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Schrott lief kürzlich binnen 13,03 Sekunden über 100 Meter Hürden. Es war ihre beste Zeit seit 2015. Das verspricht viel für die WM.

Foto: REUTERS/Michael Dalder

Beate Schrott ist Hürdensprinterin, Victoria Hudson ist Speerwerferin – zwei Disziplinen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Doch einige Tage lang konnten (sich) die beiden Österreicherinnen gemeinsam üben, nämlich im Durch-die-Finger-Schauen. Der Weltverband (IAAF) hatte eine nicht nachvollziehbare Entscheidung getroffen, indem er seine eigenen Qualifikationskriterien für die am kommenden Freitag in Doha (Katar) beginnende Weltmeisterschaft über den Haufen warf.

Dutzende Athletinnen und Athleten hätten demnach die WM-Teilnahme verpasst, mit der viele von ihnen praktisch fix gerechnet hatten. Erst am Freitag machte die IAAF einen nicht minder überraschenden Rückzieher, und die vermeintlichen Durch-die-Finger-Schauerinnen sind plötzlich wieder angehende WM-Teilnehmerinnen.

Hintergrund der Verwirrung ist die Tatsache, dass nach dem europäischen Verband (EAA) auch die IAAF ihre Richtlinien geändert hatte. Früher gab es in den diversen Disziplinen festgesetzte Limits, die mehr oder – in vielen Fällen – weniger schwer zu erfüllen waren. Das zog da und dort große Teilnehmerfelder nach sich, dem wollte die IAAF einen Riegel vorschieben. Sie verschärfte die Limits und versprach, später die Felder auf eine jeweils schon im Vorhinein festgesetzte Anzahl an Teilnehmerinnen oder Teilnehmern aufzufüllen.

Deckel zu, Deckel auf

So sollten 40 Hürdensprinterinnen und 32 Speerwerferinnen in Doha starten, dann machte die IAAF bei 38 Sprinterinnen und 28 Werferinnen den Deckel zu – um ihn jetzt doch wieder anzuheben. Mag sein, der internationale Druck ob all der Aufregung war zu groß geworden.

Schrott (31) war 2012 EM-Dritte und Olympia-Siebente, heuer hat sie ihr Medizinstudium abgeschlossen, kürzlich erzielte sie ihre beste Zeit seit vier Jahren (13,03). Umso größer war ihre Empörung über die Nichtberücksichtigung, umso größer ist nun ihre Freude. "Ich arbeite seit zwei Jahren darauf hin, wieder bei einer WM dabei zu sein, und hätte gerne eine faire Chance gehabt. Es hat mich total geärgert, so von etwas Ungewissem abhängig zu sein, ich war sehr, sehr wütend."

Schrott, die von "Willkür" sprach, wusste immerhin den österreichischen Verband an ihrer Seite. Generalsekretär Helmut Baudis ortete und ortet noch immer "völlige Überforderung der IAAF".

Regeln hin, Regeln her

Der ÖLV hätte sich schriftlich beim Weltverband und seinem britischen Präsidenten Sebastian Coe beschwert. Kritik wird es auch nach der neuen Entwicklung geben. Baudis sagte am Freitag dem STANDARD: "Was bleibt, ist ein absolut unprofessionelles Vorgehen." Beim IAAF-Kongress vor WM-Beginn in Doha wird die Posse garantiert behandelt. "Träume platzen, Karrieren werden zerstört", wenn man so unfair handle, sagt Baudis. Nicht zuletzt geht es in Doha um Qualifikationspunkte für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Die 16 WM-Semifinalistinnen im Hürdensprint etwa verbessern ihre Situation. Baudis: "Ein WM-Semifinale ist Schrott zuzutrauen."

Knapp 2000 Aktive aus 209 Nationen sind von 27. September bis 6. Oktober in Doha dabei. Österreich stellt nun kein Quartett, sondern ein Sextett. Neben Schrott und Hudson treten Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger, Marathonläufer Lemawork Ketema sowie die Siebenkämpferinnen Verena Preiner und Ivona Dadic an.

Ketema übrigens fiel tatsächlich schon einmal um die Teilnahme an einem Großevent um. Vor Olympia 2016 in Rio de Janeiro war der Fall indes anders gelagert. Da hatten Ketema sowie Edwin Kemboi und Valentin Pfeil das internationale Marathonlimit erfüllt, und der ÖLV schlug sie dem Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC) zur Nominierung vor. Doch das ÖOC pochte auf die strengere nationale Norm und ließ das Trio daheim. (Fritz Neumann, 20.9.2019)