Fast jeder rechnet mit einem Wahlsieg von Sebastian Kurz und seiner ÖVP – und genau das stellt die größte Schwäche der Volkspartei dar, sagt David Pfarrhofer vom Linzer Market-Institut, das diese Woche für den STANDARD die letzte Umfrage vor der Wahl am 29. September durchgeführt hat: "Wenn der Wahlsieger festzustehen scheint, dann ist die Versuchung gegeben, dass die ÖVP-Anhänger dann erkennen, dass etwa die Frau Meinl-Reisinger auch einen ganz guten Job macht – oder dass sie überhaupt daheimbleiben."

Diesem Demobilisierungseffekt steht allerdings entgegen, dass gerade in den ersten Septemberwochen doch noch eine Art Duellsituation eingetreten ist: Der SPÖ ist es gelungen, die Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner als Herausforderin zu stilisieren – das mobilisiert einerseits Wähler im linken Lager (und bisher unentschlossene Nichtwähler, die eher nach links tendieren) für die SPÖ. Es bewirkt aber auch eine Fokussierung des rechten Lagers auf die ÖVP und ihren Spitzenmann Sebastian Kurz. Das lässt sich anhand mehrerer Daten aus der jüngsten Umfrage veranschaulichen.

  • ÖVP – In der Hochrechnung steigt die Zustimmung wieder leicht gegenüber Anfang September und liegt jetzt bei 35 Prozent. Dasselbe trifft auf den Spitzenkandidaten Sebastian Kurz zu: In der (theoretischen) Frage, wen man als Bundeskanzler wählen würde, nennen 39 Prozent Kurz. Dieser We ist wieder so hoch wie im Frühsommer. Und: 18 Prozent – vor allem ältere und weniger gebildete Befragte – sagen, dass sich ihr Eindruck von Kurz in letzter Zeit verbessert habe. Auch erklärte FPÖ -Wähler sehen überdurchschnittlich stark eine Verbesserung – wohingegen sechs von zehn SPÖ-Wählern einen schlechteren Eindruck gewonnen haben.

  • SPÖ – Die Sozialdemokraten holen in der Hochrechnung leicht auf – mit 23 Prozent bleibt der Abstand zur ÖVP, aber auch zum Wahlergebnis von 2017 (26,9 Prozent) allerdings deutlich. Darauf, dass das Her stellen einer Duellsituation wirkt, deuten die Werte von Spitzenkandidatin Rendi-Wagner hin: 20 Prozent sagen, dass sie von ihr einen besseren Eindruck haben – allerdings sind das vor allem Personen, die sich bereits zur SPÖ bekennen; aus den Reihen der ÖVP- und FPÖ-Wähler schlägt ihr schroffe Ablehnung entgegen. Immerhin 18 Prozent würden Rendi-Wagner zur Kanzlerin wählen. Allerdings: Während 95 Prozent der ÖVP-Wähler Kurz direkt wählen würden, nennen nur 73 Prozent der SPÖ-Wähler die SPÖ-Kanzlerkandidatin. "Viele SPÖ-Anhänger sehen aber auch keine Alternative und nennen gar keinen präferierten Kanzler", beobachtet Pfarrhofer.

  • FPÖ – Bei den FPÖ-Wählern ist das anders: 66 Prozent der Freiheitlichen würden Norbert Hofer zum Kanzler wählen – aber 33 Prozent nennen Sebastian Kurz. Hofer ist für zehn Prozent der Wahlberechtigten der Wunschkanzler. Die FPÖ kommt in der Hochrechnung auf 20 Prozent, Pfarrhofer rät aber zum Blick auf eine weitere Frage: "Welche Partei wäre ihre zweite Wahl?" Darauf nennen 66 Prozent der FPÖ-Wähler die ÖVP – während umgekehrt nur 27 Prozent der ÖVP-Wähler die FPÖ nennen.
  • Neos – 23 Prozent der Wahlberechtigten (und 38 Prozent der ÖVP-Wähler) nennen die Neos als zweite Wahl, was eine gewisse Wechselbereitschaft signalisiert. Pfarrhofer: "Den Neos geht es wie früher den Grünen. Viele schätzen sie sehr, aber wählen doch lieber eine andere Partei." In der Hochrechnung kommen die Neos auf acht Prozent, was deutlich über dem letzten Nationalratswahlergebnis (5,3 Prozent) liegt.

  • Grüne – Mit hochgerechneten elf Prozent sind die Grünen sicher im Nationalrat vertreten. Vor allem städtische Wähler bekennen sich zu ihnen.

  • Jetzt – Mit zwei Prozent hat die Liste von Peter Pilz nur Außenseiterchancen.

Für den STANDARD hat Market auch erhoben, welche Motive die Wahlberechtigten antreiben, die jeweilige Partei zu wählen. Die entsprechende Frage wurde in drei Wellen mit insgesamt 2400 Befragten gestellt und ergab durchaus unterschiedliche Motivlagen: So nennen 72 Prozent der deklarierten ÖVP-Wähler als sehr wichtigen Wunsch, dass ihre Partei wieder regieren soll. 70 Prozent verbinden das auch mit dem Wunsch, dass die ÖVP auch den Bundeskanzler stellen soll. Stammwähler zu sein, scheidet dagegen für die Mehrheit der 641 befragten ÖVP-Wähler aus: Für 31 Prozent ist das weniger, für weitere 26 Prozent gar nicht wichtig.

Die Wähler anderer Parteien wünschen sich zwar auch ihre jeweilige Partei in der Regierung, aber in wesentlich geringerem Maß: Von den SPÖ-Wählern nennen 62 Prozent die Regierungsbeteiligung sehr wichtig, bei den FPÖ-Wählern sind es 53 Prozent, bei denen der Neos und der Grünen jeweils 42 Prozent. Für FPÖ-Wähler sind die Themen der Partei das wichtigste Wahlmotiv, ebenso für die Grünen-Wähler – Neos-Wähler nennen als stärkstes Wahlmotiv "weil neue Lösungen, neue Wege aufgezeigt werden". (Conrad Seidl, 20.09.2019)