Der 33-Jährige Patrick O. Kainz ist jetzt sein eigener Chef.

Foto: Regine Hendrich

"Ich wollte wissen, wie es ist, in der ersten Reihe zu stehen. Nach knapp zehn Jahren Berufserfahrung in groß- und mittelgroßen Kanzleien bin ich gegangen. Und habe mich im Frühjahr mit meiner Kanzlei Law and Beyond als Rechtsanwalt selbstständig gemacht.

Das war ein längerer Prozess. Direkt nach meiner Rechtsanwaltsprüfung 2013 wollte ich noch keine eigene Kanzlei aufmachen. Ich wusste, es gibt noch so viel zu lernen, etwa, wie man Projekte mit Ansprechpartnern in mehreren Ländern abwickelt. Deshalb habe ich fünf weitere Jahre in größeren Kanzleien gearbeitet. Und für mich war es nicht so klar wie etwa für einen meiner Studienkollegen, dass ich später gründe. Ich habe mich früher nicht als Einzelkämpfer gesehen, sondern dachte, dass ich mich in einem guten Team am wohlsten fühle.

Heuer war für mich schließlich der richtige Zeitpunkt, um das auszuprobieren. Ich dachte mir: 'Das Schlimmste, das dir passieren kann, ist, dass du es eben ein paar Jahre versucht hast.' Man kann danach immer noch als Angestellter in eine Kanzlei – mit neuen Erfahrungen und bestenfalls einem eigenen Klientenstamm. Und wer gut gewirtschaftet hat, zahlt auch nicht drauf.

Zu mir kommen viele Start-ups

Gerade in der Anfangsphase ist es deshalb wichtig, aufs Geld zu schauen. Für manche ist ein Büro in einer Toplocation mit Stuck an der Decke ein Muss. Mir ist das weniger wichtig, und ich bezweifle, dass die Leute deswegen lieber zu mir kommen würden. Vielleicht hätte ich die hohen Mieten dann auch in meinen Preisen weiterverrechnen müssen. So kann ich recht kompetitive Stundensätze verlangen, die sich eine Großkanzlei nicht leisten kann. Zu mir kommen deshalb auch viele Start-ups.

Anfang März habe ich also mein kleines Büro im dritten Bezirk in Wien bezogen, nach einem Monat habe ich aufgesperrt. Schon nach zwei, drei Wochen sind Klienten zu mir gekommen. Den ersten Fall – etwas Arbeitsrechtliches – habe ich von einer befreundeten Rechtsanwältin übernommen. Aber entscheidend ist ja nun die Frage, welche Anziehungskraft mein Name hat, wie der Markt auf mich reagiert. Wenn man der Siebente auf dem Briefkopf einer tollen Großkanzlei ist, dann kommen die Leute eher wegen deren Standing und nicht wegen dir. Seit ich offen habe, habe ich bereits in jeder meiner Spezialisierungen beraten. Ich bin kein Wald-und-Wiesen-Anwalt, der alles macht, wie es viele in Großkanzleien nennen würden, sondern ich betreue Fälle im Arbeitsrecht, zu Fragen geistigen Eigentums, im Datenschutz sowie Fremdenrecht. Auf Ersteres habe ich mich schon im Studium spezialisiert und auch meinen ersten Job als Rechtsanwärter bei einer Wiener Großkanzlei gehabt.

Selbst für alles verantwortlich

Weil ich mich privat viel mit Musik beschäftige und als DJ auflege, finde ich Fragen zum geistigen Eigentum spannend. Derzeit arbeite ich auch viel mit Kreativen zusammen. Der Datenschutz überlappt sich ja ohnehin mit dem Arbeitsrecht, etwa in Personalfragen. Und das Fremdenrecht hat mich auch schon im Studium interessiert. Zur Weiterbildung habe ich zwei juristische Masterstudien in Singapur und New York gemacht. In New York bin ich auch als Rechtsanwalt zugelassen. Mein Ziel wäre, künftig auch amerikanische Firmen zu betreuen, die sich überlegen, nach Österreich zu kommen, oder schon hier sind.

Mein eigener Chef zu sein ist natürlich etwas anderes als meine Tätigkeit in größeren Kanzleien. Dort gab es viele Hierarchieebenen: Wenn ich als Mitarbeiter etwas entschieden habe, musste ich es noch absegnen lassen. Nur für eine Freigabe von Personen über mir bin ich auch mal am Freitag länger gesessen. Das war schon mühsam. Aber als Angestellter hast du dafür gewisse Vorteile. Du musst dich nicht um deine Versicherung kümmern, bekommst regelmäßig dein Gehalt und Urlaub, kannst dich beschweren, wenn was nicht passt. Jetzt bin ich selbst für all das verantwortlich. Auch, ob ich eine Entscheidung sofort treffe oder auf die lange Bank schiebe. Ich bin auch derjenige, der ein Problem hat, wenn ein Mandant nicht zahlen sollte. Und der entscheidet, ob ich weiter nett und freundlich nachfrage oder ihm eine Mahnung schicke. Ein Vorteil meiner Selbstständigkeit: Ich kann mich besser in meine Klienten von Klein- und Mittelunternehmen hineindenken.

Zwischen 40 und 50 Stunden pro Woche

Abseits der Tätigkeit mit Mandanten kann ich auch von überall arbeiten – solange meine Arbeit nicht für andere einsehbar ist und ich meine Geheimniswahrungspflicht erfüllen kann. Im Café, im Zug oder zu Hause arbeiten zu können, ist für mich sehr wichtig. Das habe ich auch in den Großkanzleien gemerkt, wo viele massiv Burnout-gefährdet sind. Auch deshalb, glaube ich, weil ihr Beruf oft ihr einziges Hobby ist. Für mich funktioniert das nicht. Ich will Familie und Freunden einen Platz in meinem Leben geben und Zeit zum Musikmachen haben. Als Junior konnte ich mir das leider oft nicht aussuchen, da fühlte ich mich auch unter Druck. An meinem 26. Geburtstag saß ich bis 21.30 Uhr im Büro, während meine Freunde im Lokal auf mich warteten. Solange das nicht täglich geschieht, kann ich damit leben. Aber mit den Arbeitszeiten mancher Anwärter wären viele Menschen nicht glücklich.

Es wird einem gesagt: Das gehört halt dazu. Ich war sicher auch jemand, der hockengeblieben ist. Aber jetzt will ich das nicht mehr. Ich arbeite derzeit zwischen 40 und 50 Stunden die Woche. Das ist auch eine Frage, was man mit seinen Mandanten vereinbart. Ich mache ihnen klar, dass ich nicht 24/7 erreichbar bin. Sonntags hebe ich nur ab, wenn es wichtig ist oder wir montags einen Gerichtstermin haben.

Drang zur Gerechtigkeit

Wie ich überhaupt in diesem Beruf gelandet bin? Meine Mutter würde sagen, dass ich immer den Drang hatte, Gerechtigkeit herzustellen, wenn es wem schlechter ging als mir. Vielleicht habe ich mich auch deshalb 2005 an der Uni Wien in Jus eingeschrieben. Nebenbei habe ich immer in Kanzleien gearbeitet, 2009 habe ich abgeschlossen. Mir gefällt an dem Beruf, dass ich mit Menschen zu tun habe. Und dass ich ihnen helfen kann, ihre Sichtweise bestmöglich in Worte zu fassen, dass sie sich vor Gericht damit identifizieren können. Im Prinzip bin ich ein professioneller Meinungsvertreter.

Dabei kommt mir zugute, dass mir Menschen recht schnell vertrauen. So muss ich ihnen nicht ewig die Geschichte herauskitzeln, sondern sie sagen mir gleich, was Sache ist. Dafür braucht es ein bisschen Gespür, oft sind es die kleinen Dinge, die Vertrauen schaffen. Die meisten müssen nie vor Gericht, da ist das erste Mal natürlich nervenaufreibend. Ich bespreche vorher den Ablauf und erkläre ihnen etwa, wo man sich hinsetzt. Sie sollen sich von ihrem Rechtsanwalt nicht alleingelassen fühlen. (Protokoll: Selina Thaler, 23.9.2019)