(Kaffeehaus. Eine Dramaturgin und ein Dramaturg, miteinander im Gespräch. Caffè latte.)

ER: Merowinger schon gesehen im Volkstheater? Sowas von gestrig!
SIE:
Romandramatisierungen, das ist einfach vorbei. Das Einzige, was die Aufführung rettet, ist die Bearbeitung von Franzobel.
ER (nickt): Er ist der Beste. Wir sind wahnsinnig froh, dass wir ihn gekriegt haben für die Bearbeitung von den Ezra-Pound-Cantos im November.
SIE: Pound? Hast du nicht gesagt, ihr macht Brecht? Svendborger Gedichte?
ER:
Wollten wir ursprünglich, ja. Aber die Chefin hat gemeint, in der derzeitigen Situation ist Pound besser.
SIE: Sicher ist jedenfalls, dass Lyrik das Einzige ist, was heutzutage am Theater noch Sinn macht. Wir machen im Dezember Hölderlin, Hälfte des Lebens.
ER:
Wird das nicht ein bisserl kurz?
SIE: Im Gegenteil. Wir kämpfen grad mit dem Regisseur, dass er unter vier Stunden bleibt. Allein diese Szene mit den Schwänen, was trunken von Küssen ihr Haupt ins heilignüchterne Wasser tunken, dauert fast eine Stunde. Aber die ist sowas von lustig! Die werden geküsst, verstehst du, dann tunken s' das Kopferl ins Wasser, dann tauchen s' wieder auf, werden wieder geküsst, tunken's wieder ein und so weiter. Fünfzig Minuten lang. Wir hauen uns jedes Mal total ab bei den Proben. (Lacht, nippt an ihrem Kaffee.) Aber der eigentliche Star ist natürlich das Bühnenbild. Diese Mauern! Sowas von sprachlos, sowas von kalt, unbeschreiblich! (Pause)
ER: Weißt du, was ich mich manchmal frag? Wenn das mit der Lyrik irgendwann auch vorbei ist, was inszenieren wir dann? Was ist die Zukunft des Theaters?
SIE: Schwer zu sagen. Computergrafik eventuell.
ER: Möglich, oder ... Hast du schon einmal ein Fußballspiel gelesen? (Vorhang)
(Antonio Fian, 21.9.2019)