Nina Weilharter und Max Handl wollen, dass die Bürger ihr Wahlrecht nutzen.
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14. SEPTEMBER 2019 / 13.15 Uhr / NEOS /
INNERE MARIAHILFER STRASSE

Nina Weilharter und Max Handl geben sich Mühe. Die Kinder am Maltisch sollen nicht den Eindruck bekommen, dass an diesem schreiend pinken Parteistand halbherzig gezeichnet wird. Die Neos, sie wollen alles geben. An diesem sonnigen Samstag kämpfen ihre Freiwilligen um jedes bisschen Aufmerksamkeit, um jedes bisschen Sympathie. Und es läuft gut. Von der parteipolitischen Konkurrenz ist weit und breit keine Spur auf der Mariahilfer Straße. Pinke Bleistifte und gute Worte finden reißenden Absatz auf der bummvollen Einkaufsmeile.

Handl (25) arbeitet für das Innenministerium. Er sagt, er sei immer ein politischer Mensch gewesen, aber nicht unmittelbar politisch aktiv. Das hat sich geändert, als Herbert Kickl im Innenressort einmarschiert ist: "Da musste ich was tun." Früher sei er der ÖVP zugeneigt gewesen. Zu den Neos sei er gegangen, weil diese für eine gute Oppositionspolitik stünden und die "Zukunft im Blick" hätten. Ob er persönlich irgendwann ein Mandat anstrebt? Er schließt es nicht aus. "Aber dafür stehe ich jetzt nicht da."

Weilharter (21) ist Studentin – Biologie und Politikwissenschaften. Bemerkenswerte Kombination. "Ja, das sagt jeder." Wegen der Karriere schlägt auch sie sich nicht die Samstage für die Neos um die Ohren. Was sie umtreibt, ist, dass viele in ihrer Generation nicht zur Wahl gehen wollen. "Sie haben den Glauben an die Politik verloren", sagt die junge Frau. Sie stehe hier, "weil ich will, dass die Leute von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Wenn sie die Neos wählen, fein. Aber zur Wahl gehen sollen sie vor allem." Sonst brauche sich niemand zu wundern, dass Politik für Ältere gemacht wird, wenn nur Ältere an die Urnen gehen. Nur wer das Wahlrecht nicht gedankenlos herschenkt, könne beeinflussen, dass irgendwann vielleicht doch etwas besser wird in diesem Land.

Oswald Kuppelwieser ist heuer in Favoriten noch gar nie bedroht worden.
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14. SEPTEMBER 2019 / 16.00 Uhr / GRÜNE /
REUMANNPLATZ

Für jede Partei würde er nicht im Dutzend Leute anquatschen und Broschüren verteilen, sagt Oswald Kuppelwieser. Es ist schon der vierte Nationalratswahleinsatz des 72-Jährigen für die Grünen. Und bei denen will er auch bleiben. "Denn wenn wir nicht im Nationalrat vertreten sind, dann passiert im Klimaschutz gar nichts." Das ist ein Beweggrund für den Auftritt des ehemaligen Erwachsenenbildners (Politische Bildung in der Volkshochschule) auf dem für Ökos eher harten Pflaster in Wien-Favoriten. Einen zweiten Beweggrund beschreibt der Pensionist so: "Ich habe studiert und ein gutes Leben verbracht. Es ist an der Zeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben."

Was ihm auffällt am heurigen Wahlkampf? "Die FPÖ tritt nicht mehr so aggressiv auf. Die FPÖler verstecken sich eher. Wenn die früher unten auf dem Viktor-Adler-Markt gehetzt haben, hat die Aggression sofort auf die Leute umgeschlagen. Heuer bin ich noch gar nie bedroht worden. Nicht ein einziges Mal." Wie viel er mit den Grünen erreichen will? "So viel wie bei der EU-Wahl (knapp 13 Prozent, Anm.). Es gibt viel Zuzug, der Bezirk ändert sich. Wir haben ein Leiberl in Favoriten."

Arnold Degasperi versucht den 4. Bezirk wieder für die ÖVP zu erobern.
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16. SEPTEMBER 2019 / 17.00 Uhr / ÖVP /
SÜDTIROLER PLATZ

Arnold Degasperi sagt, er sei immer schon ein Konservativer gewesen. Seit seiner Studentenzeit ist der Restaurator politisch aktiv. Sein Engagement bei der ÖVP auf der Wieden nahm aber erst Fahrt auf, weil es ihn ungemein ärgerte, dass die Partei 2010 den Bezirksvorsteher an die SPÖ verlor. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sebastian Kurz wieder Bundeskanzler wird. Aber auch in Wien muss sich die Realität ändern. Wir müssen die Themen hier in der Stadt klar aufzeigen, das Bonzentum im Rathaus muss weg", schimpft der 62-Jährige und meint natürlich die SPÖ. "Wenn die Menschen mitbestimmen wollen und nicht nur Steuern zahlen, dann müssen sie uns wählen." Es würde allerdings vor allem in Wien helfen, wenn es nicht wieder zu einer Koalition mit den Blauen käme: "Das würde uns in der Stadt einen Schub geben."

Auch für Degasperi ist es sein vierter Wahlkampf. Heuer kann er erneut zunehmenden Zuspruch bei den Jungen für seine Partei feststellen: "Sie können sich wegen des Spitzenkandidaten einfach mehr mit uns identifizieren." Um 18 Uhr muss er los. Die Bezirks-ÖVP macht Hausbesuche in der Argentinierstraße und in der Schelleingasse. Ob er denn bald selbst kandidieren will? "Ja, logisch! Ich will den Bezirk zurückholen, mit aller Kraft!"

Bei der FPÖ auch der Landstraße bleibt die Tür zu. Vor allem für den STANDARD.
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18. SEPTEMBER 2019 / 18.50 Uhr / FPÖ /
AM MODENAPARK

Hier regiert der HCS. Das wird umgehend jedem klar, der in das Parteilokal der FPÖ am noblen Modenapark kommt: Überlebensgroße Strache-Plakate ("Wien darf nicht Istanbul werden") dominieren das ockerbraune Ambiente. Wie pro forma hängen außen am Gassenlokal kleine Kickl- und Hofer-Wahlwerbungen. In Erdberg und auf der Landstraße haben die aber wenig zu melden. Das ist Strache-Land. Hier hat er als FPÖ-Bezirksrat angefangen. Hier war er Bezirksparteichef. Und hier soll heute Abend Philippa Strache über den "Stellenwert des Tierschutzes im Wahlkampf" referieren.

Acht Herrschaften und zwei Hunde. Warten auf die Nationalratskandidatin. Ob sie freiwillig im Wahlkampf helfen, und warum sie für die FPÖ eintreten? Darüber wollen sie nicht sprechen. "Wir haben die Order von oben, mit keinen Journalisten zu reden", sagt ein älterer Herr, der für die Gruppe spricht, solange "der Chef" noch nicht da ist. Auch Smalltalk – "Wie läuft's so im Wahlkampf?" – erweist sich unter diesen Umständen als einseitig: "Nein, wir dürfen nichts sagen." Sicherheitshalber wird dann auch noch der Chef angerufen, was denn zu tun sei. Der gibt durch, dass der Reporter vor der Tür zu warten habe.

Der leistet bereitwillig Folge. Selbstgespräche sind ohne weiteres auch vor der Tür möglich. Nur eine Frage noch: Wie schaut denn "der Chef" aus? "Ganz einfach, er ist der Kleinste von uns", hilft sein Statthalter. Als Landtagsabgeordneter Dietrich Kops schließlich eintrifft, sagt er: "Nehmen Sie es nicht persönlich, aber wir geben Ihrer Zeitung keine Interviews. Allein die Schlagzeile heute wieder ... (",FPÖ-Stasi' und ,schwarze Netze' im BVT", Anm.)"

Manuela Wölfl geht ohne "rotes Jopperl" für die SPÖ auf die Straße.
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19. SEPTEMBER 2019 / 15.45 Uhr / SPÖ /
OTTAKRING

Das Letzte, was Manuela Wölfl will, ist, Leute zu bekehren. "Ich will einfach da sein und Denkanstöße geben. Ich will über Statements und Entwicklungen diskutieren. Parteisoldatin bin ich absolut keine", sagt die ehemalige Layouterin. Deswegen trägt sie auch kein "rotes SPÖ-Jopperl", weder an diesem Nachmittag an der U-Bahn-Station Ottakring, wo die SPÖ-Frauen auftreten, noch sonst irgendwann. Das höchste der Gefühle sind Buttons – und auch die vorwiegend mit inhaltlichen Aussagen: "My Body Is My Choice".
Wölfl ist seit zwei Jahren bei den SPÖ-Frauen als Freiwillige aktiv, weil sie das Gefühl hat, dass die politische Lage auf eine Art schiefe Ebene geraten ist. "Ich war nie eine Aktivistin. Aber ich will etwas tun gegen das Kippen der Stimmung", sagt sie. Ihr ginge es vor allem um das Frauenthema, aber auch um Sozialthemen, die in diesem Wahlkampf wieder mehr gefragt seien. Es ginge um zu hohe Mieten oder Pflege.

Oft kämen auch nichtwahlberechtigte Menschen zum Stand. Die wollten dann die Goodies, die verteilt würden, gar nicht annehmen. Nein, nein, sagt Wölfl dann lachend, den Bleistift könne man schon behalten, auch wenn man am 29. September kein Kreuzerl damit machen darf. (Christoph Prantner, xx.9.2019)