich gar kein Abwehrkampf nötig, auch ab November, hinter dem Achteckfenster mit Geschichte.

Privatsender-"Alarmismus"

Wehrbereit indes der ORF-General, Schulter an Schulter auch mit bürgerlichen und blauen Stiftungsräten, gegen die jüngsten Vorschläge der Privatsender für den ORF. Ihr Verband VÖP verlangt ernstere Werbebeschränkungen für den ORF, Budgetlimits für Premiumsport und Kaufserien sowie Mindestanteile für alle ORF-Kanäle für Information, Kultur, im Radio auch Wort.

"In den letzten Jahren ging es um Zusammenarbeit und gemeinsame Gegner" wie Google, Facebook, Amazon, wundert sich Wrabetz über die "Kehrtwende" der Privaten, die nun wieder auf das Verschwinden des Öffentlich-Rechtlichen hinarbeiteten: "Das ist – außer in Ungarn und Griechenland – in Europa einzigartig."

Für Zach steht außer Streit, dass "alle an einem funktionierenden Medienstandort interessiert sind". Ebenso stehe außer Streit, dass "der ORF mehr digitale Möglichkeiten braucht, um seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen". Also ist der bürgerliche Stiftungsrat in Sachen ORF-Gesetz "statt Alarmismus vor der Wahl für Konstruktivismus danach".

ORF-Stiftungsrat Franz Maurer (39, FPÖ) versteht, dass Markus Breitenecker (ProSiebenSat1Puls4) mit solchen VÖP-Forderungen "um seinen Bonus kämpft. Aber im Interesse der Steuer- und Gebührenzahler ist das nicht." Im Gegenteil: Die Forderungen "sind ein Schmarrn aus meiner Sicht". (Harald Fidler, 20.9.2019)