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Selbstdisziplin hilft, die Sache positiver zu sehen.

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Wird die Veränderungsdynamik unserer Zeit vor allem als Unsicherheit und Verunsicherung empfunden, leiden darunter Bewältigungsorientierung und Lebensfreude. Wird das unvermeidliche Neue hingegen als Aufforderung begriffen, es als Aufgabe hinzunehmen und sich darauf einzustellen, bekommt die Sache schon ein anderes Gesicht. Das ist die Botschaft einer Weisheit, die diversen Urhebern zugeschrieben wird, vermutlich aber auf die im 16. Jahrhundert wirkende spanische Mystikerin und Kirchenlehrerin Theresa von Avila, womöglich sogar auf die antike griechisch-römische Philosophenschule der Stoiker, die mehr innere Distanz zu dem Äußeren auf ihre Fahnen geschrieben hatte, zurückzuführen ist: "Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."

Was Theresa von Avila am Herzen liegt, ist augenfällig: weniger Befangenheit, mehr Zuversicht bei der Lebensbewältigung. Wovor sie warnt und wovor sie mit ihrer Bitte um Weisheit, das eine vom anderen unterscheiden zu können, bewahren will, ist nicht minder augenfällig: angesichts von Gegebenem in Mutlosigkeit und Resignation zu verfallen. Sind das doch zwei Eigenschaften, die im Umgang mit dem Außen wie im Umgang mit sich selbst schnell handlungsunfähig machen und Selbstbehauptung unterminieren. Verunsicherungsfühle sind nun mal keine Bewältigungshelfer.

Wo anfangen?

Lässt sich an den äußeren Umständen nichts verändern- und bei vielem, was sich derzeit, angestoßen durch die Digitalisierung und als Antwort darauf, die Transformation, in den Unternehmen abspielt, ist das der Fall -, was dann? Dann bleibt immerhin noch eine durchaus solide Chance, sich nicht mit immer tiefer hängendem Kopf zur Arbeit zu schleppen: Die Einstellung zu den Umständen – als da beispielsweise wären: komplettes Umkrempeln von Organisation und Arbeitsabläufen, permanent wechselnde Teamzusammenstellungen, kein fester Arbeitsplatz mehr, neue Technologien entwerten erworbenes Wissen und Können – zu ändern.

Welche Stressreaktion könnte in dieser Situation angemessener, hilfreicher sein, als sich nicht dem destabilisierenden Katastrophendenken hinzugeben? Führt doch diese Einstellung schnurstracks mitten hinein in das entnervende Empfinden, sich am Arbeitsplatz auf schwankendem Boden zu bewegen, gleichzeitig aber eine hohe Leistung im doppelten Sinn erbringen zu müssen – in der Anpassungsleistung und der Leistung als solche. Umgekehrt schützt nichts anderes so zuverlässig davor, sich psychomental immer tiefer in die Sackgasse von Unsicherheits- und Verunsicherungsempfindungen hineinzufantasieren, als die bewusste Steuerung von Vorstellungen und Selbstgesprächen, in denen sich die innere Einstellung zu dem Äußeren manifestiert. Und die einen Menschen schwer ins Trudeln bringen kann.

Pflege des Bewusstseins

Die Zeitgenossen des Engländers James Allen dürften es vermutlich als Schnapsidee angesehen haben, als der ihnen 1903 mit der Idee kam: Wie der Mensch denkt, so lebt er. Die Gedanken sollen Einfluss auf die Lebensumstände haben? Genau das behauptete Allen. "Das Bewusstsein des Menschen lässt sich mit einem Garten vergleichen (...) Ebenso wie ein Gärtner seine Parzelle hegt und pflegt und frei von Unkraut hält und die erwünschten Blumen und Früchte zieht, so wird der Mensch den Garten seines Bewusstseins hegen und pflegen und alle falschen, nutzlosen und unreinen Gedanken jäten und die Blumen und Früchte der rechten, nützlichen und reinen Gedanken bis zur Vollkommenheit pflegen (...) Folgt ein Mensch unbeirrt diesem Weg, wird er früher oder später entdecken, dass er der Gärtner seiner Seele, der Lenker seines Lebens ist", schreibt er in seiner ganz famosen kleinen Schrift As a Man Thinketh – Wie der Mensch denkt, so lebt er. Bis heute ist sie im Buchhandel (MVG-Verlag) erhältlich, wird regelmäßig nachgedruckt und gilt als liebenswürdiger Geheimtipp der Bewusstseinspflege.

Exakt 45 Jahre später rieb der amerikanische Selfmademan Dale Carnegie seinen von den Nachwirkungen des Kriegs und den Auswirkungen des beginnenden Kalten Kriegs verunsicherten Landsleuten unter die Nase: "Sorge dich nicht – lebe"! Untertitel des gleichnamigen Buches: "Die Kunst, zu einem von Ängsten und Aufregungen befreiten Leben zu finden." Wie James Allen zielte auch Carnegie mit seinem ebenfalls bis auf den Tag zu kaufenden Buch (S.-Fischer-Verlag) auf den entscheidenden Punkt der Lebensgestaltung: Sich vor dem gedanklichen Wildwuchs im Kopf höllisch in Acht zu nehmen. Besagen doch Erkenntnisse aus der Psychologie: Erfolgreiche verstehen sich darauf, sich mit ihren Gedanken, Vorstellungen und Selbstgesprächen Mut zu machen und sich dadurch in schwierigen Situationen aufzubauen. Weniger Erfolgreiche vergeuden ihre Kräfte in nicht enden wollender Besorgnis.

Muster können geändert werden

Weshalb gibt es die einen und die anderen? Wieso gibt es diese unterschiedlichen Einstellungen, die einen so gravierenden Einfluss auf Umgang mit den Ansprüchen haben, vor die das Leben stellt? Wie immer bei solchen Fragestellungen führt kein Weg an der Frage "Nature or nurture?" vorbei. Angeboren oder durch günstige, beispielsweise frühkindliche Einflüsse und ermunternde Erfahrungen im weiteren Leben entwickelt? Elaine Fox, Professorin für Psychologie und Neurologie, befasst sich seit 2013 am Oxford Centre for Emotions and Affective Neuroscience an der Universität Oxford mit der Erforschung einstellungssteuernder menschlicher Emotionen. Ihre Erkenntnisse besagen: Ein Grundstock für den Umgang mit Herausforderungen und Schwierigkeiten wird Menschen in die Wiege gelegt. Einen weiteren Einfluss darauf haben die Lebensumstände.

Die Schlussfolgerung aus ihren Forschungen heißt: Die individuelle Bewältigungsfähigkeit ist nicht in Erz gegossen. Dagegen spricht die inzwischen als beachtlich erkannte Wandlungsfähigkeit des Gehirns. Mit der notwendigen Zähigkeit und Unverdrossenheit lassen sich die verhaltenslenkenden angeborenen und erworbenen Muster im Gehirn zumindest ein Stück weit verändern. Dieses Wissen komprimiert Fox zu der Feststellung: "In jedem steckt ein Optimist." Ohne allerdings zu verschweigen: Dieser verborgene Schatz im Inneren verlangt nach einem Zauberwort, um gehoben zu werden: Selbstdisziplin. Ohne Selbstdisziplin in der Gedankenführung entkommt niemand der Verunsicherungsfalle. (Hartmut Volk, 25.9.2019)