Namen sind in "The Third Man" prinzipiell unsicher. Das beginnt bei der merkwürdigen Verwechslung, dass Anna Schmidt mehrfach "Harry" zu Holly Martins sagt, und zieht sich durch die ganze Entstehungsgeschichte des Films: Aus Rollo wird Holly, aus dem Trivialautor Buck Dexter wird Holly Martins (der sein Pseudonym verliert), aus dem britischen Polizisten Calloway macht Martins immer wieder Callahan, und aus Zane Grey wird in der deutschen Synchronisation Edgar Wallace. Die beiden wichtigsten Namensänderungen betreffen aber aus guten Gründen die beiden Figuren aus "The Third Man", von denen man heute sagen würde, dass sie Migrationshintergrund haben. Anna Schmidt und Popescu.

Filmszene mit Anna Schmidt und Holly Martins, gespielt von Joseph Cotten.
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Anna Schmidt ist ein Allerweltsname in einem gefälschten Pass, der einer Frau gehört, die im Film aus der Tschechoslowakei und im Roman aus Ungarn stammt – der Unterschied zwischen diesen beiden Ländern hat zeitgenössische Resonanzen. Popescu ist der Name der Figur aus dem Roman von Graham Greene, die dort noch Cooler hieß und eine Wohnung über einem Eissalon im amerikanischen Sektor hatte. "Eine weitere Nebensächlichkeit: Amerikanischen Einwänden folgend wurde Cooler durch einen Rumänen ersetzt, da wir dank der Verpflichtung von Mr. Orson Welles bereits über einen amerikanischen Schurken verfügten."

Schattenfigur in tragender Funktion

So beiläufig, wie Graham Greene es hier berichtet, ist die Veränderung allerdings nicht. Denn mit der Figur von Popescu öffnet sich "The Third Man" noch ein bisschen mehr für die zeitgeschichtliche Situation in Europa im Jahr 1949. Zwar bleibt die Figur auffällig undefiniert – aus seinen Anzügen kann man schließen, dass er ein Nachkriegsgewinnler sein dürfte, aber was es mit seinem Aufenthalt in Wien näherhin auf sich hat, wird nicht erklärt.

Der Name Popescu ist für rumänische Verhältnisse ein Pendant zu Anna Schmidt. So heißt (oder nennt sich) jemand, der keinen Grund hat aufzufallen. Man muss diesem Namen also nicht unbedingt eine größere Bedeutung verleihen. Zwei Assoziationen (genau genommen handelt es sich um Assonanzen) sind aber von Interesse. In Ernst Lothars Roman "Der Engel mit der Posaune", der 1948 in Wien auch durch die Verfilmung von Karl Hartl in aller Munde war, gibt es ganz am Rand eine Figur namens Jonescu.

Es handelt sich um einen Erpresser, einen Journalisten, der belastende Informationen über die Mutter der weiblichen Hauptfigur Henriette Stein besitzt. Diese will unbedingt verhindern, dass ihr Vater, ein gutmütiger, argloser Mann, davon erfährt. Es zeugt vom literarischen Geschick Ernst Lothars, dass er nur sehr nebenbei erkennen lässt, dass das finanzielle Interesse, die Forderungen dieses Jonescu erfüllen zu können, das Hauptmotiv für Henriette ist, den deutlich älteren Franz Alt zu heiraten. Jonescu ist in "Der Engel mit der Posaune" eine Schattenfigur, die aber eine tragende Funktion hat.

Bert Rebhandl, "Der dritte Mann". € 20,- / 120 Seiten. Czernin, 2019
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Ein anderer Rumäne, dessen Namen die Macher von "The Third Man" im Ohr gehabt haben mochten, ist Gaston Monescu, die Hauptfigur von Ernst Lubitschs Komödie Trouble in Paradise (1932). Monescu ist ein Hochstapler und Charmeur, der seine Qualifikationen mit einem unsterblichen Satz beschreibt: "Do you remember the man who walked into the Bank of Constantinople, and walked out with the Bank of Constantinople?" Man kann sich an dieser Stelle die Widmung an Carol Reed in Erinnerung rufen, die Graham Greene seinem Roman voranstellte: "in Bewunderung und Verehrung – und im Gedenken an die vielen Wiener Nächte, die wir im Maxim, im Casanova und im Oriental verbrachten". Das Oriental wäre jedenfalls der passende Ort für eine Debatte darüber gewesen, wie man die neue Figur nennen sollte, die an die Stelle Coolers treten sollte: Jonescu? (Eugene Ionesco, einer der Urheber des absurden Theaters, dies nur nebenbei, saß 1948 an seinem ersten Stück.) Monescu? ("Constantinople suited me better.") Popescu!

Karriere im Film

Der Darsteller Popescus war ein österreichischer Schauspieler namens Siegfried Breuer, Jahrgang 1906, dessen ganze Karriere von einer Tendenz zu osteuropäischen Namen geprägt war. 1940 hatte er in der Wien-Film-Produktion Der Postmeister unter der Regie von Gustav Ucicky eine große Rolle als Rittmeister Minskij, der ein Mädchen vom Land nach St. Petersburg holt, dort moralisch korrumpiert, sie aber schließlich rehabilitiert, indem er sie (zum Schein) heiratet. Die Vorlage stammte von Puschkin, die Darsteller, allen voran Hilde Krahl, hatten unüberhörbar einen wienerischen Klang.

Von dem russischen Offizier Minskij bis zu dem Schieber Popescu ist es kein weiter Weg. In den Namen der Figuren, die Breuer zwischen 1940 und 1949 spielte, lässt sich ein ganzes Imaginarium des alten Europa wiedererkennen: Egon von Brelowsky, Fürst Hohenburg, Graf Stefan Oginski, Benjamin Hecht, Hauptmann Rakic, Professor von Hartberg, Baron von Worowsky, Viktor, Paul Madina, Professor Alfred Lorenz, Baron Hübner, Prinz Orlowsky, Fürst Catti, Bukowsky, Radkofsky und schließlich (in Der Angeklagte hat das Wort nach Alexander Lernet-Holenia) ein Tabakovitsch – das klingt alles, als wäre Kakanien nie untergegangen, und genau darauf spielten Carol Reed und Graham Greene mit dem Namen Popescu wohl an. (Bert Rebhandl, Album, 21.9.2019)